Sparsame Abgasreinigung beim Zafira Hat Opel manipuliert wie VW?
12.05.2016, 15:50 Uhr
Neue Manipulationsvorwürfe gegen Opel: Offenbar haben Experten beim Modell Zafira weitere Einschränkungen bei der Abgasmessung aufgedeckt. Opel habe den geregelten Freiraum "brutal und grenzwertig ausgeschöpft", sagt Autoexperte Becker n-tv.de.
Erst vor knapp drei Wochen hat das Kraftfahrbundesamt (KBA) Nachbesserungen von Autos mit auffälligen Abgaswerten verordnet. Die Vorbereitungen bei den Herstellern laufen eher schwerfällig an. Opel und Porsche gehören da noch zu den Schnelleren, die Fakten schaffen wollen, andere Hersteller sind in ihren Plänen längst nicht soweit. Doch gleichzeitig wird bei Opel offenbar schon wieder ein neues Kapitel im Diesel-Skandal geschrieben.
Laut Deutsche Umwelthilfe (DUH) wurden in einem 1,6-Liter-Zafira bislang unbekannte Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung entdeckt. Das berichtete der Verein gemeinsam mit dem ARD-Magazin "Monitor" und dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Eine Software soll demnach die Reinigung der Abgase bei hohen Drehzahlen oder einem Tempo oberhalb von 145 Stundenkilometern abschalten. Opel hat sich trotz mehrfacher Nachfragen bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Abschaltung soll dem Bericht zufolge auch innerhalb des so genannten Thermofensters geschehen, das bei den Untersuchungen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) festgestellt worden war.
Die General-Motors-Tochter Opel hatte gegenüber den Behörden lediglich eingeräumt, dass die Abgasreinigung nur bei Außentemperaturen "im Bereich von 20 bis 30 Grad vollumfänglich" arbeitet. Wie andere Hersteller auch hatte sich Opel dabei auf den von der EU akzeptierten Bauteilschutz berufen. Frühere Vorwürfe der DUH wegen angeblich erhöhter Abgaswerte hatte das Unternehmen stets zurückgewiesen.
Abgasreinigung entspricht nicht EU-Recht
Die Recherchen von "Monitor" und "Spiegel" zeigen jetzt jedoch, dass selbst in diesem Temperaturbereich die Abgasreinigung häufig nur eingeschränkt arbeitet. Etwa wenn die Drehzahl des Motors einen Wert von 2400 Umdrehungen pro Minute überschreitet, das Fahrzeug auf mehr als 145 km/h beschleunigt wird oder ein Umgebungsluftdruck von weniger als 915 Millibar herrscht, was in der Regel einer Höhe von 850 Metern über dem Meeresspiegel entspricht, schreibt der "Spiegel".
Diese Abschaltvorrichtungen seien sowohl durch das Auslesen der geheimen Motorsteuerung als auch durch Tests auf Prüfständen etwa beim TÜV Nord in Essen und bei Tests auf der Straße nachgewiesen worden. Martin Führ, Experte für Umweltrecht an der Hochschule Darmstadt, erklärt hierzu:"Wie bei VW gibt es auch bei Opel technische Vorkehrungen, die dafür sorgen, dass die Abgasreinigung nicht so funktioniert, wie die EU-Verordnung das vorsieht. In beiden Fällen handelt es sich um eine nicht zugelassene Abschaltvorrichtung."
Becker: "Grenzwertig, aber nicht gesetzeswidrig"
Der Autoexperte Helmut Becker glaubt nicht, dass Opel bei den vorgeschriebenen Abgastest manipuliert oder getäuscht hat. Dafür habe Opel aber "den nicht gesetzlich geregelten Freiraum brutal und grenzwertig ausgeschöpft", sagt er n-tv.de. Als Beispiel zieht der Autoexperte den Vergleich zum Vorgehen bei BMW. Während beim Münchener Autobauer das sogenannte Thermofenster, bei dem die Abgasregelung zwingend einsetzt, bereits bei 10 Grad festgelegt worden sei, sei man bei Opel bis zum äußersten Rand, nämlich 20 Grad gegangen. "Bis dahin blieben die Abgase unbehandelt und giftig", so Becker.
Auf die Idee, dass der Autohersteller über die 20 Grad-Marke hinaus das Thermofenster wieder frühzeitig "schließen" könnte, sei der Gesetzgeber offensichtlich gar nicht gekommen. Dafür aber Opel: "Die haben offensichtlich bei 30 Grad die Abgasreinigung wieder eigestellt." Genauso wie sie andere Schlupflöcher gefunden hätten. Opel habe nach dem Motto gehandelt: "Was nicht verboten ist, ist erlaubt!", sagt Becker. Aus seiner Sicht ist das "zwar absolut grenzwertiges Verhalten, aber eben nicht gesetzeswidrig". Um solche Regelverstöße zu verhindern, müsse der Gesetzgeber in Zukunft einfach die Beweislage umdrehen: "Alles ist verboten, was nicht expressis verbis erlaubt ist", sagt Becker. "Im Gegensatz zum jetzigen Zustand: Alles ist erlaubt, was der Gesetzgeber nicht ausdrücklich verboten hat!"
Volkswagen hatte bisher als einziger Autobauer im September gezielte Manipulationen bei Dieselfahrzeugen eingeräumt und damit den Abgas-Skandal ausgelöst. Auch bei anderen Herstellern waren seither auffällig Abgaswerte festgestellt worden, sie betonten aber stets, das geschähe innerhalb der geltenden Regeln.
Quelle: ntv.de, ddi/dpa