Was dafür nötig istKann der Iran schon eine Atombombe bauen?
Von Kai Stoppel
Der Konflikt um das iranische Atomprogramm spitzt sich weiter zu. Das Land verkündet, Uran höher angereichert zu haben, als das Abkommen von 2015 ihm zugesteht. Die Sorge geht um, der Iran könnte weitere Schritte zum Bau einer Atombombe unternehmen. Aber ist das wirklich so einfach?
Erneut verstößt der Iran gegen Atomabkommen. Wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) Anfang der Woche bestätigt, hat das Land den erlaubten Grad von 3,67 Prozent überschritten. Die iranische Atombehörde hatte selbst mitgeteilt, als Reaktion auf Sanktionen der USA einen Anreicherungsgrad von mindestens 4,5 Prozent erreicht zu haben. Wie nah kommt der Iran damit dem Bau von Atomwaffen? Und welcher technische Prozess steckt dahinter?
Nach dem Abbau in einem Bergwerk verfügt Uranerz über etwa ein Prozent Uranoxid. Um an dieses zu gelangen, muss es erstmal chemisch aus dem Erz gelöst werden, wozu meist starke Säuren eingesetzt werden. Heraus kommt dabei das sogenannte Yellowcake, ein gelbes Puder, dessen Uranoxid-Anteil bei etwa 80 Prozent liegt.
Doch Uran ist nicht gleich Uran - für eine Kernspaltung in Kraftwerken oder in Atomwaffen ist nur das Isotop Uran-235 interessant. Im Unterschied zum Isotop Uran-238 ist es jedoch selten und macht nur etwa 0,7 Prozent des natürlich vorkommenden Urans aus. Damit das Schwermetall für die Energiegewinnung oder den Einsatz in Kernwaffen geeignet ist, muss es daher angereichert werden.
Zentrifugen sind der Schlüssel
Das Yellowcake wird dafür in ein Gas mit dem Namen Hexafluorid umgewandelt und durch Zentrifugen gepumpt. Diese drehen sich so schnell, dass sich in ihnen das schwerere Uran-238 vom leichteren Uran-235 trennen lässt. Da die Geräte miteinander verkettet sind, steigt von Zentrifuge zu Zentrifuge der Uran-235-Gehalt des Gases an. Das für Kernreaktoren benötigte Uran muss einen Anteil von etwa vier Prozent Uran-235 aufweisen. Für den Einsatz als Atomwaffe hingegen müssen es sogar 90 Prozent sein. Dem Iran ist es laut dem Atomabkommen bisher nur gestattet, sein Uran bis auf 3,67 Prozent Uran-235-Gehalt anzureichern.
Was bedeutet der Bau einer Kernwaffe an Herausforderungen für den Iran? Laut einem Bericht des "Guardian" gibt es keine technischen Hindernisse, welche den Iran davon abhalten würden, Uran auf bis zu 90 Prozent anzureichern. Bereits in der Vergangenheit hat der Iran sein Uran auf bis zu 20 Prozent Uran-235-Anteil angereichert. Rein theoretisch lassen sich damit bereits Atomwaffen bauen - allerdings wären diese sehr groß und schwer und damit kaum einsetzbar.
Der schwierigste Teil bei der Anreicherung ist laut dem "Guardian"-Bericht die Stufe von 0,7 auf 4 Prozent - danach wird es immer einfacher, immer höhere Anreicherungsgrade zu erzielen. Der Grund dafür ist, dass bei höherem Anreicherungsgrad weniger Material bewegt werden muss. Sind für den ersten Schritt von 0,7 bis 4 Prozent noch 5000 Zentrifugen nötig, reichen ab da bis zu 20 Prozent schon 1500 Zentrifugen aus. Bis zu einem Grad von 90 Prozent sind dann nur noch einige hundert Zentrifugen notwendig. Der Iran verfügt über etwa 20.000 Zentrifugen. Davon sind nach dem Atomabkommen allerdings nur noch etwa 6000 in Betrieb. Der Rest ist eingelagert, was von der IAEA kontrolliert wird.
Iran könnte mehr als ein Jahr benötigen
Doch wie schnell könnte der Iran anreichern? Das Abkommen von 2015 gesteht dem Iran einen Vorrat von 300 Kilogramm niedrig angereichertem Uran mit einem Anteil von 3,67 Prozent Uran-235 zu. Nach eigenen Angaben hat das Land diese Grenze Anfang Juli bereits überschritten. Für den Bau einer Bombe würde der Iran jedoch 1050 Kilogramm benötigen, berichtet das Magazin "Foreign Policy" mit Verweis auf den US-Rüstungsexperten Joseph Cirincione.
Für einen Sprengkopf benötigt der Iran laut Cirincione etwa 25 Kilogramm Uran, das auf 90 Prozent angereichert ist. Nach Aussagen anderer Experten würde das Land etwa ein Jahr allein für die Anreicherung benötigen. Dann muss allerdings noch eine Bombe aus dem Material gebaut werden. Dies könnte nochmal mehrere Monate oder sogar ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen.
Im vergangenen Jahr kamen jedoch Berichte über ein - laut Israel möglicherweise noch laufendes - iranisches "Projekt Amad" zum Bau eines Atomsprengkopfs an die Öffentlichkeit. Zuletzt soll im Jahr 2003 das Land an entsprechenden Anlagen gebaut haben. Diese könnten bis heute heimlich weiter- oder im Fall der Fälle schnell neu aufgebaut werden, gibt Olli Heinonen, ehemaliger Chefinspektor der IAEA, gegenüber "Foreign Policy" zu bedenken. Das würde die Zeit für den Bombenbau noch einmal verkürzen.