"Frage von Leben und Tod" Deutlich mehr Tote nach jüngster Hitzewelle
09.07.2025, 06:59 Uhr Artikel anhören
Der vergangene Juni war der heißeste, der je in Westeuropa gemessen wurde.
(Foto: IMAGO/Anadolu Agency)
Ende Juni ächzen viele europäische Großstädte unter Extremwerten. Eine Studie zeigt nun: Wegen des Klimawandels war es dort teilweise bis zu vier Grad heißer - mit fatalen Folgen.
Bei der extremen Hitzewelle von Ende Juni bis Anfang Juli hat der Klimawandel die Zahl der Todesopfer in europäischen Großstädten einer Studie zufolge etwa verdreifacht. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach einer Analyse der Entwicklung in zwölf Großstädten, darunter Frankfurt, im Zeitraum vom 23. Juni bis 2. Juli. Damals kletterten die Temperaturen in vielen Städten auf Extremwerte von teils deutlich über 40 Grad Celsius.
Das Forschungsteam aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz schätzt die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in den zwölf Großstädten für den Zehn-Tage-Zeitraum auf insgesamt 2300. Etwa zwei Drittel davon, rund 1500, gehen demnach auf das Konto des Klimawandels. Ohne die Erderwärmung, die die Temperatur in den Städten demnach tagsüber um 1 bis 4 Grad zusätzlich steigerte, wären den Berechnungen der Gruppe zufolge in diesen Städten etwa 800 Menschen an Hitze gestorben.
"Für Tausende von Menschen kann ein Temperaturanstieg um nur zwei oder vier Grad eine Frage von Leben und Tod sein", sagte Garyfallos Konstantinoudis vom Imperial College London. Deshalb seien Hitzewellen als "stille Killer" bekannt. "Die meisten Todesfälle ereignen sich zu Hause oder in Krankenhäusern fernab der Öffentlichkeit und werden selten gemeldet."
Zehntausende zusätzliche Tote
Um den Einfluss des Klimawandels zu beurteilen, simulierten die Wissenschaftler die Intensität der Hitzewelle in einer Welt ohne den massiven Ausstoß von Treibhausgasen, der vor allem durch fossile Brennstoffe verursacht wird. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler mehrerer europäischer Forschungsinstitute betonten, dass es sich um eine Schätzung handle. Bis zu einer offiziellen Bilanz der jüngsten Hitzewelle wird es voraussichtlich mehrere Wochen dauern. In den vergangenen Sommern hatten Hitzewellen bereits Zehntausende vorzeitige Todesfälle verursacht.
Unter der jüngsten Hitzewelle litten demnach besonders verletzliche Gruppen, wie etwa Menschen mit Vorerkrankungen. 88 Prozent der geschätzten Todesfälle entfielen auf die Altersgruppe ab 65 Jahren, berichtet das Team. Demnach verursachen Hitzewellen wesentlich mehr Todesfälle als andere Naturkatastrophen. Zum Vergleich: Bei den Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia kamen demnach im vergangenen Jahr 224 Menschen ums Leben, bei den Flutkatastrophen 2021, darunter im Ahrtal, starben im nordwestlichen Europa 243 Menschen.
Die untersuchten zwölf Städte waren in unterschiedlichem Ausmaß von den Folgen der Hitzewelle betroffen. Demnach entfielen knapp 320 der durch den Klimawandel zusätzlich entstandenen Todesfälle auf Mailand, 286 auf Barcelona, 235 auf Paris und 171 auf London. In Frankfurt am Main liegt die Zahl mit 21 zusätzlichen Todesopfern vergleichsweise niedrig.
Heißester je gemessener Juni in Westeuropa
Unterdessen meldete das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, dass der vergangene Monat der heißeste Juni war, der je in Westeuropa gemessen wurde. Weltweit handelt es sich um den drittheißesten Juni überhaupt, wobei die bisherigen Höchstwerte aus den vergangenen beiden Jahren stammen.
Die internationale Gemeinschaft hat im Pariser Klimaabkommen von 2015 vereinbart, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Dabei gilt der Mittelwert in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Angesichts der anhaltenden Nutzung fossiler Energieträger wie Erdöl scheint diese Grenze nach Einschätzung vieler Fachleute kaum mehr einzuhalten zu sein.
Jedes Zehntelgrad Erwärmung hat weitreichende Folgen. Durch den fortschreitenden Klimawandel nehmen extreme Wetterphänomene wie Hitzeperioden, Stürme und Starkregen zu. Das Forscherteam betont, sich in der Studie auf Todesfälle konzentriert zu haben.
Zusätzlich gebe es weitere Folgen - von Krankenhauseinlieferungen, etwa von Menschen mit Asthma oder Lungenerkrankungen, über Schulschließungen bis hin zu Arbeitsausfällen, dem Abschalten von Atomkraftwerken und einer höheren Zahl an Flächenbränden aufgrund der durch die Hitze ausgedörrten Vegetation.
"Der einzige Weg, zu verhindern, dass Hitzewellen noch tödlicher werden, besteht darin, das Verbrennen fossiler Kraftstoffe zu stoppen", betont Co-Autorin Friederike Otto vom Imperial College London. Zudem gelte es, erneuerbare Energien auszubauen, Städte hitzeresistenter zu gestalten und die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu schützen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP