Wirtschaft

Kampf gegen die Inflation Notenbanken nähern sich dem Gipfel

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Die unterschiedlichen Zinsschritte sorgen für Bewegung am Devisenmarkt.

Die unterschiedlichen Zinsschritte sorgen für Bewegung am Devisenmarkt.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Die Inflationsraten sind in den meisten hochentwickelten Volkswirtschaften weit von den angestrebten Werten entfernt. Mithilfe etlicher Zinsanhebungen steuern die Notenbanken gegen. In den ersten Ländern signalisieren die Währungshüter, sich dem Zielplateau genähert oder dieses sogar erreicht zu haben.

Mehrere Notenbanken in Europa haben im Kampf gegen die in den Ländern jeweils unterschiedlich stark ausgeprägte Inflation die Zinssätze angehoben. Den größten Zinsschritt gab es dabei in der Türkei. Norwegen und Schweden hoben ihre Sätze um jeweils einen Viertelpunkt an. Etwas unerwartet hielten die Währungshüter in Großbritannien und der Schweiz die Füße still. Doch auch sie machten deutlich, dass der Kampf gegen die Teuerung noch nicht gewonnen sei. Deswegen hielten sich alle Notenbanken weitere Zinsschritte ausdrücklich offen. Die Leitzinsen waren im vergangenen und in diesem Jahr stark erhöht worden, um die auch infolge des Ukraine-Krieges deutlich gestiegene Inflation zu bekämpfen. Jetzt rücken Wachstumssorgen immer mehr in den Vordergrund, nachdem sich die Teuerungsraten abgeschwächt haben. Allerdings sorgen die gestiegenen Ölpreise für neue Inflationsgefahren.

In Ankara hob die türkische Notenbank den Leitzins erneut deutlich an. Der Leitzins steigt um 5 Punkte auf 30 Prozent, wie die Zentralbank nach ihrer geldpolitischen Sitzung mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit der Entscheidung gerechnet. Es war die vierte Zinserhöhung in Folge, seitdem die neue Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan im Juni einen Richtungswechsel eingeleitet hat. "Die geldpolitische Straffung wird weiter zeitnah und graduell so stark verstärkt wie nötig, bis eine signifikante Verbesserung der Inflationsaussichten erreicht ist", teilte die Notenbank mit.

Der Leitzins liegt aber weiter unter der Inflationsrate, die im August auf 58,9 Prozent gestiegen war. Mit dem jetzigen Zinsschritt dürften die Notenbanker daher auch versucht haben, ihre Entschlossenheit im Kampf gegen die hohe Inflation zu untermauern. Die vor allem seit Mai im Wert deutlich gefallene türkische Lira gab am Devisenmarkt zu Euro und US-Dollar etwas nach.

Schweden erwartet sinkendes BIP

Auch in Norwegen blieben die Währungshüter auf Zinsanhebungskurs. Der Leitzins steigt um weitere 0,25 Punkte auf 4,25 Prozent, wie die Norges Bank bekannt gab. Auch hier ging die Anhebung mit den Erwartungen konform. Zugleich deutete die Notenbank an, dass damit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sei und - vermutlich noch im Dezember - der nächste Zinsschritt anstehe. Seit fast zwei Jahren befindet sich die Zentralbank auf Zinserhöhungskurs. In dieser Zeit ist die Inflation zwar deutlich gesunken, liegt mit knapp fünf Prozent aber immer noch klar über dem Ziel von zwei Prozent.

Auch im Nachbarland Schweden dreht die Notenbank weiter an der Zinsschraube. Der maßgebliche Zinssatz wurde um einen Viertelpunkt auf 4,0 Prozent angehoben. Auch hier stellten die Experten weitere Schritte in Aussicht. Der neue Zinspfad der Riksbank bedeutet nun, dass der Zinssatz im dritten Quartal 2024 einen Höchststand von 4,10 (zuvor: 4,05) Prozent erreichen kann und bis zu einer ersten Senkung im Jahr 2025 auf diesem Niveau verbleibt.

Das von der Zentralbank beobachtete Inflationsmaß (CPIF) liegt mit einer Teuerungsrate von zuletzt noch 4,7 Prozent deutlich über dem Ziel von 2,0 Prozent. Die Inflation ist zwar auf dem Rückmarsch. Dies ist jedoch zum Teil auf fallende Energiepreise zurückzuführen. Große Sorge bereitet der Notenbank allerdings der Preisauftrieb im Servicesektor. Im Zuge der höheren Zinsen sind auch Hypothekenkosten stark gestiegen, was den Wohnungsbau belastet. Zudem kämpft der Gewerbeimmobiliensektor mit höheren Refinanzierungskosten. Die Regierung prognostiziert für das laufende Jahr ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,8 Prozent, womit Schweden in der EU zu den Schlusslichtern bei der Wirtschaftsentwicklung zählen dürfte.

Die Zentralbank erklärte ferner, dass sie gegen eine schwache Krone kämpft, und kündigte an, einen Teil ihrer Devisenreserven abzusichern, indem sie acht Milliarden Dollar und zwei Milliarden Euro für schwedische Kronen verkauft. Angesichts der vielen Herausforderungen teilte die Riksbank ferner mit, fortan nicht mehr nur fünfmal, sondern künftig achtmal pro Jahr zu tagen. Dies mache es ihr "leichter, die Geldpolitik rascher an die jeweilige Situation anzupassen und häufiger eine kohärente Sichtweise der wirtschaftlichen Entwicklung zu vermitteln", sagte Gouverneur Erik Thedeen.

Inflation in Schweiz bereits im Zielbereich

In der Schweiz sieht die Nationalbank (SNB) nach fünf Zinserhöhungen in Folge überraschend von einer weiteren geldpolitischen Straffung ab. Der Leitzins bleibe bei 1,75 Prozent, teilte die Notenbank mit. "Die über die letzten Quartale deutlich gestraffte Geldpolitik wirkt dem immer noch vorhandenen Inflationsdruck entgegen", hieß es. "Es ist aus heutiger Sicht nicht auszuschließen, dass eine weitere Straffung der Geldpolitik nötig werden könnte, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten."

Die Jahresteuerung in der Schweiz ist im internationalen Vergleich moderat und liegt seit drei Monaten auch wieder im Zielbereich der SNB: Im August betrug sie 1,6 Prozent. Die Wachstumsaussichten schätzt die SNB stabil ein und hält an ihrer Prognose vom Juni fest: Das BIP dürfte dieses Jahr um rund ein Prozent steigen.

Mit Blick auf den Schweizer Franken hält sich die Zentralbank ebenfalls offen, für angemessene monetäre Bedingungen bei Bedarf weiterhin am Devisenmarkt einzugreifen. Aktuell stünden dabei Fremdwährungsverkäufe im Vordergrund. Nach der überraschenden Zinspause steuerte die Schweizer Währung zum Euro auf den größten Tagesverlust seit den Bankenturbulenzen im März zu, bei der die angeschlagene Credit Suisse vom Rivalen UBS übernommen worden war. Der Euro stieg um 0,7 Prozent auf 0,9651 Franken. Der Dollar wertete um 0,9 Prozent auf 0,9066 Franken auf.

Fed pausiert - EZB will nachziehen

Am Vorabend hatte bereits die US-Notenbank Fed ihren Leitzins wie erwartet nicht angetastet. Er bleibt damit in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent. Die Zinsprognosen signalisieren jedoch eine weitere Erhöhung in diesem Jahr. Zudem wurden für das nächste Jahre weniger Zinssenkungen als bisher in Aussicht gestellt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte in der vergangenen Woche den entgegengesetzten Kurs eingeschlagen. Sie erhöhte den Leitzins erneut um 0,25 Prozentpunkte. Notenbankchefin Christine Lagarde signalisierte jedoch, dass dies die zunächst letzte Zinserhöhung sein könnte. Aber auch sie machte die Tür für eine weitere Erhöhung nicht zu und verwies auf die künftige Datenentwicklung.

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Bundesbank-Präsident Joachim Nagel legt sich in der Frage nach dem Zinsgipfel auch nach der zehnten EZB-Zinserhöhung in Folge nicht fest. "War es das jetzt mit den Leitzinsanstiegen? Haben wir die Hochebene erreicht? Das lässt sich noch nicht klar absehen", sagte er laut Redetext beim Verbandstag der Sparda-Banken in Frankfurt. "Noch immer ist die Inflationsrate zu hoch. Und noch immer zeigen die Prognosen nur einen langsamen Rückgang hin zum Zielwert von zwei Prozent", sagte Nagel.

Im August lagen die Verbraucherpreise um 5,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die Kernteuerung ohne Preise für Energie und Lebensmittel betrug im Euroraum 5,3 Prozent. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann. Allerdings sind teurere Kredite zugleich eine Last für die ohnehin schwächelnde Wirtschaft.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/DJ/dpa

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