"Das wird massive Folgen haben" US-Rating erschreckt Experten
06.08.2011, 15:04 Uhr
Das Undenkbare ist eingetreten: Die USA verlieren ihr erstes "AAA".
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Das Tabu ist gebrochen: Die Ratingagentur S&P entzieht den USA die Bestnote für die Kreditwürdigkeit. Finanzexperten sehen sich nun einem bis dahin kaum vorstellbaren Szenario gegenüber. Unions-Fraktionschefs Michael Meister spricht von einem "gewaltigen Einschnitt". Die müssten sich jetzt ihrer "weltweiten Verantwortung" bewusst werden.
Die Bonitätsabwertung der USA durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) könnte nach den Worten des stellvertretenden Unions-Fraktionschefs Michael Meister neben den USA die gesamte Weltwirtschaft in Bedrängnis bringen.

Die Verantwortlichen in den USA müssen "trotz der Tatsache, dass da im nächsten Jahr Wahlen sind, stärker staatspolitische Verantwortung übernehmen": Michael Meister.
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"Das ist ein gewaltiger Einschnitt. Das wird massive Folgen haben", sagte Meister in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Das bedeutet für den Haushalt der USA höhere Zinslasten. Das bedeutet, dass Zweifel in die Stabilität der Führungsmacht dieser Welt entstehen", sagte er. Vertrauen in die USA gehe verloren. Ein Zinsanstieg werde das Wachstum der USA und das der Weltwirtschaft dämpfen. "Insofern ist das ein Vorgang, nach dem man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann", sagte Meister.
Die politisch Verantwortlichen beider politischen Lager in den USA müssten nun an einer nachhaltigen Gesundung der Staatsfinanzen arbeiten. "Was geschehen muss, ist schlicht und ergreifend, dass die verantwortlichen Menschen in den USA trotz der Tatsache, dass da im nächsten Jahr Wahlen sind, stärker staatspolitische Verantwortung übernehmen müssen", forderte der CDU-Politiker.
Hält das Vertrauen in die USA?
Was in dem Land in Verbindung mit der Anhebung der Schuldenobergrenze in den letzten Wochen geschehen sei, sei nicht gut gewesen. "Ich glaube, jetzt ist ein Stadium erreicht, in dem die Verantwortlichen in den USA für ihr Land, aber auch als Führungsmacht Verantwortung weltweit übernehmen müssen", unterstrich er.

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Die USA hätten die Kraft, die Schuldenprobleme zu meistern, sagte der Finanzpolitiker. Schließlich habe das Land vor zehn Jahren noch Haushaltsüberschüsse erzielt. Gelinge das aber nicht, drohten auch dem Weltwährungssystem Probleme. Wie in den USA, so sieht Meister auch in der Euro-Schuldenkrise hauptsächlich die betroffenen Länder mit glaubwürdigen Maßnahmen gefordert. Ob das Vorziehen einer G7-Finanzministerkonferenz, was diskutiert wird, weiterhelfen kann, daran hat Meister Zweifel. "Ich weiß nicht, ob man solche innenpolitische Fragen durch internationale Konferenzen lösen kann", sagte er.
Respekt vor der EZB
Meister hält den Ankauf von Staatspapieren krisengeplagter Euro-Länder durch die Europäische Zentralbank (EZB) nur als Ausnahme und kurzzeitig für vertretbar. "Das kann keine Daueraufgabe der EZB sein, hier Lückenbüßer zu spielen für Dinge, die eigentlich die Politik lösen muss", sagte der Finanzpolitiker. Derzeit fehlten allerdings der Politik noch die Instrumente, um selbst entsprechend handeln zu können, wenn Euro-Ländern an den Anleihe-Märkten massiv unter Druck kämen. "Deshalb muss die Zentralbank vorübergehend da hineingehen."
"Ich glaube, wenn wir nachhaltig eine stabile Währung haben wollen, dann ist eines der zentralen Dinge die Unabhängigkeit und das Ansehen der Zentralbank", mahnte Meister. Dann müsse man für diese Unabhängigkeit und dieses Ansehen eintreten. Daraus folge: "Erstens darf man ihr keine Ratschläge geben von außen. Zum zweiten muss man dafür sorgen, dass die Zentralbank keine Aktivitäten tätigen muss, die sie eigentlich nicht tätigen sollte."
Beim vorläufigen Euro-Rettungsschirm EFSF und beim geplanten permanenten Rettungsmechanismus ESM ab 2013 würden für die Politik die Instrumente angesiedelt sein, "damit die Zentralbank aus der Notwendigkeit herauskommt, Aufgaben wahrzunehmen, die sie eigentlich nicht wahrnehmen sollte", sagte Meister. Wenn die jüngsten Beschlüsse der Euro-Länder umgesetzt würden, dann gehe das genau in die richtige Richtung. "Das wird aus meiner Sicht die Zentralbank stärken."
Der Ankauf von Staatspapieren der Euro-Krisenländer durch die EZB ist seit langem inner- und außerhalb der Europäischen Zentralbank heftig umstritten. Schon als die EZB diese Möglichkeit schuf, hatte der damalige Bundesbank-Präsident Axel Weber heftig Widerspruch erhoben. Als die EZB am Donnerstag beschloss, dieses Kaufprogramm nach einer Pause wieder aufzunehmen, gab es nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters im EZB-Rat vier Kritiker daran. Dazu sollen Webers Nachfolger Jens Weidmann und der deutsche EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark gehört haben.
Appell an Berlusconi
Italien, das in den vergangene Wochen zunehmend ins Visier der Märkte geriet, müsse innenpolitische Probleme lösen, sagte Meister. Von den ökonomischen Grunddaten her sei das Land in der Lage, die Schuldenkrise zu überwinden. "Allerdings braucht es eine Regierung, die nicht nur Ankündigungen tätigt, sondern diese dann auch umsetzt", mahnte Meister.
Offenbar fehle es an dem Vertrauen an den Märkten, dass die Regierung handlungsfähig ist. "Deshalb braucht man da auch keine Initiativen in Europa", folgerte Meister. Handeln müsse vor allem Italiens Regierung. In Spanien seien die Probleme zwar etwas anders gelagert, letztlich gelte aber Ähnliches.
Keine Abbruch der Sommerpause
Er halte es nicht für notwendig, die Bundestagsabgeordneten aus der zu holen, um die Beschlüsse des Euro-Gipfels - das neue Griechenland-Paket und zusätzliche Aufgaben für den Euro-Rettungsschirm EFSF - zu beschließen.
Zu Forderungen aus der EU-Kommission nach einer Ausweitung des EFSF sagte Meister: "Ich glaube, es ist nicht notwendig, über dieses Ergebnis hinaus neue Forderungen zu stellen". Es sei aber auch wichtig und richtig, den Märkten zu bedeuten "aus allen beteiligten Ländern der Euro-Gruppe, dass die Maßnahmen, die vereinbart sind, auch umgesetzt werden". Für ihn stehe außer Zweifel, "dass wir im Deutschen Bundestag eine sehr, sehr breite Mehrheit dafür bekommen werden für die Umsetzung".
Meister erwartet, dass am Ende neben den beiden Koalitionsfraktionen auch die SPD und die Grünen in großer Mehrheit zustimmen würden. "Es gibt die notwendigen Mehrheiten, die sind sicher", sagte der Vize-Fraktionschef. Wenn das klar sei, komme es nicht mehr auf darauf an, ob die Beschlüsse im Parlament an dem einen oder anderen Tag fielen.
Quelle: ntv.de, Gernot Heller, rts