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Impfung mit Parasiten Können diese Würmer vor Diabetes schützen?

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Die Darstellung symbolisiert Rundwürmer. Necator americanus zählt zu den Spulwürmern, auch Nematoden genannt.

Die Darstellung symbolisiert Rundwürmer. Necator americanus zählt zu den Spulwürmern, auch Nematoden genannt.

(Foto: imago images/Science Photo Library)

Die Vorstellung, sich mit einem Wurm zu infizieren, ist alles andere als schön. Doch Forschende machen genau das mit Freiwilligen, die ein erhöhtes Diabetes-Risiko haben. Können die Würmer die Krankheit verhindern? Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.

Eine Infektion mit dem Hakenwurm Necator americanus kann nicht nur die Stoffwechselgesundheit erhöhen, sondern auch das Diabetes-Typ-2-Risiko senken. Das hat ein Forschungsteam der James Cook University in Cairns, Australien mit einer Untersuchung an Freiwilligen herausgefunden. Gleichzeitig warnen die Forschenden um die Molekularbiologin Doris Pierce vor absichtlich herbeigeführten Infektionen mit den Parasiten.

Eine Infektion mit Hakenwürmern dieser Art kann äußerst unangenehm sein und zu vielfältigen Symptomen wie Bauchschmerzen, Krämpfen oder Durchfall führen. Wird die Infektion nicht erkannt oder über einen längeren Zeitraum nicht bekämpft, kann es zu Gewichtsverlust kommen, der bis zur Magersucht führt. Zudem kann eine hohe Parasitenlast zu Eisenmangel führen. Vor allem bei Kleinkindern kann der Eisenmangel physische und psychische Entwicklungsstörungen nach sich ziehen.

Forschende impfen Freiwillige

Aus diesen Gründen wird von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen normalerweise nach wirksamen Mitteln zur Bekämpfung von Wurminfektionen bei Menschen gesucht. Für die Untersuchung in Australien gingen die Forschenden nun andere Wege: Sie teilten die Studienteilnehmer zunächst in zwei Gruppen auf. Die Personen der ersten Gruppe wurde mit 20 oder 40 Larven des Wurmes Necator americanus behandelt. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von geimpft. Die zweite Gruppe bekam als Kontrollgruppe ein Placebo. Weder die Studienteilnehmenden noch die Forscher wussten, welche Behandlung wem gegeben wurde.

In früheren Untersuchungen konnte bereits festgestellt werden, dass in Regionen, in denen viele mit Hakenwürmern infiziert sind, insgesamt weniger Stoffwechselkrankheiten auftreten. Gleichzeitig gibt es wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Entwurmungen bei Personen zu einem Anstieg von Insulinresistenzen führen könnten. Die erfolgreichen Ausrottungen von parasitären Würmern bei Menschen in Industrieländern könnte mit einem Anstieg von Stoffwechselerkrankungen, wie Diabetes Typ 2 und Entzündungen zusammenhängen, so die These des Forschungsteams.

Weltweit erste Untersuchung dieser Art

Für die Studie wurden insgesamt 40 freiwillige Männer und Frauen rekrutiert, die bereits ein Risiko für eine Stoffwechselerkrankung wie beispielsweise Diabetes Typ 2 in Form einer Insulinresistenz oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung hatten. Die Untersuchung, die laut den Forschenden die weltweit erste Studie dieser Art war, ging über insgesamt 24 Monate. Während dieses Zeitraums mussten sich die Probanden und Probandinnen aus Sicherheitsgründen regelmäßigen körperlichen und geistigen Gesundheitschecks unterziehen. Gleichzeitig wurden die Werte zur Bewertung der Insulinresistenz erhoben.

Von den 40 Erwachsenen zu Studienbeginn waren 24 bis zum Ende der Untersuchung dabei. 16 mussten aus verschiedenen Gründen ausscheiden, dazu gehörten auch leichte bis mittelschwere Darmprobleme, die durch die Hakenwurminfektionen auftraten. Einige der wurmgeimpften Personen berichteten von Blähungen, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung oder Durchfall. Die Symptome waren jedoch beherrschbar. Nur drei Personen schieden wegen Unwohlsein aus.

Erste messbare Erfolge nach einem Jahr

Bereits nach 12 Monaten sahen die Forscherinnen und Forscher erhebliche Vorteile für den Stoffwechsel vor allem bei denjenigen, die mit 20 Larven geimpft worden waren. Das Insulinresistenzniveau in dieser Gruppe normalisierte sich und lag wieder in einem Bereich, der als gesund gilt. Bei denen, die 40 Hakenwurm-Larven bekommen hatten, sank der Wert hingegen nur minimal. In der Placebo-Gruppe stieg der Wert zur Bewertung der Insulinresistenz an.

Doch die Hakenwürmer scheinen nicht nur Stoffwechselwerte verbessern zu können, sondern auch die Laune. Insgesamt gaben die Personen in dieser Gruppe öfter an, guter Stimmung zu sein, als die Studienteilnehmer in der Placebo-Gruppe. "Das war auch eine interessante Beobachtung, wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Untersuchung während der ersten Wellen der Covid-19-Pandemie stattfand. Ich denke, dass es an sich schon bemerkenswert war, eine Verbesserung der Stimmung zu sehen", sagte Pierce laut Mitteilung der Universität.

Studienteilnehmende behalten Würmer

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Die Probanden und Probandinnen hatten nach zwei Jahren die Wahl: Sie konnten das ihnen angebotene Entwurmungsmittel nehmen oder weitere 12 Monate an der Studie teilnehmen. Alle bis auf einen der Infizierten beschlossen, ihre Würmer zu behalten. Die Hoffnung vieler Studienteilnehmer auf die Reduktion des Körpergewichts bewahrheitete sich jedoch nicht.

Die Studienergebnisse, die im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlicht wurden, geben Hinweise darauf, dass Hakenwürmer zur Stoffwechselgesundheit bei Menschen beitragen können. "Stoffwechselkrankheiten sind durch entzündliche Immunreaktionen gekennzeichnet und frühere Studien haben gezeigt, dass Hakenwürmer Proteine in ihren Wirt abgeben, um das Immunsystem zu kontrollieren und ihr Überleben zu sichern", sagte Pierce. Die Forschenden wollen in weiteren Untersuchungen herausfinden, welche das sind. Denkbar ist, dass diese als Grundlage zur Prävention für Menschen mit hohem Diabetes-Typ-2-Risiko dienen könnten.

Quelle: ntv.de

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