Zu gut für den DAX Wie geht es mit dem Börsenschwergewicht SAP weiter?
23.10.2024, 10:45 Uhr Artikel anhören
Für SAP ist der anhaltende Kurserfolg an der Börse jedoch nicht nur Segen.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Der Walldorfer Softwarekonzern stemmt sich erfolgreich gegen den Konjunkturtrend. Die Anleger honorieren dies. Seit einem Jahr geht es an der Börse stetig nach oben. Dass SAP so sehr gefeiert wird, birgt jedoch ein Problem. Eines, das vor Jahren ein ehemaliges DAX-Schwergewicht hatte.
Es läuft bei SAP. Europas wertvollster Softwarekonzern aus dem beschaulichen Walldorf legte am Montagabend nach Börsenschluss überzeugende Quartalszahlen vor. Das deutsche Vorzeigeunternehmen verdiente im dritten Quartal in vielen Regionen nicht nur deutlich mehr als erwartet, sondern setzt sich auch für das Gesamtjahr höhere Ziele.
Die Aktie trieb das am Dienstag auf ein Allzeithoch von mehr als 222 Euro – ein Kurssprung von mehr als fünf Prozent. Eigentlich ein Grund zur Freude, könnte man meinen. Schließlich verhalf das auch dem DAX nach seinem schwächeren Wochenauftakt zwischenzeitlich wieder auf die Sprünge. Bevor enttäuschende Zahlen der Deutschen Bank heute den Leitindex wieder ausbremsen.
Aber, und das ist die Kehrseite und das eigentlich Wichtige bei SAP: Durch die Kurssteigerung sprang die Aktie über die magische Grenze von 15 Prozent Gewichtung im deutschen Aktienindex. Den deutsch-amerikanischen Industriegashersteller Linde hatte diese sogenannte Kappungsgrenze (damals noch bei zehn Prozent) zuletzt dazu veranlasst, die Notierung an der deutschen Börse aufzugeben. Mit der Anhebung der Grenze von zehn auf 15 Prozent im März dieses Jahres wollte man eine Flucht von SAP an den US-Markt eigentlich verhindern. Doch nun reißt der Konzern die Schwelle früher als erwartet.
Anleger feiern ambitionierte Jahresziele
In den Monaten Juli bis September kletterte SAPs Gesamtumsatz um neun Prozent auf 8,47 Milliarden Euro. Auch der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern stieg im Jahresvergleich unerwartet kräftig um 27 Prozent auf 2,24 Milliarden Euro, der Nettogewinn lag mit 1,44 Milliarden Euro 13 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Für das Gesamtjahr nimmt sich SAP beim viel beachteten Vorsteuergewinn nun ein währungsbereinigtes Plus von 20 bis 23 Prozent vor - bisher waren 17 bis 21 Prozent geplant.
Ein Grund für die selbstbewussten Ziele ist unter anderem, dass sich das vergleichsweise lukrative Geschäft mit Softwarelizenzen robuster zeigt als gedacht. SAP-Chef Christian Klein legt den Fokus vor allem auf die Cloud-Software. Diese generiert durch laufende Einnahmen, kurz: ARR, Vorteile bei der Kundenbindung und damit Umsatz und Gewinn. In der Cloud-Sparte selbst sollen die Ziele erreicht werden. Der Umsatz mit Cloud-Angeboten zog im dritten Quartal um ein Viertel an, auch die vorliegenden Buchungen für die kommenden zwölf Monate stiegen weiter deutlich.
Diese Aussichten freuten Anlegerinnen und Anleger. Allein seit Jahresbeginn hat die Aktie um 50 Prozent zugelegt, nun geht die Rally weiter. Der aktuelle Börsenwert von SAP liegt bei rund 260 Mrd. Euro und macht damit jetzt mehr als 15 Prozent des Börsenwerts aller 40 DAX-Unternehmen aus. Siemens folgt bei rund 10 Prozent mit Abstand auf Platz zwei.
Wird SAP ein zweites Linde?
Dass SAP nun eine Gewichtung von 15 Prozent im DAX erreicht hat, bedeutet, dass die sogenannte Kappungsgrenze erreicht wurde. Sie ist ein Instrument des Indexbetreibers Deutsche Börse und soll das Gewicht eines einzelnen Konzerns im Index begrenzen. Dies betrifft neben dem DAX die Indizes MDAX, SDAX und TecDAX. Die Folge ist allerdings, dass Indexfonds und ETFs, die Indizes eins zu eins nachbilden, regelmäßig Aktien von Konzernen abstoßen müssen, die diese Schwelle erreichen, um sie selbst nicht zu überschreiten. Für betroffene Unternehmen ist das ein Nachteil, da es ihren Aktienkurs ausbremst.
Bis März lag die Grenze noch bei zehn Prozent und führte in den vergangenen zehn Jahren bis Ende 2023 nach Angaben der Börse zu insgesamt 38 Kappungen bei vier Unternehmen. Der deutsch-amerikanische Industriegashersteller Linde hatte die Schwelle mehrmals überschritten und sich unter anderem deshalb dazu entschieden, seine Notierung in Deutschland aufzugeben. Es war ein schwerer Schlag für die Deutsche Börse, die mit Linde ihr bis dahin wertvollstes Unternehmen verlor. Die Indexreform sollte einen zweiten Fall Linde eigentlich verhindern.
Vor der Reform der Regel war aber bereits abzusehen, dass ohnehin große Aktien noch mehr Geld anziehen könnten. Seit Einführung der 15-Prozent-Schwelle kam es noch nie zu einer Kappung, nun könnte SAP dies aber häufiger passieren – und den wichtigen deutschen Konzern ins Grübeln bringen. "Wir sind nicht glücklich mit dieser Grenze", erklärte SAP-Finanzchef Dominik Asam am Montag dem "Handelsblatt". SAP sei in der Sache bereits mit der Deutschen Börse im Gespräch. Außerdem wolle man noch stärker als bislang US-Investoren von der eigenen Aktie überzeugen.
Die Kappungsgrenze gibt es nur in europäischen Indizes. Im französischen Leitindex CAC 40 und dem italienischen MIB 40 liegt sie ebenfalls bei 15 Prozent, im schweizerischen Leitindex SMI, der nur 20 Werte umfasst, liegt sie bei 20 Prozent. Die wesentlich größeren Indizes FTSE 100 in Großbritannien und S&P 500 in den USA begrenzen die Gewichtung einzelner Aktien nicht – einzelne Werte haben ein solch hohes Gewicht bislang aber auch nicht erreicht.
Laut einer Studie des Index-Anbieters S&P Dow Jones Indices ist der Aufstieg von Megacaps wie SAP am deutschen Markt ein Grund dafür, warum aktive Fonds bei der Performance schlechter abschneiden als passive börsengehandelte Produkte wie ETFs. Es war auch die Fondsbranche, die sich vor der Reform klar gegen die Pläne der Börse ausgesprochen hatte, insbesondere aktiv gemanagte Fonds. Aufgrund von EU-Regeln dürfen sie einzelnen Aktien maximal zehn Prozent Gewicht im Portfolio einräumen, um so eine ausreichende Risikostreuung zu gewährleisten. Aktive Fondsmanager müssen die wertvollsten Unternehmen somit automatisch untergewichten.
SAP möchte sich im Detail noch nicht zu dem heiklen Thema äußern. Im laufenden letzten Quartal ist der Konzern noch auf sein Personalumbauprogramm konzentriert. Angekündigt war, dass bis zu 10.000 bisher bestehende Stellen im Konzern wegfallen sollen. Viele Mitarbeiter können sich auf neue Positionen innerhalb des Konzerns bewerben, ein großer Teil wird ihn aber auch verlassen. Ab dem kommenden Jahr will SAP die Kosten durch das Umbauprogramm spürbar senken, derzeit wird mit etwa 700 Millionen Euro Entlastung gerechnet. Kurzfristig werden für die Restrukturierung allerdings rund 3 Milliarden Euro bis Jahresende fällig.
Der Artikel erschien zuerst bei Capital.de
Quelle: ntv.de