Betriebsrat besteht auf Lohnerhöhungen Mister Karstadt steht Ärger ins Haus
22.05.2013, 11:12 Uhr
"Geld ist nur totes Kapital": Nicolas Berggruen fühlt sich zu Höherem berufen. Er will nicht nur Investor, sondern ein produktives Mitglied der Gesellschaft sein.
(Foto: REUTERS)
Bei Karstadt rumort es: Wegen grassierenden Umsatzschwunds soll die Belegschaft zu einer Zwangspause beim Tariflohn verdonnert werden, aber die Arbeitnehmervertreter stellen sich stur. Sie fordern Anerkennung für "die Helden der vergangenen Jahre". Karstadt-Retter und Menschenfreund Berggruen bleibt in Deckung.
Die Empörungswelle unter den Karstadt-Mitarbeitern über den Ausstieg des Warenhauskonzerns aus der Tarifbindung schwillt an. Der Konzern leidet unter dramatischem Umsatzschwund, trotzdem will der Betriebsrat an den Lohnerhöhungen für die Beschäftigten festhalten. "Unser Ziel ist es, gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten an Lohnsteigerungen partizipieren können. Ein Weg könnten sogenannte Anerkennungstarifverträge auf Landesebene sein", sagte Karstadt-Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt den Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe.
Karstadt hat erst kürzlich eine zweijährige "Tarifpause" für die rund 20.000 Beschäftigten angekündigt. Mögliche Lohnerhöhungen aus der aktuellen Tarifrunde würden damit an den Karstadt-Beschäftigten vorbeigehen. "Das letzte Wort in der Sache ist noch nicht gesprochen", sagte Patzelt dazu. "Natürlich sind viele Kollegen verärgert", erklärte der Betriebsratschef. "Die Beschäftigten von Karstadt haben in den vergangenen Jahren auf viel Geld verzichtet, um das Unternehmen zu stützen." Die Karstadt-Mitarbeiter seien "die Helden der vergangenen Jahre. Insofern haben sie sich ordentliche Einkommen und sichere Jobs mehr als verdient."
Verdi: "Eigentum verpflichtet"
Die Gewerkschaft Verdi verlangt vor allem von Karstadt-Retter und -Eigentümer Nicolas Berggruen verstärkte Anstrengungen für eine Sanierung des Warenhauskonzerns. "Eigentum verpflichtet", betonte eine Sprecherin der Gewerkschaft am Vortag, als interne Unterlagen über den dramatischen Umsatzrückgang bei Karstadt bekannt wurden. Berggruen müsse einen finanziellen Beitrag leisten, schließlich habe die Belegschaft seit 2004 bereits einen in Höhe von mehr als 650 Mio. Euro erbracht, argumentierte die Sprecherin.
Der Konzern hüllt sich derweil in Schweigen. Handelsexperten und Verdi bemängeln, dass Berggruen bis heute in die Sanierung der 86 Warenhäuser keinen Cent investiert hat. Alles müsse aus der Karstadt-Kasse bezahlt werden, deshalb dauere die Sanierung viel zu lange, lautet die Kritik. Dass es ein hartes Jahr werden wird, hat Karstadt-Vorstand Andrew Jennings bereits im März angekündigt.
Die Sanierung sei bis 2015 geplant und nicht 2013 abgeschlossen, sagte Jennings in einem Interview. Wie es im Detail bei Karstadt läuft, darüber lässt sich nur spekulieren. Geschäftszahlen muss das Unternehmen als GmbH nicht mehr zeitnah offenlegen.
Berggruen hält sich vornehm zurück
Der große Heilsbringer, US-Investor und Milliardär Berggruen bleibt wie sein damaliges Karstadt-Konzept ein Rätsel. 2010 weckte er große Hoffnungen. Er sprach von einer "sehr persönlichen Sache" und von einer "Kultmarke", die er wiederbeleben wolle. Er rühmte seine "große Finanzkraft", die ihn unabhängig von Banken mache und versprach, mit ihm werde es weder Stellenabbau, noch Standortschließungen geben.
Nachdem das Projekt Karstadt-Kauf abgeschlossen war, versiegten die warmen Worte. Mitte 2012 verkündete Jennings den Mitarbeitern, dass Karstadt bis Ende 2014 insgesamt 2000 Stellen streichen will. Von Berggruen war nichts zu sehen. Bei seiner Roadshow zu seinem Buch mit dem Titel "Intelligent Governance for the 21th Century", das demnächst in der deutschen Übersetzung erscheint, verbittet er sich Fragen zu Karstadt. Die Karstadt-Mitarbeiter schwiegen sich in den vergangenen Jahren zum Thema Sanierung ebenfalls aus. Bis jetzt.
Quelle: ntv.de, ddi/rts