Mission gescheitert Sjöstedt beendet ihr Karstadt-Abenteuer
07.07.2014, 17:59 Uhr
Keine persönlichen Gründe - keine gesundheitlichen Probleme: Karstadt-Chefin Sjöstedt hat schlicht die Nase voll und wirft hin. Obendrein macht sie keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit. Experten malen ein düsteres Bild für den Konzern.
Ihr Amtsantritt gilt bei vielen Karstadt-Mitarbeitern im Februar als Hoffnung. Und nicht wenige der insgesamt 17.000 Beschäftigten hoffen, dass es mit der Schwedin Eva-Lotta Sjöstedt nach den langen Krisenjahren endlich wieder aufwärts gehen möge. Vielfach ist die Rede von einem frischen Wind, der seit dem 24. Februar durch die Häuser wehte. Umso ernüchternder ist nun Sjöstedts überraschender Abgang nach nur fünf Monaten - der zudem eher einer Kapitulation gleicht.
Es fehlt den Worten der früheren Ikea-Managerin zum Abschied nicht wirklich an Deutlichkeit: Sie habe sich im vergangenen Herbst für ein Engagement bei Karstadt entschlossen, weil sie davon ausgegangen sei, ein zwar angeschlagenes Unternehmen zu übernehmen, das sie aber entwickeln dürfe, teilte sie mit. Eigentümer Nicolas Berggruen habe ihr damals für ihre Pläne "die volle Unterstützung" zugesagt. "Nach eingehender Prüfung, den Erfahrungen der letzten Monate und in genauer Kenntnis der wirtschaftlichen Rahmendaten muss ich nun jedoch feststellen, dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind", erklärte sie nun.
Berggruen hatte den Konzern 2010 für einen Euro übernommen. Im Herbst 2013 verkaufte er dann 75 Prozent der Anteile an den Premium- und Sport-Warenhäusern an den österreichischen Immobilienunternehmer Rene Benko und dessen Unternehmen Signa. Nur die dritte Sparte des Unternehmens mit den 83 klassischen Karstadt-Warenhäusern gehört Berggruen noch allein. In all der Zeit gären immer wieder Gerüchte, der Milliardär könne den Konzern komplett zerschlagen. Kurz vor Sjöstedts Amtsantritt gab er sich zerknirscht, angesichts der kaum vorankommenden Sanierung. Doch Sjöstedts Pläne können ihn offenbar auch nicht überzeugen.
Immer wieder Berggruen
Für Handelsexperten kommen die Äußerungen der Schwedin Alarmsignalen gleich: "Berggruen hat Sjöstedt offensichtlich viel versprochen, aber wenig gehalten. Das wirft die Frage auf, mit welcher Ernsthaftigkeit er als Investor noch hinter Karstadt steht", sagte etwa Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Und die Folgen werden noch einige Zeit nachwirken: "Potenzielle Kandidaten können eigentlich nur noch einen großen Bogen um Karstadt machen, denn man kann nichts ausrichten", sagte Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Er vermutet zudem, dass Berggruen bereits länger ein Ausstiegsszenario verfolge. Er investiere nicht in das Unternehmen. "Dabei benötigt Karstadt Investitionen in Milliardenhöhe. Denn bei den Warenhäusern ist inzwischen ein Investitionsstau von ein bis zwei Milliarden Euro entstanden."
Einsparungen verhindern nur noch größeres Minus
Und wie geht es weiter? Finanzvorstand Miguel Müllenbach und Arbeitsdirektor Kai-Uwe Weitz sollen das Unternehmen nun weiterführen. Ziel sei es, "die Sanierung von Karstadt entschlossen und unverzüglich anzugehen", sagte Aufsichtsratschef Stephan Fanderl. Der war es auch, der der Führungsmannschaft kurz vor dem Amtsantritt Sjöstedts in einem Interview mit auf den Weg gab: In nur zwei bei drei Monaten müsse der Plan für die Neuausrichtung der Filialen stehen. Alle 83 Warenhäuser müssten auf den Prüfstand gestellt werden. Sjöstedts erste Amtshandlung bestand zunächst aber darin, die Wogen in der Belegschaft wieder zu glätten.
Im April dann ermutigende Signale: Dass Unternehmen habe in den ersten sechs Monaten des seit Oktober laufenden Geschäftsjahrs bereits 28 Millionen Euro an "Einsparungen und Ertragsverbesserungen" verzeichnet. In dem Schreiben die Mitarbeiter hieß es weiter, dass sich für das gesamte Geschäftsjahr kurzfristige Einsparmöglichkeiten von 30 bis 40 Millionen Euro ergeben.
Doch damit wurde offenbar lediglich Schlimmeres verhindert: Denn laut "Handelsblatt" sank der Umsatz im selben Zeitraum und die Zahlen blieben rot. Erst vor wenigen Tagen soll in einer Präsentation der Geschäftsführung für die rund 350 Betriebsräte des Konzerns davon die Rede gewesen sein, dass der negative Umsatztrend nicht gestoppt, sondern nur reduziert werden konnte. Zugleich sollen Berichten zufolge die Barmittel des Unternehmens allein zwischen September 2012 und September 2013 um mehr als zwei Drittel auf weniger als 100 Millionen Euro zusammengeschmolzen sein.
Quelle: ntv.de, mit dpa