Außergewöhnlich nasser Herbst Deutschland versinkt nach der Dürre im Regen
22.11.2023, 21:45 Uhr Artikel anhören
Hochwasser am Rhein, hier bei Köln: "Die Böden sind durchnässt."
(Foto: picture alliance / Daniel Kalker)
Die Niederschläge der vergangenen Wochen katapultieren Deutschland aus der Dürrephase ins Hochwasserrisiko. Schon jetzt liegen die Regenmengen über dem langjährigen Mittel, wie aktuelle Daten zeigen. Wird 2023 ein Rekordjahr?
Trübe Regenwolken, ein Tief jagt das nächste: Deutschland versinkt im Herbst 2023 in einer ungewöhnlich ergiebigen Nässeperiode. Nach den Dürren der vergangenen Jahre wären Niederschläge eigentlich willkommen. Die anfallenden Mengen bereiten in einzelnen Regionen jedoch bereits ernste Probleme.
Im Westen und Süden zum Beispiel sind die Folgen längst nicht mehr zu übersehen: Auf Feldern und Wiesen staut sich die Nässe zu Pfützen, in Bächen und Flüssen steigen die Pegel deutlich an. Einzelne Gebiete am Rhein, an der Aller und an der Donau melden eine angespannte Hochwasserlage.
Die überwiegende Mehrheit der Wetterstation verzeichnete im laufenden Jahr bis November bereits deutlich mehr Niederschläge als üblich: Einzelne Stationen liegen sogar weit über dem langjährigen Mittel, wie die Deutschland-Karte der bisher gemessenen Regenmengen zeigt.
Auch im bundesweiten Schnitt bewegen sich die Regenmengen über dem mehrjährigen Durchschnitt. In der Niederschlagsbilanz hat Deutschland die Regenquote des Jahres bereits überschritten. Bis Mitte November waren es laut Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) über alle Regionen hinweg im Schnitt 788,9 Liter pro Quadratmeter. Das ist schon jetzt mehr, als im langjährigen Mittel der Jahre 1961 bis 1990 zu erwarten gewesen wäre - und dabei stehen bis zum Jahresende noch gut fünf potenziell niederschlagsreiche Wochen an.
Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 waren im deutschen Gebietsmittel nur 669,1 Liter je Quadratmeter gefallen. Im Jahr davor waren es 801,1 Liter. Den langjährigen Durchschnitt wird in den DWD-Daten für Deutschland mit 788,9 Litern angegeben. Das bislang regenreichste Jahr der jüngeren Vergangenheit war 2002: Damals kamen laut DWD bundesweit im Schnitt 1018,1 Liter an Niederschlägen vom Himmel.
Aktuell erreichen Wetterstationen im Süden die vorderen Ränge bei den Regenmengen. Das bayerische Balderschwang zum Beispiel registrierte bislang knapp 2500 Liter. Da es dort aber generell viel regnet, entspricht es ziemlich exakt der üblichen Niederschlagsmenge.
Wesentlich bescheidener ist die Ausbeute im trockenen Quedlinburg in Sachsen-Anhalt mit 650 Litern. Die vergleichsweise niedrige Menge ist nicht verwunderlich: Die Welterbestadt liegt im sogenannten Regenschatten des Harzes. Trotzdem verzeichnet die örtliche Wetterstation aktuell 60 Prozent mehr Regen als im Mittel und damit die bundesweit größte Abweichung von der "normalen" Jahressumme.
Ergiebige Regenfälle erreichen auch das europäische Ausland, wie Daten von der Südseite der Alpen belegen. Der Gardasee, der mit Abstand größte natürliche Süßwasserspeicher der Region, verzeichnet nach der Dürre des Sommers wieder steigende Pegelstände. Aktuell ist der See sogar bereits besser gefüllt als in den Vorjahren.
Saarland nassestes Bundesland, Regen auch in den Alpen
In Deutschland erleben mehrere Bundesländer einen außergewöhnlich feuchten Herbst. Auch wenn es in den letzten Jahren im Südwesten wiederholt ziemlich trocken war, so zeigte gerade die letzten Wochen, welche Wassermassen in manchen Regionen vom Himmel kommen können. In Teilen Baden-Württembergs waren es in den ersten zwei Novemberdritteln zum Teil schon rund 450 Liter Regen je Quadratmeter.
Den Titel für das nasseste Bundesland kann momentan allerdings das Saarland tragen. Hier fielen im Flächenmittel bis jetzt über 1000 Liter Regen je Quadratmeter. Ebenfalls weit vorn im Rennen liegt Nordrhein-Westfalen mit fast 1000 Litern. Gleichzeitig ist damit ebenfalls klar, dass Deutschland seit 2017 endlich mal wieder eine satte Ausbeute an Niederschlägen einfahren kann.
Nicht alles erreicht den Erdboden in Form von Regen. "In den Bergen bleibt ein Teil der Niederschläge als Schnee liegen", erklärt ntv-Meteorologe Björn Alexander. Das Wasser ist dort für längere Zeit gebunden, was den vom Hochwasser bedrohten Regionen eine gewisse Erleichterung verschaffen kann.
"In Sachen Hochwasser darf aber nicht mehr allzu viel passieren", warnt Björn Alexander. "Die Böden sind durchnässt, die oberen Schichten können kaum noch nennenswerte Mengen aufnehmen." In den tieferen Lagen werden die Niederschläge der kommenden Wochen damit größtenteils oberirdisch abfließen - die Hochwasser-Risiken steigen.
Insgesamt haben die Regenfälle jedoch durchaus gute Seiten, wie der Blick auf die Niederschlagssummen der vergangenen Jahre zeigt. Die ausgeprägten Dürreperioden und das extrem niederschlagsarme Jahr 2018 haben den bundesdeutschen Wasserhaushalt aus dem Gleichgewicht gebracht. Im gleitenden Durchschnitt liegen die Regenmengen der vergangenen zehn Jahre noch weit unter dem langfristigen Mittel.
Kurz: In der Gesamtbilanz wäre noch sehr viel mehr Regen erforderlich, um Vegetation und Grundwasser wieder auf Kurs zu bringen. Heiße Sommer und Winter mit wenig Schnee haben spürbare Folgen: Es fehlt in der Natur an Wasser. Wälder und Äcker sind bis in die tieferen Bodenschichten ausgetrocknet. Der Untergrund wird Jahre brauchen, um wieder ausreichende Feuchtigkeit aufzubauen.
Wie viel Regen ist noch zu erwarten?
"Wenn wir auf die experimentellen Langfrist-Prognosen schauen, dann ergibt sich derzeit ein zweigeteiltes Bild", sagt der ntv-Meteorologe. "Die Berechnungen des amerikanischen Wetterdienstes NOAA prophezeien uns eine ebenfalls deutlich zu nassen Dezember." Demnach wäre in den kommenden Wochen nochmals mit Niederschlagsmengen von rund 90 bis 100 Liter zu rechnen.
Die Rekordmengen aus dem Jahr 2002 dürften demnach im landesweiten Schnitt nicht überschritten werden. Das europäische Wettermodell kommt zu ganz anderen Ergebnissen. Hier deuten die Vorhersagen auf einen trockeneren, aber auch vielfach frostigen Dezember hin.
Quelle: ntv.de