Spotify der Zeitungsbranche "Ohne Maschmeyer wäre Articly nicht, wo es jetzt ist"
27.04.2023, 15:54 Uhr
Investor Carsten Maschmeyer hat für 70.000 Euro 20 Prozent der Anteile am Unternehmen erworben.
(Foto: RTL / Bernd-Michael Maurer)
Mit seinem Münchner Startup Articly vertont Wolf Weimer ausgewählte Artikel aus deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen. Die Plattform konzentriert sich dabei auf Texte wie Hintergrundberichte, Reportagen und Analysen, die sich laut dem Unternehmen besonders gut für Audio-Formate eignen. Um die 1000 Artikel können sich Nutzer auf der Plattform inzwischen für eine monatliche Gebühr anhören. Zielgruppe sind Vielbeschäftigte mit wenig Zeit und Sehbehinderte. Bei seinem Auftritt in der Sendung "Die Höhle der Löwen" konnte der 28-Jährige mit seinem Geschäftsmodell Investor Carsten Maschmeyer gewinnen. Im Interview mit ntv.de erzählt Weimer, wieso sein Unternehmen nicht auf künstliche Intelligenz setzt und inwiefern sein Fernsehauftritt dem Unternehmen geholfen hat.
ntv.de: Ihr Startup Articly soll das "Spotify der Zeitungsbranche" werden. Der Journalismus ist Ihnen seit Ihrer Kindheit sehr nah. Ihre Eltern haben, bevor sie die Weimer Media Group aufgebaut haben, lange als Redakteure gearbeitet. Welche Rolle haben sie bei der Gründung gespielt?
Wolf Weimer: Mit meinen Eltern habe ich natürlich über meine Pläne gesprochen und mir von ihnen Tipps geben lassen. Bei der Gründung haben sie aber keine aktive Rolle gespielt. Ich hatte mich zunächst sogar bewusst dagegen entschieden, in die Medienbranche zu gehen. Ich war nach meinem Studium vier Jahre bei der Unternehmensberatung PwC angestellt. Den Journalismus habe ich natürlich trotzdem irgendwie im Blut, und die Idee zu Articly hat mich nicht mehr losgelassen. Ich selbst höre gerne Hörbücher und Podcasts und habe mich gefragt: Wieso bekommen Hörer nur sehr selten gute Zeitungsartikel vorgelesen und schon gar nicht auf einer Plattform angeboten?
Inzwischen lassen viele Medienhäuser und Nachrichtenseiten wie ntv.de ihre Artikel selbst vertonen. Wieso braucht es für vorgelesene Zeitungsartikel noch eine eigene App?
Bei uns finden Nutzer auf einer Plattform Artikel von den unterschiedlichsten Medienhäusern. Wir haben inzwischen 30 Publisher an Bord. Viele Nutzer sind heutzutage nicht mehr so festgelegt auf eine bestimmte Zeitung. Insofern macht es Sinn, das Angebot zu bündeln. Außerdem setzen die meisten Anbieter bei der Vertonung noch auf künstliche Stimmen. Die sind bei Weitem noch nicht so gut und klingen oft sehr abgehackt.
Bei der Vertonung auf künstliche Intelligenz zu setzen, ist aber günstiger und schneller. Wie wollen Sie da mithalten?
Unsere Nutzer schätzen es sehr, dass wir die Artikel von echten Menschen einlesen lassen. Texte bekommen eine andere Emotionalität, wenn ein Mensch sie einspricht. Außerdem lässt sich Information durch Emotion viel besser behalten. Die meisten Nutzer, die sich automatisch eingesprochene Texte anhören, schalten irgendwann ab, wenn es zu abgehackt klingt. Ich bin mir allerdings sehr sicher, dass wir spätestens in drei Jahren so weit sind, dass Hörer den Unterschied kaum noch mitbekommen werden. Wenn die Technologie so weit ist, müssen wir uns natürlich überlegen, wie wir damit umgehen wollen.
