Saudi-Prinz schreckt Investoren Mohammeds unmögliche Milliardenmission
22.03.2018, 10:15 Uhr
Von den bei Trumps Saudi-Arabien-Reise vegangenes Jahr verkündeten, angeblichen 100 Milliarden Dollar schweren Deals ist bis heute kaum einer wirklich abgeschlossen worden.
(Foto: imago/UPI Photo)
Politisch sind sich Saudi-Arabien und die USA unter der Führung Donald Trumps und des jungen Prinzen Mohammed bin Salman so nahe wie lange nicht. Doch US-Investoren trauen dem unberechenbaren Saudi nicht.
"Saudi-Arabien ist ein sehr reiches Land und es wird hoffentlich einen Teil dieses Reichtums an die USA abgeben in Form von Arbeitsplätzen und durch den Kauf der besten Militärausrüstung in der Welt", verkündete Donald Trump euphorisch zur Begrüßung des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Weißen Haus. Diese Begeisterung des US-Präsidenten deutet darauf hin, dass er den fundamentalen Wirtschaftswandel der Ölmonarchie noch nicht wahrgenommen hat.
In der Vergangenheit stand bei Staatsbesuchen in oder aus Saudi-Arabien meist die Bekanntgabe gigantischer Aufträge des islamischen Königreichs bei westlichen Firmen im Mittelpunkt. Doch diesmal steht - auch wenn wieder über Rüstungslieferungen geredet wird - für den saudischen Gast genau das Gegenteil im Fokus seiner insgesamt dreiwöchigen Reise: Bin Salman will kein Geld bei seinen westlichen Partnern verteilen, sondern unter anderem bei den großen US-Banken und Fonds welches einsammeln. Der starke Mann im saudischen Staat braucht für seine weitreichenden Reformpläne dringend Investoren aus dem Ausland - doch die reagieren bislang mit erheblich weniger Begeisterung als Donald Trump auf bin Salmans Avancen.
Das Ziel von bin Salmans Wirtschaftsreformen ist das gleiche wie das dutzender ähnlicher Pläne zuvor: Saudi-Arabien unabhängig vom Öl zu machen. Doch im Vergleich zu seinen Vorgängern steht der 32-jährige bin Salman vor einer ungleich größeren Herausforderung. Das Land steht finanziell so schlecht da wie seit Jahrzehnten nicht, der königliche Haushalt verzeichnet ein Rekorddefizit nach dem anderen. Die einst gigantischen Devisenreserven dürften in wenigen Jahren aufgebraucht sein. Ein dauerhafter Anstieg des Ölpreises ist vor allem wegen des Fracking-Booms in den USA nicht in Sicht. Während eine Transformation der Wirtschaft und das Erschließen neuer Einnahmequellen also dringender sind denn je, fehlt bin Salman gleichzeitig das Geld, um die Pläne umzusetzen.
"Größter Börsengang aller Zeiten" wird eingedampft
Diese Lücke sollen private Investoren schließen. Allein das Vorzeigeprojekt der aus dem Boden zu stampfenden neuen Stadt und Sonderwirtschaftszone Neom am Roten Meer benötigt rund 500 Milliarden Dollar Kapital. Das Geld soll zum Großteil von privaten Geldgebern kommen. Ausländische Investitionen sollen auch in die noch aufzubauende saudische Hightech- und Unterhaltungsbranche fließen.
Doch westliche Investoren zögern, ihr Geld in hunderte geplante saudische Kinos zu stecken oder in den staatlichen Ölkonzern Saudi Aramco. Nur wenige Tage, bevor der Kronprinz zu seiner Tour aufbrach, sickerte durch, dass der geplante Börsengang von Aramco höchstens halb so groß ausfallen dürfte wie geplant. Statt wie erhofft mit rund zwei Billionen Dollar dürfte der Ölgigant wohl nur mit einer Billion bewertet und statt an einer oder mehrerer internationaler Börsen ausschließlich am Heimatmarkt in Saudi-Arabien gelistet werden.
Neben verschiedenen bürokratischen Hürden und Zweifeln an der Umsetzbarkeit konkreter Projekte wie Neom liegen die Hauptgründe für die Zögerlichkeit westlicher Investoren in der Person von bin Salman selbst. Der Kronprinz ist nicht nur für die Wirtschaftsreformen in Saudi-Arabien zuständig, sondern unter anderem auch Verteidigungsminister. Unter seiner Führung hat Saudi-Arabien unter anderem einen Krieg im Nachbarland Jemen begonnen, den es offenbar nicht gewinnen, aber auch nicht beenden kann. Die Konfrontation mit dem alten Rivalen Iran hat er massiv verschärft bis hin zu einem möglichen atomaren Wettrüsten. "Wer will schon in Ölfelder investieren, die so leicht vom Iran bombardiert werden könnten?", zitiert das Wirtschaftsmagazin "Forbes" den US-Sicherheitsexperten Georges Friedman.
Erpressung oder Korruptionsbekämpfung?
Schockwellen sandte bin Salman, der auch Chef eines Anti-Korruptionskomitees ist, mit einer Verhaftungswelle im vergangenen November aus. Nur Tage nachdem er mehr als 3000 in- und ausländische Wirtschaftsvertreter bei einer Konferenz im Ritz Carlton umworben hatte, ließ er den Hotelkomplex in Riad in ein Luxusgefängnis verwandeln, in dem mehrere Dutzend Mitglieder der saudischen Elite bis zu zwei Monate festgehalten wurden.
Offiziell handelte es sich um eine Anti-Korruptionskampagne. Doch die Behörden klagten weder jemanden offiziell an noch veröffentlichten sie konkrete Vorwürfe. Stattdessen verkündete bin Salman kürzlich, die im Ritz Festgehaltenen hätten vor ihrer Freilassung der "Rückgabe" von mehr als 100 Milliarden Dollar an den Staat zugestimmt. Viele Wirtschaftsvertreter interpretierten das als willkürliche Erpressung. Die gesamte saudische Geschäftswelt sei "traumatisiert", zitiert Reuters einen einheimischen Geschäftsmann.
Aufgeschreckte einheimische Unternehmer versuchte bin Salman in den Wochen nach der Säuberungsaktion zu beruhigen. Bei mehreren Treffen habe er zugesichert, dass die Behörden "normale Geschäftsbeziehungen", zu denen auch die Übergabe von Geschenken, Bargeld oder Land gehörten, um Deals zu sichern, auch in Zukunft tolerieren würden, wie Reuters berichtet. Ausländische Investoren, für die Korruption und Vetternwirtschaft zu den größten Problemen in Saudi-Arabien gehört, dürfte das allerdings weiter verunsichern.
Quelle: ntv.de