Richtungswahlen in Europa Dax sehr schwach erwartet
07.05.2012, 08:45 Uhr
Wahlen in Europa: So ging der Dax ins Wochenende.
(Foto: dapd)
Am deutschen Aktienmarkt müssen sich Anleger auf starke Kursverluste einstellen: Nach den politischen Paukenschlägen in Frankreich und vor allem Griechenland rechnen Börsianer mit nervösen Reaktionen. Analysten bezeichnen die vorbörslichen Abschläge als "viel zu hoch".
Nach den Wahlen in Frankreich und Griechenland rechnen Beobachter in Banken und Brokerhäusern beim Dax mit kräftigen Abschlägen zum Wochenauftakt. Am Freitag hatte er zwei Prozent tiefer bei 6561,47 Punkten geschlossen. "Es gibt kein anderes Thema als die Wahlen", hieß es im Handel. Die Sparbemühungen in Europa dürften unter den Ergebnissen leiden, internationale Investoren sich weiter aus der Eurozone zurückziehen.
Besonders unter Druck geraten dürften zunächst Unternehmen mit größerem Griechenland-Engagement, hieß es im Handel. "Während Frankreich einfach nur eine Herausforderung an die Diplomatie darstellt, steht man in Griechenland vor einem Scherbenhaufen", sagte ein Händler. Die Konstellation der dortigen Parteien lasse den Markt bereits an die Möglichkeit von Verstaatlichungen denken. "Das dürfte natürlich nur bei einem Austritt aus der Eurozone wahrscheinlich werden, aber die Furcht davor ist da", meinte ein anderer Händler. Belastet vom Wahlergebnis könnten demnach zum Beispiel Deutsche Telekom werden mit ihrer Beteiligung an der griechischen OTE.
Der Euro geriet stark unter Druck und fiel auf ein Dreieinhalb-Monats-Tief von 1,2957 Dollar. Einzelne Händler hielten es für wahrscheinlich, dass der Euro-Kurs nun sogar bis auf 1,28 Dollar zurückfallen könnte. Die Indikationen für die Aktienmärkte fielen schlecht aus: Bis zu 160 Punkte könnte es demnach für den Dax nach unten gehen. Der Pariser Leitindex CAC 40 wurde 60 Zähler tiefer indiziert.
An den Rentenmärkten weiteten sich die Zinsdifferenzen nach den Wahlen in Frankreich und Griechenland erneut aus. Gewinner des Tages sind die Bundesanleihen, die bei einer Laufzeit von 10 Jahren 2 Basispunkte niedriger mit 1,56 Prozent rentieren. Nach dem Wahlsieg von Francois Hollande legen die Renditen der zehnjährigen französischen Staatsanleihen um 4 Basispunkte auf 2,85 Prozent zu. In Spanien ziehen die Renditen um 9 auf 5,77 Prozent an, italienische Staatsanleihen rentieren 10 Basispunkte höher bei 5,51 Prozent.
Allerdings gab es auch skeptischere Stimmen: Als "viel zu hoch" werteten Händler am Morgen die Kursverluste im vorbörslichen Handel. Keiner der befragten Marktteilnehmer plante, noch irgendwelche Short-Positionen aufzubauen. "Nach diesem Gap im Dax-Futures nach unten wäre das Wahnsinn", sagte ein Händler. Stattdessen sei "Bottom Fishing" sinnvoller, also in übertrieben verkaufte Werte hineinzukaufen. Auch der wieder über 1,30 Dollar steigende Euro zeige, dass die asiatischen Märkte nach unten übertrieben hätten. Die Wahrscheinlichkeit, per Eröffnung schon das Tagestief gesehen zu haben, sei hoch. "Bis mindestens 6500 oder vielleicht sogar 6600 sollte eine Gegenreaktion laufen", meinte ein charttechnisch orientierter Beobachter.
"Es herrscht große Sorge, dass die neue Regierung in Griechenland den Sparkurs verlassen wird", fasste Marktanalyst Ben Le Brun vom Brokerhaus OptionsXpress die Stimmungslage zusammen. In Tokio gab der Nikkei-Index in Reaktion auf die Wahlergebnisse um 2,8 Prozent auf 9119 Zähler nach. An den asiatischen Märkten herrschte allgemeine Verunsicherung in Bezug auf die Auswirkungen der Wahlen auf die Eindämmung der Schuldenkrise.
Vor allem das Wahlergebnis in Griechenland, das eine Unzahl an extremistischen Parteien als Sieger sieht, sorgte für Entsetzen. Wie US-Ökonom Nouriel Roubini kommentierte, unterstützen nur 33 Prozent der griechischen Parteien Troika und Sparpaket, radikale Linke und Rechte kämen hingegen auf 66 Prozent der Stimmen.
"Das ist viel schlimmer als in Frankreich, weil das erstere zum Chaos führt, während Hollande sich als moderat erweisen wird". Damit sei die Mitgliedschaft Griechenlands in Frage gestellt. Dies bringe schwere Ansteckungsprobleme für die gesamte Eurozone mit sich, so Roubini.
Griechenland habe nun drei Tage Zeit, eine neue Regierung zu bilden. Sollte keine Koalition zustande kommen, wird die nächstgrößere Partei mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Möglichkeiten zu sinnvollen Mehrheiten seien allerdings gering. "Es dürfte eher auf Neuwahlen hinauslaufen", meinte ein Analyst.
"Das Wahlergebnis in Griechenland birgt eine hohe Unsicherheit für die Zukunft des Landes und für Kapitalanlagen in Europa an sich", hieß es aus dem Hause Goldman Sachs. Nun müsse erste einmal abgewartet werden, ob sich eine Regierungsmehrheit in Griechenland finde. Sollte dies nicht gelingen, könnten die Griechen ein weiteres Mal zu den Urnen gerufen werden.
"Eine Hängepartie in Griechenland ist momentan sicherlich das Schlechteste, was Europa momentan widerfahren kann", meinte ein Händler. Da hilft auch nicht, dass sich Frankreich in der Stichwahl um das Präsidentenamt für entschieden hat. "Das beinhaltet keine Überraschung für den Kapitalmarkt", lautete die Einschätzung eines Marktteilnehmers. Aber Griechenland reiche, um den Abverkauf in den Risiko-Assets auszulösen.
Im Vergleich zur Lage in Griechenland sehe die Wahl in Frankreich "noch harmlos" aus. Der neue Präsident habe zwar innenpolitisch starke Worte gewählt,dürfte aussenpolitisch jedoch ein ruhiger Verhandlunspartner für Deutschland werden. "Dass die künftige Wortwahl aber irgendwelche Hinweise oder Aktionen in Richtung Wachstumspakt enthalten wird, ist auch klar", sagte ein Händler. Die gehe demgegenüber völlig unter, auch wenn sie eines der schlechtesten Ergebnisse der Nachkriegszeit für die CDU gebracht habe.
Impulse aus allen Richtungen
Auch von Konjunkturseite droht weiter Druck auf die Märkte. Nach den schwachen europäischen Einkaufsmanagerindizes und dem US-Arbeitsmarktbericht am Freitag stehen zyklische Anlagen weiter unter Druck. Die gaben weiter nach.
Das deutliche Minus an der Börse in Japan sollte allerdings nicht überbewertet werden, hieß es. Dort war die Börse an den vergangenen beiden Handelstagen geschlossen. Daher habe sie auch den schlecht ausgefallenen US-Arbeitsmarktbericht noch einpreisen müssen. Da London am Montag ebenfalls geschlossen hat, hoffen Händler auf einen geringeren Druck auf den Markt. "Die Angelsachsen hätten sonst kräftig überreagiert und alle Märkte nach unten geprügelt", so ein Händler.
Industrie und Auftragslage
Unternehmensdaten stehen am Montag nicht im Fokus. Bei den Konjunkturdaten wird auf die Industrieproduktion in Spanien und den Auftragseingang in Deutschland geachtet. Sollte sich der Dax im Tagesverlauf vom ersten Schreck erholen, sei wichtig, dass er im Tagesschluss wieder über der Unterstützung um 6500 Punkte schließe, fügte ein charttechnisch orientierter Beobachter hinzu.
An der Wall Street hatten die US-Indizes vor dem Wochenende nach Börsenschluss in Deutschland leicht nachgegeben. Der Dow Jones beendete die Sitzung am Freitag 1,3 Prozent tiefer, während der Nasdaq 2,2 Prozent verlor. Der S&P-500 fiel um 1,6 Prozent.
Feiertag in London
Auch an den übrigen europäischen Börsen wird nach dem Superwahlsonntag mit deutlichen Verlusten gerechnet. Die Griechen haben sich noch klarer gegen die Europapolitik ihrer Regierung ausgesprochen, als im Vorfeld erwartet. Ein großer Teil der Bevölkerung hat den bisherigen Regierungsparteien den Rücken zugekehrt. Dies sorge für Verunsicherung an den Börsen, hieß es. Die Investoren stiegen aus Risiko-Assets aus.
Gewinner in dieser Gemengelage dürften deutsche Bundesanleihen sein, die als Hort der Sicherheit gelten und am Freitag erneut auf einem Allzeithoch notierten.
Die Händler in der Londoner City werden erst am Dienstag wieder in das Geschehen eingreifen, da die Börse in Großbritannien auf Grund des "Early May Bank Holiday" geschlossen hat.
Quelle: ntv.de, DJ/rts