Hedgefonds zittern Börsen stehen unruhige Zeiten bevor
30.01.2021, 09:51 Uhr
Hedgefonds haben durch die Attacke viel Geld verloren.
(Foto: REUTERS)
Die Zockerei mit Gamestop-Aktien wirbelt die Börsen durcheinander. Auch in der nächsten Woche dürfte das Ringen zwischen Hedgefonds und privaten Spekulanten für wilde Kurssprünge sorgen.
Aus dem Corona-Beben ist an den Börsen ein Gamestop-Beben geworden. Nicht das Virus sorgte in den vergangenen Tagen für den meisten Gesprächsstoff, sondern die Geschehnisse um die Aktie eines Videospiele-Händlers - mit einem Kampf zwischen Short-Spekulanten und privaten Anlegern, die sich in einem Internet-Forum mobilisiert haben. Sie zwangen mit konzertierten Käufen Hedgefonds zur Auflösung ihrer Wetten auf den Kursverfall bestimmter Papiere und trieben sie teilweise an den Rand des Ruins. Die Turbulenzen verhagelten spät im Januar einen schon gut geglaubten Jahresauftakt - und sie könnten Experten zufolge auch noch nicht vorbei sein.
Der Dax ging am Freitag 1,7 Prozent tiefer bei 13.432 Punkten aus dem Handel. Auf Wochensicht hat er 3,2 Prozent an Wert verloren. In der zweiten deutschen Börsenreihe fiel der MDax am Freitag um 1,1 Prozent auf 31.086 Punkte. Der Kleinwerte-Index SDax dagegen schlug sich etwas besser, er ging nur leicht mit 0,2 Prozent im Minus über die Ziellinie.
Laut Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets könnte "das Thema am Ende zu einer ernsthaften Bedrohung für das gesamte Finanzsystem werden", weil eine Schieflage bei Hedgefonds zu drastischen Verwerfungen führen könne. "Da an den modernen Finanzmärkten alles eng ineinandergreift, kann das Herausspringen von zu vielen Rädchen dazu führen, dass das Gesamtsystem nicht mehr richtig funktioniert", fürchtet Stanzl.
Anlagestratege Chris-Oliver Schickentanz von der Commerzbank sieht in dem Kampf der privaten Spekulanten gegen die Profis eine "soziale Anlageentscheidung" und damit einen neuen, nur schwer prognostizierbaren Einflussfaktor an den Börsen. Regulierer und die Politik könnten jetzt gefragt sein - laut Schickentanz mit dem Ziel, "manipulative Markteingriffe von Hedgefonds und einer Herde Kleinanleger gleichermaßen zu verhindern."
US-Konjunkturpaket naht
Fest steht: Der Höhenflug der Börsen wurde beendet. Dazu trugen auch schleppende Coronavirus-Impfungen, Diskussionen um verschärfte Pandemie-Beschränkungen und durchwachsene Firmenbilanzen bei. "Für die erfolgsverwöhnten Anleger, die wochenlang nur steigende Aktienkurse kannten, wird es jetzt das erste Mal seit langem wieder richtig ungemütlich", sagt Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus Axi.
"Wir sehen bisher keinen generellen Stimmungsumschwung", betont dagegen Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Bei den aktuellen Verlusten handele es sich lediglich um überfällige Gewinnmitnahmen. Zwischen Ende Oktober und Anfang Januar hatte der Leitindex mehr als 20 Prozent zugelegt und war zeitweise auf ein Rekordhoch von 14.131 Punkten gestiegen. In der neuen Woche sei jedoch ein Lichtblick zu erwarten, sagt Altmann. Diejenigen Komponenten des geplanten Corona-Konjunkturpakets des neuen US-Präsidenten Joe Biden, für die eine einfache Mehrheit seiner Demokratischen Partei reiche, könnten kurzfristig durch den Kongress gebracht werden.
Was Unternehmensberichte betrifft, gibt die neue Woche in Europa einiges her. Am Montag berichtet Siemens Healthineers, am Dienstag Siemens Energy und nach US-Börsenschluss die US-Giganten Amazon und Alphabet. Am Mittwoch folgen Siemens und am Donnerstag unter anderem Infineon sowie die Deutsche Bank mit ihren Berichten. In vielen Fällen, gerade bei den Konzernen aus dem Siemens-Umfeld, sind schon Eckdaten bekannt. Infineon muss sich an den starken Vorlagen einiger Wettbewerber messen.
Zahlreiche Konjunkturdaten
Auch konjunkturell könnte es in der neuen Woche viele neue Eindrücke geben. "Denn es werden eine Reihe von Konjunkturdaten aus Europa veröffentlicht, welche die Belastungen der Wirtschaft durch die zweite Corona-Welle widerspiegeln", sagt der Deka-Bank-Volkswirt Ulrich Kater. Auch aus den USA werden wichtige Daten erwartet, zunächst am Montag und Mittwoch mit den ISM-Einkaufsmanagerindizes und am Freitag mit dem Arbeitsmarktbericht.
Experten rechnen für Januar wieder mit einem Jobaufbau, nachdem im Vormonat überraschend Stellen abgebaut worden waren. Da die Pandemie-Beschränkungen in den USA vor allem von November auf Dezember verschärft worden seien, erwarte er keine weitere Entlassungswelle, prognostiziert Commerzbank-Analyst Christoph Weil. "In den meisten übrigen Branchen wurde selbst im Dezember noch Personal aufgebaut."
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa