Im freien Fall Milchpreise zwingen Bauern auf die Straße
24.08.2015, 16:51 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
40 Cent hat ein Milchbauer im vergangenen Jahr für den Liter erhalten. Doch mit dem Wegfall der Quote rauscht der Preis in den Keller. Doch was Verbraucher freut, bedeutet für etliche Landwirte eine existenzielle Gefahr.
Der Preissturz bei Milch treibt nach den Landwirten in mehreren europäischen Ländern nun auch die deutschen Bauern auf die Barrikaden. Mit Ziel München sind zu Wochenbeginn Landwirte im schleswig-holsteinischen Hohenwestedt - unterstützt von dänischen Kollegen - und im niedersächsischen Krummhörn mit insgesamt mehr als 50 Treckern auf Staffelfahrten aufgebrochen. In der bayerischen Landeshauptstadt ist am 1. September eine große Protestkundgebung geplant. Zwei weitere Fahrten beginnen in den nächsten Tagen in Baden-Württemberg und in Bayern.
Proteste hat es bereits etwa in Frankreich, Belgien und Dänemark gegeben. Französische Bauern wollen am 3. September wieder auf die Straße gehen und mit gut 1000 Traktoren nach Paris fahren, wie Bauernverbands-Chef Xavier Beulin im Sender France Info ankündigte. Neben der Entwicklung auf dem Milchmarkt wehren sich die französischen Viehzüchter auch gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Fleischpreise.
Im Zuge der EU-Agrarreform wurde die Milchquote zum 1. April abgeschafft. Seitdem drückt ein Überangebot den Preis. Dazu kommt Russlands Einfuhrverbot. Seit der Abschaffung der Quote ist der Preis auf etwa 26 Cent pro Liter gesunken. Im vergangenen Jahr hatte er noch bei über 40 Cent gelegen. Dieser Preis ist nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Milchviehalter (BDM) auch nötig, um kostendeckend zu wirtschaften. Die deutschen Milchviehhalter verlören jährlich mehr als vier Milliarden Euro.
Superabgabe umwidmen?
In Hohenwestedt forderte BDM-Vorsitzender Romuald Schaber ein Eingreifen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ein Ende des Preisverfalls sei nicht in Sicht. Viele Betriebe seien gefährdet und hielten sich zurzeit nur mit Krediten über Wasser. Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Robert Habeck warnte vor der größten Milchbauern-Krise seit Gründung der Bundesrepublik. Viele Milchbetriebe erhöhten verzweifelt ihre Produktion wie in einem immer schnelleren Hamsterrad, was den Preisverfall noch beschleunige.
Schaber und Habeck forderten, dass die sogenannte Superabgabe von 900 Millionen Euro zur Mengenreduzierung der Milchproduktion verwendet werde. Für Milchproduktion oberhalb der festgesetzten Quote hatten Landwirte bisher Strafzahlungen - die sogenannte Superabgabe - leisten müssen, die in diesem Jahr wegen des Wegfalls der Milchquote zum letzten Mal erhoben wurde.
Bisher sei geplant diese 900 Millionen Euro anderweitig zu verwenden. Schaber erläuterte, so ließen sich Anreize schaffen, die Milchproduktion wieder freiwillig zu drosseln. Die EU-Agrarminister wollen am 7. September in Brüssel bei einem schon länger geplanten Sondertreffen über die Lage in der europäischen Landwirtschaft beraten.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa