Trumps Aussage unter der Lupe Verursacht Paracetamol wirklich Autismus?


Paracetamol ist eines der wenigen Mittel, die Schwangere bei Fieber und Schmerzen nehmen dürfen.
(Foto: IMAGO/Wirestock)
Millionen Schwangere nehmen Paracetamol, wenn Fieber oder Schmerzen sie plagen. Laut US-Präsident Donald Trump könnte das aber riskant sein - er behauptet, das Medikament erhöhe das Autismus-Risiko beim Kind. Hersteller und Experten sind entrüstet. Doch was sagt die Forschung?
"Ich möchte es ganz offen sagen: Nehmen Sie kein Tylenol." Mit dieser Aussage sorgt US-Präsident Donald Trump für Aufsehen. Er behauptet, dass die Einnahme von Paracetamol, das in den USA als Tylenol bekannt ist, während der Schwangerschaft Autismus beim Kind auslösen könne - und ruft damit nicht nur Hersteller und Experten auf die Barrikaden, sondern verunsichert viele werdende Eltern. Schließlich sind Schmerz- und Fieberschübe in der Schwangerschaft keine Seltenheit und Paracetamol gilt seit Jahrzehnten als eines der wenigen sicheren Mittel. Doch wie sicher ist das Medikament wirklich?
Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst wichtig zu verstehen, wie Autismus überhaupt entsteht. Die Forschung hat gezeigt, dass die neurologische Entwicklungsstörung in erster Linie genetisch bedingt ist. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten inzwischen mehrere Hundert Gene, die dabei eine Rolle spielen - sie steuern unter anderem, wie Nervenzellen wachsen und miteinander vernetzt werden. Kommen noch diverse Umwelteinflüsse oder bestimmte Komplikationen in der Schwangerschaft hinzu, steigt laut Studien das Autismus-Risiko.
Forschende gehen daher davon aus, dass die Entstehung von Autismus immer einer Kombination aus genetischen Faktoren und äußeren Einflüssen ist. Eine einzelne Ursache gibt es demnach nicht. Somit ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass Paracetamol allein Autismus auslöst.
Geschwister-Studie bringt eindeutiges Ergebnis
Nun können diese Risiko-Gene aber unbemerkt vererbt werden. Denn Eltern müssen nicht immer Anzeichen von Autismus zeigen, um die Störung ihren Kindern weiterzugeben. Wenn die werdende Mutter dann mit "toxischen Substanzen" in Berührung komme, sei das Risiko erhöht, sagt Kinder- und Jugendpsychiaterin Christine Freitag vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main dem ZDF. Zu "toxischen Substanzen" zählen dabei Feinstaub, Pestizide, aber auch bestimmte Medikamente. Und tatsächlich gibt es mehrere Untersuchungen und Meta-Studien, die nahelegen, dass ein langanhaltender oder hoher Gebrauch von Paracetamol während der Schwangerschaft die normale Entwicklung des Nervensystems beim Kind beeinflussen könnte.
Entscheidend ist hierbei aber: Die Ergebnisse zeigen Korrelationen und keine Kausalitäten, wie die Studienautoren selbst betonen. Das bedeutet, dass Kinder von Müttern, die Paracetamol genommen haben, zwar häufiger mit Autismus und ADHS diagnostiziert wurden. Sie beweisen aber nicht, dass das Schmerzmittel an sich die Ursache war. Stattdessen könnten unter anderem Schmerz oder Fieber - weswegen Paracetamol überhaupt erst eingenommen wurde - der eigentliche Grund sein. Schließlich zählen auch Infektionen und Entzündungen zu den Autismus-Risiken.
Eine der wichtigsten Studien stammt aus Schweden und wurde vergangenes Jahr im renommierten Fachjournal "Jama Network" veröffentlicht. Die Forschenden verglichen mehr als eine Million Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft Paracetamol nutzten, mit ihren nicht exponierten Geschwistern. So sollten familiäre und genetische Einflussfaktoren kontrolliert werden. Das Ergebnis: In dieser Geschwister-Analyse zeigte sich kein erhöhtes Risiko für Autismus, ADHS oder eine Intelligenzminderung durch die Einnahme von Paracetamol.
Trump rät Schwangeren zum Aushalten
Trumps Warnung vor Paracetamol stößt bei Fachleuten daher auf Kritik. So bezeichnete der amerikanische Gynäkologen-Fachverband seine Aussage als "verantwortungslos". Diese sendete eine schädliche und verwirrende Botschaft an Schwangere. Trump hatte mehrmals betont, dass es "keine Nachteile" gebe, wenn man Paracetamol nicht einnehme. Und er ermahnte schwangere Frauen, das Schmerzmittel nur einzunehmen, wenn sie das hohe Fieber "nicht aushalten können".
Eine gefährliche Botschaft, mahnt die Society for Maternal-Fetal Medicine. Die Organisation erklärt in einer Mitteilung, dass unbehandeltes Fieber in der Schwangerschaft, insbesondere im ersten Trimester, das Risiko für Fehlgeburten, Frühgeburten und andere Komplikationen erhöht.
Dennoch: Wie die meisten Medikamente ist auch Paracetamol laut Experten beim unsachgemäßen Einsatz nicht gänzlich ungefährlich. Bei einer Überdosierung etwa können schwere Leberschäden auftreten. Psychiaterin Freitag rät daher im ZDF: "Es ist grundsätzlich ein guter Ratschlag an Schwangere, nicht zu viele Schmerzmittel zu nehmen - auch wegen der Folgen für den eigenen Körper."
Viele frei verkäufliche Schmerzmedikamente dürfen in der Schwangerschaft ohnehin nicht oder nur in bestimmten Phasen eingenommen werden, warnt auch das Gesundheitsportal der Bundesregierung. Das gilt zum Beispiel für Ibuprofen, da eine Einnahme ab der 28. Schwangerschaftswoche zu Schädigungen der Nierenfunktion und zu Herzfehlbildungen führen kann. Paracetamol ist dagegen bei leichten bis mittelstarken Schmerzen sowie Fieber in der gesamten Schwangerschaft erlaubt. Dennoch wird Schwangeren geraten, insbesondere bei einer längeren Einnahme unbedingt ärztlichen Rat einzuholen.
Quelle: ntv.de