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Wann Chilis zum Risiko werdenAb wie viel Schärfe im Essen wird es gefährlich?

16.11.2025, 13:08 Uhr
imageVon Hedviga Nyarsik
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In vielen Gegenden der Welt wird gerne scharf gegessen. Doch bergen Chilischoten auch ein Gesundheitsrisiko? (Foto: picture alliance / imageBROKER)

Ob feuriges Curry, Chili-Wettessen oder Tiktok-Challenges - scharfes Essen fasziniert viele. In kleinen Mengen gilt Capsaicin, der Scharfmacher aus Chilischoten, sogar als gesund. Doch übertreibt man es, kann der Genuss schnell unangenehm werden. Ab welcher Menge wird die Substanz gesundheitsschädlich?

Ob in viralen Tiktok-Videos oder in der Talkshow "Hot Ones", in der Promis immer schärfere Hot Wings essen und dabei Fragen beantworten: Wer Schärfe aushält, gilt als besonders mutig. Der Nervenkitzel mit Chili hat allerdings eine Kehrseite. Forschende warnen: Übermäßige Mengen können Kreislauf und Schleimhäute stark belasten - manchmal mit dramatischen Folgen. Doch wie gefährlich ist scharfes Essen wirklich? Und wo liegt die Grenze zwischen Genuss und Risiko?

In vielen Teilen der Welt eilt scharfen Gerichten der Ruf voraus, positiv auf den Körper zu wirken. So regt scharfes Essen die Durchblutung und den Herzschlag an und die Gefäße erweitern sich. Capsaicin, der Scharfstoff in Chilischoten, soll antibakteriell und entzündungshemmend wirken. Studien liefern zudem Hinweise, dass Capsaicin den Energieverbrauch und die Fettverbrennung steigert, den Appetit etwa im Zuge einer Diät mindert, für eine gesunde Darmflora sorgt und bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels hilfreich sein kann. Und: Scharfes Essen soll in geringem Umfang Endorphine, also Glückshormone, freisetzen.

Aber Vorsicht! Es kommt auf die Dosis an. Aufgrund der viralen "Hot Chip Challenge" auf Tiktok mussten mehrere Kinder und Jugendliche im vergangenen Jahr im Krankenhaus behandelt werden - auch in Deutschland. Nachdem sie laut Herstellerangaben den schärfsten Chip der Welt gegessen hatten, litten sie unter Atemnot, Magenschmerzen und Hautreizungen. Ein 14-Jähriger starb in den USA sogar infolge der Mutprobe.

Schärfe ist kein Geschmack - sondern Schmerz

Was man als "scharf" empfindet, hat mit Geschmack im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Schärfe stimuliert die Schmerzrezeptoren im Mund. Der Körper reagiert darauf mit Hitzegefühl, Schmerz - und im besten Fall mit einem kleinen Adrenalinkick.

Wie stark etwas brennt, wird in Scoville Heat Units (SHU) gemessen - benannt nach dem Chemiker Wilbur Scoville, der 1912 ein Verfahren zur Bestimmung der Schärfe entwickelte. Die Einheit gab ursprünglich an, wie viele Milliliter Wasser man benötigt, um die Konzentration so zu verdünnen, dass die Lösung gerade noch scharf schmeckt - je höher, desto schärfer also. Heute wird der Wert aber anhand der gemessenen Konzentration von Capsaicin bestimmt. Zum Vergleich:

  • Jalapeño-Chili: bis zu 8000 SHU

  • Habanero-Chili: bis zu 350.000 SHU

  • Carolina Reaper, eine der schärfsten Chilischoten der Welt: rund 2,2 Millionen SHU

Der Chip aus der Titok-Challenge wurde übrigens mit Carolina-Reaper-Pulver gewürzt.

Die unbedenkliche Menge

Diese extreme Schärfe ist ein Gesundheitsrisiko, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Bereits in der Vergangenheit seien nach extrem scharfen Speisen immer wieder "unerwünschte Wirkungen wie Schleimhautreizungen, Übelkeit, Erbrechen und Bluthochdruck" aufgetreten, so das BfR. Besonders gefährdet seien Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Kinder und Jugendliche.

Ganz auf scharfes Essen verzichten muss man deshalb aber nicht. Das BfR betont, dass "die orale Aufnahme von Chilifrüchten, scharf bis sehr scharf gewürzten Speisen und ihre Zubereitung nicht mit akut gesundheitsschädigenden Wirkungen verbunden sind". Bis zu fünf Milligramm Capsaicin pro Kilogramm Körpergewicht pro Mahlzeit seien laut den Fachleuten unproblematisch. Liegt die Konzentration höher, kann das zu den unerwünschten Nebenwirkungen, im Extremfall sogar zu Vergiftungserscheinungen führen.

Das Problem: Seinem Lieblings-Curry im Restaurant um die Ecke sieht man den exakten Capsaicin-Gehalt nicht an. Muss man aber auch nicht. Dem BfR zufolge erreichen gekochte Speisen in der Regel keine kritischen Werte. Aufpassen solle man eher bei Chilisoßen oder Extrakten, die mit extremer Schärfe werben. Sichere Zeichen, dass das Essen zu scharf ist, sind den Experten zufolge starke Schmerzen - eindeutige Alarmzeichen des Körpers.

Warum manche mehr Schärfe vertragen

Und was hilft, wenn der Mund doch mal brennt? Nicht das verlockend aussehende kühle Glas Wasser. "Das ist keine gute Idee, weil es nicht zielführend ist", sagt Karolin Höhl, Diplom-Ökotrophologin von der Dr. Rainer Wild-Stiftung, der dpa. Sie rät zu Milchprodukten wie Vollmilch, Joghurt oder Käse. Diese können das Brennen am besten lindern, da Capsaicin fettlöslich ist. Das bedeutet: Ist Fett im Spiel, kann sich der Stoff nicht mehr so gut an die Rezeptoren binden - die Schärfe wird erträglicher. Aber auch Brot kann helfen. Forschende der Hochschule Fulda fanden bereits 2014 heraus, dass Mascarpone auf ungetoastetem Toastbrot besonders effektiv hilft.

Dass nun einige Menschen mühelos ein scharfes Curry essen, während andere schon bei mildem Tabasco rot anlaufen, liegt nicht nur an der Genetik. Schärfe lässt sich trainieren: Wer häufig scharf isst, gewöhnt seine Schmerzrezeptoren daran. Die Rezeptoren werden weniger empfindlich. Somit wird die Schärfe weniger intensiv wahrgenommen.

Warum aber so viele Menschen scharfes Essen mögen, ist in der Wissenschaft immer noch ein Rätsel. Es gibt zwar zahlreiche Spekulationen, die von evolutionären, kulturellen und geografischen Faktoren bis hin zu medizinischen, biologischen und psychologischen Faktoren reichen. Eine wirkliche Erklärung gibt es bis heute nicht. Nur eins ist sicher und überraschend zugleich: Menschen sind nach derzeitigem Kenntnisstand die einzigen Lebewesen, die bewusst etwas essen, das so scharf ist, dass es ihnen Schmerzen bereitet - nur für den Genuss.

Quelle: ntv.de

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