Erst Athen-Angst, dann US-Hoffnung Dax schließt knapp im Minus
16.02.2012, 18:00 Uhr
Breite Handelsspanne, klare Richtung: Der Dax will nach oben.
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Gut erholt vom Tagestief rettet sich der deutsche Aktienmarkt knapp unterhalb der Gewinnzone in den Feierabend. Unerwartet ermutigende Konjunkturdaten aus den USA nehmen den Anlegern die schlimmsten Sorgen von der Brust.

Wie verfrühte Schneeglöckchen drückt sich der deutsche Aktienmarkt durch die Schneedecke.
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Griechenland, Moody's und die Banken: Diese drei Stichworte haben den Handelstag an der Frankfurter Börse über weiter Strecken belastet. Vor allem das nach wie vor ungelöste Athen-Problem lässt die Börse nicht zur Ruhe kommen. Die politische Auseinandersetzungen um die neuen Milliardenhilfen drückten den deutschen Aktienmarkt zum Auftakt tief ins Minus.
Erst am Nachmittag verzogen sich die düsteren Wolken: Gerüchte über Verhandlungsfortschritte sowie unerwartet freundliche Konjunkturdaten aus den USA sorgten dafür, dass die Verluste nicht mehr ganz so deutlich ausfielen wie im Tagesverlauf. Der deutsche Leitindex entfernte sich am späten Nachmittag immer weiter von seinem sehr früh erreichten Tagestief bei 6651 Punkten und drang in seiner Aufwärtsbewegung bis knapp unter die Gewinnzone vor. Am Abend ging der Dax schließlich mit einem hauchdünnen Minus von 0,09 Prozent bei 6751,96 Punkten aus dem Handel. Der MDax verlor 0,54 Prozent auf 10.296,71 Punkte. Der TecDax beschloss den Tag 1,05 Prozent im Minus bei 772,73 Punkten.
Ein Wendepunkt des Tages war die Bekanntgabe neue Daten aus dem US-Arbeitsmarkt: Anders als im Vorfeld erwartet, ging die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe deutlich zurück. Auch der Philly-Fed-Index zur Konjunkturentwicklung an der US-Ostküste legte stärker zu als erwartet. "Gut, um weiter nach oben zu laufen", kommentierte ein Händler. Mit einem Stand von 10,2 sei er zwar im Februar nur 0,2 Zähler besser als erwartet ausgefallen, "aber damit ist er eben einen Tick besser", so der Händler. Im Januar lag er noch bei 7,3. Für den Markt reiche es völlig, wenn es keine negative Überraschung gebe. Der Dax könnte sich weiter in seiner Handelsspanne erholen und mindestens bis zu deren Mitte bei rund 6750 laufen, ergänzte ein charttechnisch orientierter Beobachter.
Die neuen Daten vom US-Arbeitsmarkt weckten Hoffnungen auf ein rasches Wiedererwachen der amerikanischen Wirtschaftskraft. "Schon wieder besser als erwartet", sagte ein Händler mit Blick auf die Anzahl der Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe aus der Vorwoche. Mit 13.000 weniger Anträgen als zuvor wurde die Erwartung eines Anstiegs um 7000 deutlich unterboten. Nun sei bereits der niedrigste Stand seit März 2008 erreicht worden. "Das untermauert das Bild einer besseren US-Erholung als bislang befürchtet", meinte ein anderer Händler. "Da der Markt sehr genau auf solche Signale achtet, dürfte es kräftig hochgehen". Gute Nachrichten gab es daneben von Anleihe-Auktionen aus Frankreich und Spanien.
Beherrschendes Thema des Tages blieb Griechenland: "Der Markt hatte gestern auf die lange versprochene Einigung gewartet und war wieder einmal enttäuscht worden", erklärte ein Händler die Enttäuschung zum Auftakt. Nun soll die lang erwartete Lösung im Kampf um die Rettung Griechenlands nun doch erst am kommenden Montag kommen. Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es daneben, man plane keinen Übergangskredit an die Hellenen. Damit wird weiter über die vollen 130 Mrd. Euro des zweiten Kreditpakets gesprochen.
Die Befürchtung am Markt bleibe groß, Griechenlandkönne auf der Zielgeraden fallengelassen werden, hieß es. Zuletzt hatten Meldungen die Stimmung etwas auf gehellt, wonach die Euro-Partner Griechenland bei den Kreditzinsen entgegengekommen seien. Athen soll zudem der Einrichtung eines Sperrkontos für den Schuldendienst zugestimmt haben, was Börsianer als Fortschritt werteten.
Die spricht vor dem Hintergrund der zunehmend emotional geführten Debatte von einer "Atmosphäre des verschwindenden Vertrauens". Europa scheine "gefährlich nahe an dem Punkt zu sein, eine lehmanhafte Entscheidung zu treffen". Die US-Regierung hatte 2008 entschieden, die Investmentbank Pleite gehen zu lassen, was eine weltweite Kreditkrise auslöste. Die mit Enttäuschung auf genommenen Zahlen der Societe Generale trugen Börsianern zufolge nicht gerade zur Stimmungsaufhellung bei. Die französische Großbank hat im vierten Quartal 2011 deutlich weniger Gewinn gemacht als erwartet. Die Aktien fielen in Paris zeitweise um bis zu 3,6 Prozent.