Wie groß ist die Angst der Medienhäuser, dass ihnen durch eine Kooperation mit Articly die eigenen Abonnenten verloren gehen?
Diese Angst begegnet uns immer wieder. Allerdings ist sie meiner Meinung nach unbegründet. Wir nehmen nur sehr ausgewählte Artikel in unser Angebot auf. Articly wird nie die ganze SZ oder die ganze FAZ vorlesen, sondern ausschließlich einzelne Artikel, die in unser Spektrum passen. Unsere Nutzer schätzen die kuratierten Stücke. Außerdem haben die meisten kein Zeitungs-Abo abgeschlossen. Durch Articly werden viele sogar erst auf ein bestimmtes Medium aufmerksam. Wir sind so gesehen auch ein Schaufenster für die Verlage, um neue Abonnenten zu gewinnen.
Um Artikel vertonen zu dürfen, brauchen Sie allerdings erstmal die Erlaubnis der jeweiligen Medienhäuser.
Stimmt. Das Ziel ist natürlich, einen Großteil der Qualitätsmedien in Deutschland abzubilden. Wir hoffen, dass die Ausstrahlung das Interesse geweckt hat und der eine oder andere noch auf uns zukommt. Ein paar Anfragen in die Richtung habe ich bereits im Postfach. Gerade für kleinere und mittlere Verlage sind wir oft der Einstieg in das Audio-Geschäft. Denen bieten wir ein Tauschgeschäft an: Wir bekommen von ihnen den Inhalt und der Verlag die Audio-Datei, die er dann auch auf die eigene Webseite stellen kann. Bei den großen Verlagen geht es in der Tat hauptsächlich um Lizenzierungen. Wir kaufen den Inhalt und das Recht, ihn zu vertonen. Noch schöner wäre für uns ein Modell, bei dem wir die Zeitungen monetär auch am Erfolg ihrer Artikel beteiligen können. Das testen wir gerade mit einigen Verlagen. Auf die Art hoffen wir, abseits von Lizenzverträgen an gute Inhalte zu kommen.
Wie viele Menschen nutzen die App?
Im Moment kommen gerade stündlich viele Hunderte Nutzer hinzu. Wir bewegen uns in einem mittleren fünfstelligen Bereich.
Ihr US-Vorbild Audm ist inzwischen von der "New York Times" aufgekauft worden. Ist ein möglicher Exit für Sie auch denkbar?
Den Verkauf von Audm habe ich mit Interesse verfolgt. Für mich ist das der Beweis, dass das Konzept funktioniert. Wir sind offen für Angebote. Man muss allerdings auch bedenken: Sollten wir an einen Verlag verkaufen, würde uns die Konkurrenz ihre Inhalte nicht mehr zur Verfügung stellen. Momentan sind wir mit unserer unabhängigen Position ganz glücklich: So können wir uns darauf konzentrieren, unseren Hörern eine bestmögliche Nutzererfahrung anzubieten.
Inwiefern hat Ihr Auftritt bei "Die Höhle der Löwen" und der Deal mit Carsten Maschmeyer Articly geholfen?
Die Aufmerksamkeit durch die Sendung ist enorm, und ohne Maschmeyer wäre Articly nicht da, wo es jetzt ist. Die Aufzeichnung und der Deal liegen ja schon einige Monate zurück. Bis jetzt mussten wir noch alles unter Verschluss halten. Es sind weniger die 70.000 Euro, die dem Unternehmen geholfen haben, als die Unterstützung von Maschmeyer und seinem Team. Sei es bei Social Media, PR, Marketing oder Vertrieb. Gerade in diesen Bereichen spüren wir die Unterstützung sehr. Inzwischen können Nutzer über das Unterhaltungsportal der Deutschen Bahn Articly etwa auch im ICE hören. Ohne Maschmeyer wäre das nicht möglich gewesen.
Disclaimer: Der Vater von Wolf Weimer, Wolfram Weimer, schreibt jede Woche für ntv.de die Kolumne "Person der Woche".
Mit Wolf Weimer sprach Juliane Kipper
Quelle: ntv.de