Epochale Entscheidungen der EZB Worüber Draghi reden muss
05.09.2012, 08:48 Uhr
Der Neubau der Europäischen Zentralbank ragt im Frankfurter Osten in den Himmel: Wohin steuert die EZB?
(Foto: picture alliance / dpa)
Bei der anstehenden Ratssitzung liegen brandheiße Themen auf dem Tisch der EZB: Die Währungshüter müssen sich mit den Bondplänen von EZB-Chef Draghi befassen. Entscheidungen erwarten die Märkte auch zur Bankenunion, zur Spanienhilfe und zum Leitzins für die Eurozone. Analysten hoffen auf überzeugende Signale.

Dragi drückt dem Euro seinen Stempel auf: Hätte Jean-Claude Trichet anders gehandelt?
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Die Europäische Zentralbank (EZB) wächst unter ihrem Präsidenten Mario Draghi immer stärker in die Rolle des Krisenbekämpfers. Nachdem Draghi bereits nach der Ratssitzung im August die der EZB zu neuen Staatsanleihekäufen bekundet hat, muss er nun im Anschluss an die anstehende Sitzung Details liefern. Eines hat Draghi schon klar gemacht: Das neue Kaufprogramm wird größer als die bisherigen beiden Vorläufer. Und: Es soll entschlossener umgesetzt werden.
Kurz vor der richtungweisenden EZB-Ratssitzung am kommenden Donnerstag verriet wichtige Eckpunkte des geplanten Programms. Vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments sagte er nach Aussage des Abgeordneten Jean-Paul Gauzes, dass der Ankauf zwei- bis dreijähriger Staatsanleihen durch die EZB nicht gegen die EU-Verträge verstoße.
"Er hat keine Probleme mit dem Ankauf dieser Papiere", sagte Gauzes nach der Sitzung, die aus Geheimhaltungsgründen hinter verschlossenen Türen stattfand. Bisher hatten EZB-Vertreter lediglich gesagt, dass sich die Zentralbank bei ihren Käufen auf das kurze Laufzeitenende des Anleihemarkts konzentrieren wolle.
Ein anderer EU-Abgeordneter berichtete, dass Draghi den Ankauf von Staatspapieren mit der Laufzeit von zwei oder drei Jahren nicht der zurechnet. Laut Jean-Paul Gauzes sagte Draghi, nur wenn die EZB Schatzwechsel mit längerer Laufzeit, zum Beispiel von 15 Jahren, kaufe, sei das die Finanzierung von Staatsschulden. Weitere Details des zweiten Anleihekaufprogramms, über das der EZB-Rat am Donnerstag beraten soll, behielt Draghi für sich.
EU-Parlamentarier Gauzes zufolge bestätigte Draghi dem Ausschuss, dass die in einer abgetrennten Abteilung der EZB angesiedelt werden soll. Details wolle er aber nicht vor dem 12. September diskutieren, wenn die EU-Kommission erste Vorschläge präsentiert.
Die Entscheidung zum Kauf von Staatsanleihen ist dabei nicht die einzige richtungsweisende Weichenstellung der Währungshüter: Darüber hinaus entscheiden die Ratsmitglieder am Donnerstag auch über ihren Leitzins, wobei eine Mehrheit der im Vorfeld befragten Volkswirte eine Bestätigung des aktuellen Zinssatzes von 0,75 Prozent erwartet.
Die geldpolitische Stellschraube
Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, werden die Finanzmarktteilnehmer in den ebenfalls zur Veröffentlichung anstehenden EZB-Prognosen zu Wachstum und Inflation nach belastbaren Hinweisen für den weiteren Zinskurs suchen. Schließlich ist außerdem eine weitere Lockerung der Repo-Sicherheitenanforderungen denkbar.
Beobachter halten eine Leitzinssenkung aus unterschiedlichen Gründen überwiegend für unwahrscheinlich. Zum einen glauben sie, dass sich die EZB derzeit darauf konzentriert, die Übertragung ihres geldpolitischen Signals sicherzustellen. Das bedeutet: Die EZB will erreichen, dass die Zinsen für Staatsanleihen überall im Euroraum niedrig sind. Damit dass auch in Spanien und Italien der Fall ist, will sie wieder Staatsanleihen dieser Länder kaufen, denn deren Zinslasten liegen deutlich höher als die der Staatsanleihen Frankreichs oder Deutschlands. EZB-Käufe würden eine künstliche Nachfrage nach diesen Papieren erzeugen und damit die zur Refinanzierung der Staatskassen erforderlichen Zins-Ausgaben senken.
Gegen eine Zinssenkung spricht außerdem, dass der im August überraschend gestiegen ist. Dass ist von manchen Beobachtern als ein erstes Signal für eine konjunkturelle Wende im vierten Quartal interpretiert worden. Allerdings rechnet immer noch eine starke Minderheit der befragten Analysten mit einem Rückgang des Hauptrefinanzierungssatzes auf ein Rekordtief von 0,50 Prozent.
Minuszinsen möglich
Fraglich ist, ob die EZB neben dem Haupt- und dem Spitzenrefinanzierungssatz auch den Einlagensatz senken würde. Dieser Satz würde dann nämlich auf minus 0,25 Prozent sinken. Banken müssten also für Einlagen bei der EZB etwas zahlen. Undenkbar ist so etwas nicht - Schweden und Dänemark machen es bereits vor. Allerdings hatte Draghi negative Einlagenzinsen nach der vergangenen Ratssitzung als "unbekanntes Gewässer" bezeichnet.
Daneben könnte sich der EZB-Rat mit der Frage der beschäftigen. Zwar hatte er im Juni das Vollzuteilungsprinzip zum Leitzins bis Jahresende verlängert, doch hatte Draghi nach der vorigen Ratssitzung eine Diskussion des Sicherheitenrahmens angekündigt. Die EZB könnte also die Anforderungen an Wertpapiere, die Geschäftsbanken als Repo-Sicherheiten bei der EZB einreichen, weiter lockern.
Es wird eng für Spanien
Bliebe schließlich das heiß diskutierte Vorhaben, erneut Staatsanleihen von Problemländern zu kaufen. Äußerungen Draghis und der Direktoriumsmitglieder und deuten darauf hin, dass die EZB darauf bestehen wird, dass Staatsanleihen zunächst von den Rettungsfonds EFSF beziehungsweise ESM gekauft werden. Damit stünde vor der Schwierigkeit, einen formellen Hilfsantrag bei der EU stellen zu müssen. Zusätzliches Geld der EZB gäbe es dann nur gegen wirtschaftspolitische Auflagen.
Dass sich die EZB, wie von manchen Ökonomen erhofft, öffentlich auf die Verteidigung bestimmter Zinsdifferenzen festlegen wird, ist eher unwahrscheinlich. Sie wird die Balance zwischen zwei Zielen finden müssen: auf der einen Seite, die Finanzmärkte zu beruhigen und flexibel handeln zu können und auf der anderen Seite, den Handlungsdruck auf stark verschuldete Euro-Staaten wie Spanien hoch zu halten.
Die EZB wird ihre Leitzinsentscheidung am kommenden Donnerstag um 13.45 Uhr bekanntgeben. Um 14.30 Uhr wird dann wie üblich EZB-Präsident Draghi vor die Presse treten, um die Zinsentscheidung und seine Anleihekaufpläne zu erläutern. Die Pressekonferenz wird live im Internet übertragen.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