Bankentitel litten besonders unter der -Ankündigung: Papiere von Branchenprimus Deutsche Bank gingen trotz allem 0,1 Prozent fester aus dem Handel. Commerzbank-Anteile blieben 1,6 Prozent im Minus. "Die Finanzwerte haben Gegenwind von allen Seiten", sagte ein Händler. Stützend auf Banken wirktenauch die Auktionen französischer und spanischer Schuldtitel: So konnte sich Madrid mit der Versteigerung am Vormittag bereits 34 Prozent des für das laufende Jahr angestrebten Bruttoemissionsvolumens sichern. Frankreich erreichte nicht nur das obere Ende des avisierten Volumens von 8,5 Mrd. Euro, sondern musste auch nur noch geringere Zinsen dafür zahlen.
Bei den Versorgern setzten RWE ihre Erholung fort und stiegen um 1,9 Prozent auf 32,95 Euro.Hauptverlierer im Dax waren FMC, die 3,2 Prozent auf 55,21 Euro verloren. Sie litten nach Händlerangaben unter einer Abstufung durch Citigroup von "Kaufen" auf "Neutral".
Die Quartalszahlen des weltgrößten Autobauers General Motors (GM) hinterließen am deutschen Markt wenig Spuren. Die schon zuvor unter Druck stehenden Anteilsscheine des Erzrivalen VW notierten nach zeitweiligen Verlusten 0,5 Prozent fester. Die Titel von Daimler gaben 0,6 Prozent ab. BMW legten 0,2 Prozent zu. GM macht vor allem das Europa-Geschäft mit der Konzerntochter Opel zu schaffen.
K+S rutschten mit einem Minus von rund 3 Prozent zeitweise ans Dax-Ende. Am Abend notierten die einzigen Rohstofftitel im Dax 1,9 Prozent im Minus. Händler führten die Kursverluste auf Zahlen des US-Wettbewerbers Intrepid Potash zurück, die im vierten Quartal enttäuscht hätten.
Unter Druck standen zudem die Papiere der Lufthansa: Sie fielen um 0,6 Prozent. Händlern zufolge belastete der für den Nachmittag und Freitag angekündigte die Papiere. Wegen des Streiks hat die Fluggesellschaft zahlreiche Flüge gestrichen. Auch für Freitag kündigte die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) einen 14-stündigen Ausstand an, der zu Annullierungen und Verspätungen führen dürfte. Allein die Ausfälle am Donnerstag könnten das operative Ergebnis mit 10 Mio. Euro belasten, berechnete Analyst Jochen Rothenbacher von Equinet. Ein Tag ohne jegliche Flüge am Frankfurter Flughafen würde mit 30 Mio. Euro zu Buche schlagen. "Die finanziellen Auswirkungen sind begrenzt, solange der Streik nicht ausgeweitet wird."

Kaltstart am Donnerstag: Moody's, SocGen und das Griechenlandrisiko lasten auf den Kursen.
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Im MDax drehten dagegen die Titel des Flughafenbetreibers Fraport ins Plus und legten 0,2 Prozent zu. Kabel Deutschland gewannen an der MDax-Spitze 2,4 Prozent, nachdem sie am Mittwoch bereits stark gefragt waren. Deutschlands größter Kabelnetzbetreiber verzeichnete im dritten Geschäftsquartal einen Umsatz- und Gewinnanstieg. Positiv hob ein Händler den Ausblick hervor. Sascha Berresch, Analyst bei Hauck & Aufhäuser, verwies zudem auf die prognostizierte Dividende von wenigstens 1,50 Euro je Aktie. Da auch der französische Sender TF1 und die niederländische Verlagsgruppe Reed Elsevier gute Zahlen vorlegten, stellte der Medien-Sektor europaweit den Gewinner unter allen Branchen, hieß es.
Douglas legten um 0,7 Prozent auf 33,98 Euro zu. "Der Markt setzt weiter auf eine Restrukturierung bei dem Einzelhändler", sagte ein Händler. Wie das Handelsblatt am Donnerstag berichtete, könnte Douglas die Bekleidungskette AppelrathCüpper sowie die Hussel-Süßwarenläden abspalten. Bereits einen Tag zuvor hatte das manager magazin über einen Verkauf der Buchhandelstochter Thalia spekuliert.
Der Eurostoxx beendete den Tag mit einem Minus von 0,18Prozent auf 2489,35 Punkte. Die Leitbörse in Paris verbuchte ein kleines Plus, die in London schloss mit einem Verlust. In den USA tendierte der Dow Jones zum europäischen Handelsschluss etwas fester.
Am Rentenmarkt fiel die durchschnittliche Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere deutlich auf 1,50 (Vortag: 1,60) Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,49 Prozentpunkte auf 131,12 Punkte. Der Bund-Future sank um0,23 Prozent auf 138,77 Punkte. Der Euro konnte sich zuletzt erholen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte zuvor den Referenzkurs auf 1,2982(Mittwoch: 1,3092) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7703 (0,7638) Euro.
Quelle: ntv.de, DJ/dpa/rts