Skandal um Brustkrebs-Test Gutachter stellt Uni-Klinik übles Zeugnis aus
27.05.2019, 21:41 Uhr
Projektleiter Christof Sohn (r.) stellte einen Blut-Test vor, der Brustkrebs erkennen soll. Die "Weltsensation" ist inzwischen ein Skandal, der die Uniklinik Heidelberg schwer belastet.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Skandal an der Uni-Klinik Heidelberg um eine angebliche "Weltsensation" der Brustkrebs-Diagnostik weitet sich aus. Zweifel an der wissenschaftlichen Basis des Blut-Tests werden übertroffen: Ein Gutachter kommt jetzt zu dem Schluss, dass es gar keinen Test gab. Der Vorstand der Klinik könnte involviert sein.
Die Affäre um den Bluttest für Brustkrebs an der Uniklinik Heidelberg weitet sich aus. Eine interne Prüfung am Universitätsklinikum Heidelberg kommt laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) zu dem Ergebnis, dass der in Aussicht gestellte Test noch gar nicht existiert hat.
Die Uniklinik hatte öffentlich falsche Hoffnungen auf bessere Früherkennung bei Brustkrebs geweckt. Nach dem PR-Desaster um den viel zu früh und mit zu großen Versprechungen der Öffentlichkeit vorgestellten Brustkrebstest beauftragte der Vorstand der Universität den Heidelberger Tumorbiologen Magnus von Knebel Doeberitz, die "Umstände der Presseerklärung" zu prüfen.
In einem Schreiben an den Dekan der Medizinischen Fakultät, das der SZ vorliegt, stellte der Gutachter fest, "dass es das in der Pressemitteilung erwähnte Verfahren bisher nicht gibt". Es gebe noch nicht einmal einen Prototypen. "Somit können auch keinerlei Angaben zum diagnostischen Wert des avisierten, aber noch nicht vorhandenen Produktes gemacht werden", schrieb der Gutachter und zog das Fazit: "Vor diesem Hintergrund müssen die in der Pressemitteilung gemachten Angaben als nicht begründet angesehen werden."
Angebliche Weltsensation ohne wissenschaftliche Grundlage

PR-Bild der Uni Heidelberg: Ein paar Tropfen Blut sollten reichen.
(Foto: Universitätsklinikum Heidelberg)
Das Unternehmen Heiscreen, eine Ausgründung der Uniklinik, hatte im Februar einen neuen Brustkrebs-Bluttest vorgestellt. An dieser Firma sind Mitarbeiter des Krankenhauses finanziell beteiligt. In einer Pressemitteilung, die auch das Logo der Uniklinik trug, war von "einem Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik" die Rede. Die Markteinführung sei "noch in diesem Jahr geplant". Das Versprechen der Heidelberger Forscher zielte auf nicht weniger als eine "Weltsensation": Anhand von ein paar Tropfen Blut könne der neue Test feststellen, ob eine Frau an Brustkrebs leidet, verkündete ein Team rund um Projektleiter Christof Sohn auf einer Pressekonferenz und in einem Bericht in der "Bild"-Zeitung.
Bereits im März musste die Uniklinik Heidelberg jedoch einräumen, dass es an einer wissenschaftlich anerkannten Grundlage für diese Behauptungen gefehlt habe. Auch Interessenkonflikte bei den beteiligten Forschern und der Verdacht, dass die großsprecherische Ankündigung vor allem ökonomische Gründe hatte, standen im Raum. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Insiderhandel und der Börsenmanipulation. Die Innenrevision des Klinikums schaltete sich ebenfalls ein und wurde laut "Süddeutscher Zeitung" fündig.
Vorstand der Uniklinik ignoriert Warnungen
Nach internen Unterlagen, auf die sich die SZ beruft, könnte der gesamte Vorstand des Heidelberger Universitätsklinikums in den Skandal verstrickt sein. So habe es der Vorstand dem Bericht zufolge versäumt, die wissenschaftliche Basis der angeblichen Weltsensation vor der Pressekonferenz zu prüfen. Dabei habe es an Warnungen nicht gemangelt.
Vor allem die Pressesprecherin des Universitätsklinikums habe vor der PR-Aktion immer wieder Bedenken geäußert, berichtet die Zeitung mit Verweis auf einen internen Briefwechsel. "So langsam bekomme ich Bauchschmerzen", schrieb sie drei Tage vor der Pressekonferenz. Immer wieder machte sie auf mögliche Probleme aufmerksam. Mal schrieb sie von einer "brisanten Situation", mal warnte sie, es würden "weitreichende Aussagen in einem kritischen Journalistenumfeld" gemacht, obwohl "Daten und Validität" des Tests "noch nicht ganz klar" seien. Zwei Tage vor der Pressekonferenz fragte sie in einer Mail an alle Vorstandsmitglieder noch einmal mahnend, "wie weitgehend man sich äußern möchte".
Bislang basiert die Früherkennung von Brustkrebs in der Hauptsache auf regelmäßigem Abtasten und dem Mammographie-Screening, einer Röntgenuntersuchung der Brust. Brustkrebs ist laut Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch-Instituts mit rund 69.000 Neuerkrankungen jährlich die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Nach den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts starben im Jahr 2016 bundesweit 18.570 Frauen an Brustkrebs.
Quelle: ntv.de, mau