"Vlad der Pfähler" Hat Graf Dracula blutige Tränen geweint?
22.08.2023, 16:23 Uhr Artikel anhören
Christopher Lee spielt Dracula in dem Streifen "Dracula - Nächte des Entsetzens" von 1970. Der Hauptdarsteller hat blutunterlaufene Augen.
(Foto: IFTN UnitedArchives 11832)
Auf der Suche nach biologischen Spuren werden Forschende bei Briefen des berüchtigten Graf Vlad III. fündig. Auf den gut erhaltenen Schriftstücken, die der für seine Brutalität bekannte Herrscher geschrieben hat, gibt es nicht nur Hinweise auf Blut, das aus seinen Augen stammen könnte.
Forschende haben mehrere Briefe auf biologische Spuren untersucht, die der berüchtigte Graf Vlad III. vor mehr als 500 Jahren geschrieben hat. Der Herrscher, der den Beinamen Drăculea trug, wurde auch als "Vlad der Pfähler" bezeichnet. Seinen furchterregenden Ruf, der über die Landesgrenzen hinausging, hing mit der Rücksichtlosigkeit und Grausamkeit des Fürsten zusammen. Der Graf wird von Historikern mit dem Tod von mehr als 80.000 Menschen in Verbindung gebracht. Viele seiner Opfer, darunter auch Kinder, wurden durch Pfählung getötet. Die Gräueltaten und sein Name inspirierten den irischen Schriftsteller Bram Stoker zu seinem Vampir-Roman Dracula.
Bei der Untersuchung fanden die Forscher und Forscherinnen Proteinbestandteile, die darauf hindeuten, dass der rumänische Fürst Blut in seinen Tränen gehabt haben könnte. "Er litt wahrscheinlich, zumindest in den letzten Jahren seines Lebens, an einer Erkrankung namens Hämolacria. Das heißt, er konnte mit Blut vermischte Tränen vergießen", wird Professor Vincenzo Cunsolo, der an der Universität Catania in Italien arbeitet, unter anderem von der britischen "Daily Mail" zitiert.
Bei Hämolacria handelt es sich um eine gesundheitliche Störung, bei der es den Anschein hat, dass Menschen aus den Augen bluten. Solche Tränen, die allerdings nur teilweise aus Blut bestehen, können vor allem durch Infektionen wie Bindehautentzündungen oder Verletzungen hervorgerufen werden. Bei erwachsenen Frauen sind auch hormonbedingte Auslöser für Hämolacria bekannt. Manchmal ist Blut in der Tränenflüssigkeit auch ein Hinweis auf Tumore in diesem Bereich. Fachleute vermuten, dass auch extremer Stress oder psychische Erkrankungen eine Rolle spielen könnten. In einigen Fällen können Mediziner und Medizinerinnen bei Menschen mit Hämolacria aber keine Ursache dafür ausmachen.

Zu sehen ist der Brief vom 4. August 1475 während der verschiedenen Analyseverfahren.
(Foto: Analytical Chemistry 2023)
Mehrere Spuren, verschiedene Interpretationen
Das Forschungsteam um Maria Pittala und Vincenzo Cunsolo von der Universität Catania in Italien untersuchte mit speziellen Techniken drei Briefe von Graf Vlad III. Dafür klebten sie zuerst eine Folie aus einem bestimmten Kunststoff auf die Oberfläche der Blätter. Diese sogenannte EVA-Folie hat die Eigenschaft, Proteine und Peptide, also spezielle Eiweiße, zu binden. In einem nächsten Schritt wurden die so gewonnenen Moleküle mittels Massenspektrometrie bestimmt und zugeordnet.

Der kolorierte Holzschnitt aus dem 15. Jahrhundert zeigt Fürst Vlad III., genannt "Dracula". Der für seine Grausamkeit bekannte rumänische Fürst diente dem irischen Schriftsteller Bram Stoker als historische Vorlage für seinen berühmten Vampir-Roman, der 1897 zum ersten Mal veröffentlicht und seitdem unzählige Male verfilmt wurde.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Auf zwei Schriftstücken, die der Fürst 1457 und 1475 an die Regierenden der rumänischen Stadt Sibiu ge- und unterschrieben hatte, stellten die Forschenden insgesamt 575 verschiedene Proteinreste menschlichen Ursprungs fest. Da sich beim Briefeschreiben Hautschuppen, Schweiß oder andere Körperabsonderungen lösen, war die nächste Aufgabe herauszufinden, welche der gefundenen Proteine alt genug sind, um sie Vlad zuordnen zu können.
Das Team siebte mit speziellen Methoden die Proteine aus, die in ihrer chemischen Form die entsprechenden Alterserscheinungen aufwiesen. Von den 575 entdeckten Peptiden blieben dann nur 16 übrig, die von Graf Vlad III. stammen könnten. Drei der Peptide deuten auf Blut und Tränenflüssigkeit hin. Außer der blutigen Tränen könnte der Graf auch unter entzündlichen Prozessen der Atemwege gelitten haben. Denkbar ist auch, dass es sich um eine Entzündung der Haut oder um beides gehandelt hat.
Abgleich mit historischen Schriften
Auch die Hinweise auf eine Hämolacria würden zu historischen Berichten passen, nach denen Vlad III. unter dieser Störung gelitten haben soll. Allerdings befanden sich die biologischen Hinweise nur auf den beiden älteren Briefen von Vlad. Der Grund dafür konnte von den Fachleuten nicht geklärt werden.
Neben den menschlichen Hinterlassenschaften auf den Briefen hat das Forschungsteam auch Proteine von Bakterien und Viren ausgemacht, darunter die Bruchstücke des Pesterregers Yersinia pestis. Allerdings gibt es weder historische Berichte noch andere Hinweise darauf, dass auch Graf Vlad III. selbst unter der Pest litt. Die Forschenden gehen vielmehr davon aus, dass der Pesterreger, der von 1347 bis 1352 rund 25 Millionen Menschen in Europa dahinraffte, mit Reisenden und Migranten in die damalige Walachei getragen wurde.
"Unserer Einschätzung nach ist dies das erste Mal, dass eine solche Forschung durchgeführt wurde und dazu beigetragen hat, den Gesundheitszustand von Vlad dem Pfähler ans Licht zu bringen", betont das Forschungsteam, dessen bisherige Ergebnisse im Fachmagazin "Analytical Chemistry" veröffentlicht wurden. Die Fachleute arbeiten an weiteren, auf den Briefen sichergestellten Molekülen, die sie bisher noch nicht analysiert und eingeordnet haben.
Quelle: ntv.de