Wirtschaft

"Die Großen lässt man laufen" Cum-Ex-Chefermittlerin wirft entnervt hin

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Nach Jahren als Chefermittlerin ist Brorhilker ernüchtert.

Nach Jahren als Chefermittlerin ist Brorhilker ernüchtert.

(Foto: dpa)

Es ist eine harsche Abrechnung mit der Politik. Die Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker bittet um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis und äußert scharfe Kritik an der Strafverfolgung von Finanzkriminalität: Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-Ex-Nachfolgemodelle.

Die Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker hat gekündigt - und übt Kritik an der Aufarbeitung des Steuerskandals. Brorhilker habe um ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Köln. Zu Brorhilkers Gründen äußerte sich die Behörde nicht.

Die Oberstaatsanwältin nahm eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Cum-Ex-Steuerbetrügern ein. Dem WDR sagte Brorhilker: "Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird." Die Politik habe elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten Cum-Ex-Fälle noch immer nicht hinreichend reagiert. Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-Ex-Nachfolgemodelle. Grund seien fehlende Kontrollen, was bei Banken und auf den Aktienmärkten geschehe.

Brorhilker kritisierte auch Ungerechtigkeit im Strafverfolgungssystem. Bei der Finanzkriminalität gehe es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, die dann auf eine "schwach aufgestellte Justiz" stießen. Auch könnten sich Beschuldigte oft aus Verfahren einfach herauskaufen, indem beispielsweise Verfahren gegen eine Geldbuße eingestellt würden. "Dann haben wir den Befund: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen." Als einzelne Staatsanwältin könne sie daran wenig ändern. Brorhilker, die nun Geschäftsführerin der NGO Finanzwende wird, forderte auch mehr Personal in der Strafverfolgung und eine bundesweite Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität.

Mehr zum Thema

In rund 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren wurde in Köln unter Brorhilkers Führung gegen 1700 Beschuldigte ermittelt. Durch den Cum-Ex-Betrug, der seine Hochphase von 2006 bis 2011 hatte, wurde der deutsche Staat schätzungsweise um einen zweistelligen Milliardenbetrag geprellt. Der Cum-Ex-Betrug ist der größte Steuerskandal der Bundesrepublik. Bei den Steuerdeals wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenansprüche in kurzer Zeit zwischen Finanzakteuren hin- und hergeschoben. Bei dem Verwirrspiel erstattete der Fiskus unwissentlich Steuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Erst mit einer zum Januar 2012 greifenden Gesetzesänderung wurde den Deals ein Riegel vorgeschoben.

Brorhilker begann vor mehr als zehn Jahre ihre Arbeit als Ermittlerin von Cum-Ex-Fällen, 2014 ließ sie eine weltweite Razzia durchführen. Später führte ihre Anklage zum ersten rechtskräftigen Urteil. Auch Hanno Berger, der einst in die Schweiz geflohene "Mr. Cum Ex", wurde wegen Steuerhinterziehung zu mehreren Jahren Haft verurteilt.

Quelle: ntv.de, ghö/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen