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Allianz der Internet-Lobby "Deutschland braucht mehr Mut zum Risiko"

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Die neu gegründete Internet Economy Foundation will zwischen Internetwirtschaft und Politik vermitteln. Im Interview mit n-tv.de sagt Geschäftsführer Clark Parsons, an welchem Land sich Deutschland ein Vorbild nehmen soll, wie der Staat von jungen Unternehmen profitieren kann und warum sie einen Digitalminister fordern.

n-tv.de: Was war der Anlass für die Gründung der Internet Economy Foundation?

Clark Parsons leitet die Internet Economy Foundation. Der US-Amerikaner lebt seit 1989 in Berlin und war zuvor als Journalist, Unternehmensberater und Country Manager tätig.

Clark Parsons leitet die Internet Economy Foundation. Der US-Amerikaner lebt seit 1989 in Berlin und war zuvor als Journalist, Unternehmensberater und Country Manager tätig.

Clark Parsons: Für viele Internetunternehmer und Politiker geht die Digitalisierung in Deutschland zu langsam voran. Sie haben gemerkt, wie weit hinten Deutschland und Europa im Vergleich zu Amerika und Asien liegen. Nicht wenige Politiker haben erkannt, dass eine Stimme der deutschen und europäischen Internetwirtschaft fehlt. In einer Gesprächsrunde mit Ralph Dommermuth und unserem Stiftungsvorsitzenden Prof. Friedbert Pflüger im letzten Sommer forderte uns der Staatssekretär im BMWI, Matthias Machnig, explizit auf: "Schließt Euch als deutsche Internetwirtschaft zusammen, spricht mit einer Sprache. Wir in der Politik brauchen einen Ansprechpartner, der deutsche und europäische Interessen artikuliert und vertritt.“

Aber es gibt doch in Deutschland bereits Interessenverbände der Internetwirtschaft...

Das stimmt. Aber die existierenden Verbände verfolgen ganz unterschiedliche Interessen. Sie vertreten keine klare Linie. Deswegen ist der Wunsch nach einer Organisation, die für die Interessenlage der deutschen und europäischen Internetwirtschaft spricht, gewachsen. Wenn die Politik Entscheidungen treffen muss und dabei auf Fragen stößt, wollen wir zukünftig ihr Ansprechpartner sein. Wir wollen die deutsche und europäische Sicht vertreten, ohne uns gegen andere zu wenden. Wir wollen keine Abgrenzung oder Abschottung, aber wir in Deutschland und Europa müssen besser werden, und dazu brauchen wir bessere Rahmenbedingungen. Unternehmer aus der Internetwirtschaft können mit ihren Erfahrungen dazu beitragen, dass die Politik einen Weg findet, den großen Abstand zu den USA und Asien zu verringern.

Wie will die Internet Economy Foundation dem gerecht werden?

In Zusammenarbeit mit Beratungsfirmen und wissenschaftlichen Instituten führen wir Studien durch. So haben wir gerade eine Studie vorgelegt, die wir gemeinsam mit Roland Berger erarbeitet haben: Deutschland digital - Sieben Schritte in die Zukunft. Zudem organisieren wir Veranstaltungen, so z.B. den regelmäßig stattfindenden Digital-Dialog am Reichstag, auf denen versuchen wir, das Verständnis zwischen Politik und Internetwirtschaft zu verbessern. Wir werden natürlich auch versuchen, die Internetwirtschaft für die Gesellschaft und Politik allgemein verständlicher zu machen, indem wir Chancen und Risiken aufzeigen.

Ihre Stiftung will eine "neugierige Denkfabrik" sein. Was bedeutet das?

Die Mitglieder unseres Stiftungsrates sind allesamt erfolgreiche Unternehmer und Manager aus der Internetwirtschaft mit jahrzehntelangen Erfahrungen. Sie wissen die richtigen Fragen zu stellen - angesichts des rasanten Wandels und der komplexen Entwicklungen. Sie wissen, wo vertieft geforscht werden muss. Im engen Schulterschluss mit der Wissenschaft wollen wir der Politik helfen, die Wege zu beschreiten, die unsere Internetwirtschaft im globalen Maßstab wettbewerbsfähig macht. Wir präsentieren Studien, organisieren den Dialog, eben als eine „Denkfabrik" - aber entscheiden, kann nur die Politik.

Internet Economy Foundation

Die Internet Economy Foundation wurde mit dem Ziel gegründet, in einer dynamsichen Welt des Internets als Ratgeber und Dialogpartner aufzutreten.

Als Stimme für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft will sie Informationen über neueste Entwicklungen liefern und die Interessen der deutschen und europäischen Internetwirtschaft im globalen Kontext identifizieren.

Sie versteht sich als eine unabhängige Stimme für einen fairen Wettbewerb im Internet und als Europas digitale Zukunft.

Woran hapert es momentan noch?

In unserer Studie haben wir sieben Probleme identifiziert, bei denen dringend etwas geschehen muss. Zwei der wichtigsten sind die Finanzierung und der Ausbau des Internetzugangs. Wenn man Amerika oder Asien mit Deutschland und Europa vergleicht, ist Amerika in Bezug auf die Finanzierung der Internetwirtschaft Deutschland weit voraus. Die Statistiken machen einen manchmal „baff“, wenn es darum geht, wie viel Kapital dort in die Internetwirtschaft fließt. Zwar hat man in Deutschland und Europa jetzt ein Ökosystem für die Startups geschaffen. Aber das allein reicht nicht. Denn wenn es gut läuft und eine Firma anfängt zu wachsen, dann gibt es in dieser Phase zu wenig Finanzierungsmöglichkeiten. Die KfW, auch private Banken, Family Offices oder Business Angels leisten ohne Frage schon viel, aber es gibt nicht genug Risikokapital für unsere Start-ups. Das führt dazu, dass man sich seine Kapitalgeber in Amerika sucht oder die jungen Firmen gezwungen werden, zu früh zu verkaufen. Junge Unternehmen können nicht richtig wachsen. Wenn die besten europäischen Firmen sich aufkaufen lassen, gibt es kein europäisches Zentrum in der Internetwirtschaft.

Was wäre eine mögliche Alternative?

Wir haben gemeinsam mit Start-ups und VC-Experten einen Public-Private Plan für eine Förderung in Höhe von 50 Milliarden Euro erarbeitet. Wenn ein Privatinvestor bereit ist, einen gewissen Betrag in das Wachstum eines Unternehmens zu stecken, verdoppelt ihn der Staat. Es ist nicht nur der Staat, der alleine (über ein Darlehen) investiert, denn auch die Privatwirtschaft beteiligt sich an der Finanzierung. Das Risiko für die öffentliche Hand lässt sich stark begrenzen, demgegenüber gibt es kreative Wege, um den Hebeleffekt in Gang zu setzen- und sogar die Möglichkeit für den Staat, Geld zu verdienen.

Und in Bezug auf den Internetzugang?

Wir setzen uns für eine flächendeckende Glasfasertechnik ein. Denn jeder weiß, um ein Breitbandnetz der Zukunft zu sichern, kommt man daran nicht vorbei. Zusätzlich braucht die nächste Generation von Mobilfunktechnik ein 5G Netz. Europa will das vielleicht 2020 einführen. In Korea wird es bereits 2018 freigeschaltet. Selbst wenn man mit entsprechenden Plänen jetzt beginnen würde, hinge man noch immer zurück. Denn ohne ein 5G Netz wird sich auch zum Beispiel das autonome Fahren nicht weiter entwickeln können.

Können Deutschland und Europa das Silicon Valley noch einholen?

Einholen wird ganz, ganz schwierig. Denn das Silicon Valley hat 40 Jahre Vorsprung. Aber Aufholen ist möglich. Deutschland hat viel kreatives Potential, wie wir es jetzt etwa in der Berliner Gründerszene erleben. Ich habe erst vor kurzem mit französischen Internetunternehmern und start-ups diskutiert, auch dort tut sich viel, ebenso in Italien. Wir müssen stärker zusammenarbeiten. Wenn die großen Unternehmen in den Bereichen Automobil, Energie, Chemie usw. mitziehen - und wir es schaffen, eine Symbiose mit jungen Unternehmen der new economy zu schaffen, haben wir alle Chancen. Wesentlich dafür ist aber, ich unterstreiche es nochmals, die Finanzierung der Start ups, nicht zuletzt in der zweiten, der Wachstumsphase. Europa ist nicht arm. Es gibt genug schlummerndes Kapital. Aber strukturelle Beschaffenheiten machen Investitionen für Banken schwierig. Einer der größten Investoren im Silicon Valley ist der California Pension Fund, also die Beamtenkasse des Staates Kalifornien. In dem Silicon Valley sitzt eine ganze Industrie von Fonds und Kassen, die dort investieren. In Europa können Banken, Versicherungen oder Fonds nicht so leicht ihr Kapital auf Risiko setzen.

Ist in Amerika eine kulturelle Gründermentalität stärker ausgeprägt?

Klar, in Kalifornien weht ein anderer Wind. Aber man wäre überrascht in Europa, wie viele Menschen mehr gründen würden, gäbe es bessere Rahmenbedingungen. In Berlin sind nicht nur Amerikaner und Israelis unterwegs. Sondern eben auch viele pfiffige Deutsche. Bereits 1999 gab es eine Gründerzeit. Dann platzte die Blase. Im Silicon Valley hat man das schnell verarbeitet. In Deutschland ist immer noch weniger Risikofreude. Deutschland und Europa brauchen viel mehr Mut zum Risiko. Es braucht eine neue Gründerzeit.

Warum fordert die Internet Economy Foundation einen Digitalminister?

Wir haben gesehen, dass man auf EU- Ebene mit einem Digitalkommissar gute Erfahrung gemacht hat. Auch wenn Günther Oettinger kein digital native sein mag, so hat er doch in der kurzen Zeit seiner Amtszeit, enorm viel Bewusstsein verändert und manche richtige Weiche gestellt - z.B. die europäische Datenschutzrichtlinie. In Deutschland dagegen hat die Verteilung der Kompetenzen in verschiedenen Ressorts dazu, dass man nicht schnell genug voran kommt. Es gibt in der Bundesregierung - und auch in der Opposition - viele kluge Köpfe, die erkannt haben, wie entscheidend es für die Zukunft Deutschlands ist, dass wir digital vorankommen. Es gibt viel guten Willen - aber er verheddert sich noch zu oft im Gestrüpp der Zuständigkeiten und Bürokratie. Mit gebündelten Kräften in Form eines Digitalministers würde man etwas mehr Tatendrang und Schnelligkeit erreichen.

Mit Clark Parsons sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

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