Schwere Covid-19-Verläufe Patienten fehlt Protein der Immunantwort
28.09.2020, 15:01 Uhr
Die schweren Verläufe sind noch immer rätselhaft.
(Foto: picture alliance/dpa)
Warum erkranken einige Patienten besonders schwer an Covid-19, andere kaum? Bei ihrer Suche nach Antworten auf diese Frage dringen Wissenschaftler bis tief ins menschliche Immunsystem vor. Dort finden sie bei den Schwererkrankten deutliche Auffälligkeiten.
Auf der Suche nach der Ursache für die zum Teil überraschend schweren Covid-19-Verläufe sind Wissenschaftler einen Schritt weiter gekommen. In zwei Studien, die im Fachmagazin "Science" veröffentlicht wurden, nehmen Forscher an, dass das Fehlen von Typ-I-Interferonen (IFN) die Ursache sein könnte. Dabei handelt es sich um Proteine, die von infizierten Zellen gebildet werden, um die Ausbreitung der jeweiligen Krankheitserreger zu stoppen. Sie sind Teil des angeborenen Immunsystems und reagieren im ersten Schritt auf Infektionen.
In einer Studie konnten US-Wissenschaftler zeigen, dass mehr als 10 Prozent aller schwer erkrankten Covid-19-Patienten Autoantikörper gegen Interferone im Blut hatten. Diese fehlgeleiteten Antikörper greifen dann nicht das Virus, sondern das Immunsystem selbst an. Die absolute Mehrheit der Patienten (94 Prozent) waren Männer, was auch die Geschlechterunterschiede bei den Erkrankungen erklären könnte.
In einer zweiten Studie wurden Patienten untersucht, die mit schweren Symptomen im Krankenhaus behandelt wurden. Bei ihnen wurden genetische Mutationen entdeckt, die ebenfalls die Wirkung der Typ-I-Interferone beeinträchtigen. Die Forscher hatten Blutproben von mehr als 650 Patienten mit schweren Symptomen sowie von 530 Patienten mit asymptomatischen oder gutartigen Infektionen untersucht.
Störungen in der Abwehr
Auf der Suche nach genetischen Unterschieden zwischen beiden Gruppen konzentrierten sie sich auf 13 Gene. Von diesen Genen ist bekannt, dass sie bei der körpereigenen Abwehr von Grippeviren eine Rolle spielen. Sie steuern dabei Typ-I-Interferone. Den besonders schwer erkrankten Patienten fehlt Typ-I-Interferon - entweder, weil es durch sogenannte Autoantikörper neutralisiert wurde, oder weil es wegen eines fehlerhaften Gens gar nicht erst ausreichend produziert wurde.
"Diese Ergebnisse liefern überzeugende Beweise dafür, dass die Störung des Typ-I-Interferons oft die Ursache für das lebensbedrohliche Covid-19 ist", wird der Leiter des St. Giles Laboratory of Human Genetics of Infectious Diseases an der Rockefeller University in New York, Jean-Laurent Casanova in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Er war an beiden Studien beteiligt. Bisher konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Autoantikörper eine Folge der Infektion sind.
Quelle: ntv.de, sba