"Das Programm ist aus der Spur" Athen gesteht Probleme ein
05.07.2012, 22:00 Uhr
Die Troika ist zurück in Athen: Poul Thomsen (m.) prüft für den IWF.
(Foto: dpa)
Der neue griechische Finanzminister Stournaras tritt den Geldgebern des Landes mit offenen Worten entgegen: Griechenland hat Mühe, die Reformvorhaben der internationalen Geldgeber wie gefordert zu erfüllen. Jetzt hofft die Regierung unter Ministerpräsident Samaras auf Erleichterungen. Stournaras warnt vor übereilten Forderungen.
Die griechische Regierung hat eingeräumt, bei der Umsetzung ihrer Reformversprechen hinterherzuhinken. "Die Wirtschaft hat zwei schwierige Wahlen hinter sich und das Programm ist aus der Spur bei einigen Punkten, doch bei anderen läuft es nach Plan", sagte der neue Finanzminister in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme kurz nach seiner Vereidigung.
Die Vertreter der aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) hätten ihn zudem schon gewarnt, dass das Treffen der Euro-Finanzminister am kommenden Montag für ihn nicht einfach werden dürfte.
Stournaras hatte zuvor vor Priestern in Athen seinen Amtseid abgelegt. Der liberale Ökonom tritt damit an die Stelle des zunächst für den Posten vorgesehenen Bankers Vassilis Rapanos, der kurz nach seiner Ernennung mit Verweis auf Gesundheitsprobleme auf das Amt verzichtet hatte.
Der kurzfristig als Ersatz nachgerückte Stournaras dürfte mit der Materie bestens vertraut sein: Stournaras hatte 2001 an den Verhandlungen zum Beitritt Griechenlands zur Eurozone mitgewirkt. Jetzt zieht er in die Gespräche mit hochrangigen Vertretern der Troika mit dem Ziel, den Finanzhelfern des hoch verschuldeten Landes mildere Sparauflagen abzuringen.
Die Troika-Führung ist voraussichtlich noch bis Ende der Woche in der griechischen Hauptstadt. Die Vertreter von EU, EZB und IWF überprüfen dort die ins Stocken geratenen Reformbemühungen, die Griechenland als Bedingung für das 130 Mrd. Euro schwere Rettungspaket erfüllen muss.
Seine Kabinettskollegen warnte Stournaras vor übereilten Forderungen nach Zugeständnissen der Geldgeber. Bis das aus der Spur geratene Reformprogramm nicht wieder auf Kurs sei, könne Griechenland nicht um Erleichterungen bei den Auflagen bitten, sagte der liberale Ökonom in einem Interview mit der "Financial Times".
Ein Beamter des Finanzministeriums sagte, die Äußerungen des Ministers bedeuteten nicht, dass Griechenland seine Forderungen nach einzelnen Änderungen fallengelassen habe. "Hier wird die Regierungslinie bekräftigt", hieß es aus Athen.
Ministerpräsident verlangt unter anderem gezielte Steuersenkungen, eine Begrenzung der Entlassungen im öffentlichen Dienst sowie eine Verschiebung der Sparziele um zwei Jahre. Die Streckung des Zeitplans soll die sozialen Härten der erforderlichen Sparmaßnahmen abmildern. Bislang spricht sich vor allem die gegen Lockerungen der Auflagen aus, die Griechenland im Gegenzug für Milliardenhilfen zugesagt hatte.
In die Bresche der Spanier
Die neue griechische Regierung will zugleich vom Trend in Europa zu mehr wachstumsorientierter Wirtschafts- und Finanzpolitik profitieren und die Troika zur Abschwächung der Auflagen bewegen. Doch noch sperrt sich vor allem gegen grundlegende Änderung der Reformziele, die über reine Anpassungen hinausgehen.
Die griechische Regierung steht nach den Neuwahlen vom 17. Juni auch innenpolitisch unter immensem Druck. Beim zurückliegenden Wahlgang kam die radikale Linke Syriza mit ihrem Versprechen auf Platz zwei, den für viele Griechen finanziell schmerzhaften Reformplan der internationalen Geldgeber aufzugeben und vollkommen neue Hilfskonditionen auszuhandeln.
Die neue Koalitionsregierung unter der Führung der Konservativen reagiert auf den öffentlichen Druck und will nun neben den Steuersenkungen auch zusätzliche Finanzhilfen für Arme und Arbeitslose einführen.
Im Hintergrund droht die Pleite
Bei einer vollständigen Umsetzung nach den bisherigen Vorgaben würde dies viele der Maßnahmen revidieren, zu denen sich die Vorgängerregierung für den Erhalt der Finanzhilfen verpflichtet hatte.
Griechenland droht binnen Wochen die Zahlungsunfähigkeit, wenn es sich nicht die nächste 31,5 Mrd. Euro schwere Tranche der Hilfsgelder sichern kann. Die Troika dürfte erst bei ihrem nächsten planmäßigen Besuch noch im Juli eine Entscheidung treffen. In der Zwischenzeit gehen die Beratungen und Überprüfungen auf Arbeitsebene weiter.
Quelle: ntv.de, mmo/rts