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In der eisigen Tiefsee Rätsel um Oktopus-Massentreffen auf der Spur

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In der Tiefsee entdecken Meeresforscher ungewöhnlich viele Exemplare einer Oktopus-Art. Die Tiere finden sich zu Tausenden an hydrothermalen Quellen ein. Warum sie sich dort treffen und wieso dort keine mittelalten Tiere zu finden sind, dafür liefern die Fachleute nun Erklärungsansätze.

Vor der Küste Kaliforniens spielt sich auf dem Meeresboden ein spektakuläres Naturschauspiel ab: In etwa 3000 Metern Tiefe wandern Tausende Tiefsee-Oktopusse der Art Muusoctopus robustus durch eisige Gewässer zu hydrothermalen Quellen an den Hängen eines erloschenen Tiefseevulkans. Dort paaren sie sich, bringen ihren Nachwuchs zur Welt - und sterben dann. Der Oktopus-Garten - so die Bezeichnung des Areals nach dem gleichnamigen Beatles-Song - bildet die größte bekannte Krakenansammlung der Erde. Im Fachblatt "Science Advances" analysiert ein Forschungsteam um James Barry vom Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) das Phänomen.

Seit Jahrzehnten erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den mehr als 2000 Meter hohen Unterwasservulkan Davidson Seamount, dessen Gipfel noch gut 1200 Meter unter der Wasseroberfläche liegt. 2018 wurden an den Hängen des Vulkans - rund 130 Kilometer südwestlich der Küstenstadt Monterey gelegen - in etwa 3200 Metern Tiefe Tausende Oktopusse entdeckt.

Brütende Weibchen im warmen Wasser

Mithilfe von Forschungsexpeditionen und automatischen Kameras beobachtete das Team von März bis August 2022 das Verhalten der Tintenfische. Dabei wurden in einem 2,5 Hektar großen Gebiet 5718 Oktopusse gezählt, davon mehr als 4700 brütende Weibchen. Möglicherweise könnten sich in der Umgebung insgesamt sogar mehr als 20.000 Kraken aufhalten, vermutet das Team. Auffällig ist, dass keine mittelalten Tiere dort vorkommen.

Als Grund für die Ansammlung vermuten die Forscher die hydrothermalen Quellen, deren Wasser hier aus vielen Spalten aufsteigt. Dort erreicht das sonst 1,6 Grad kalte Wasser fast 11 Grad. Dies kurbele den Stoffwechsel der wechselwarmen Tiere an, beschleunige die Embryonalentwicklung und erhöhe damit den Fortpflanzungserfolg.

Ohne die zusätzliche Wärme brauche der Nachwuchs fünf bis acht Jahre zum Schlüpfen, schätzt das Team. "Wir zeigen, dass die Brutzeit der Weibchen ungefähr 1,8 Jahre beträgt, weitaus schneller als für Tiefsee-Oktopusse erwartet", schreibt die Gruppe. Dies erhöhe die Chancen, dass der Nachwuchs schlüpfe.

Keine Nahrung nach der Paarung

Die Weibchen suchen demnach einen warmen Nistplatz, um etwa 60 längliche Eier abzulegen. Während des Brütens bedecken sie ihre Eier mit ihrem Körper und schützen sie so etwa vor Fressfeinden. Während der Brutzeit leben sie von ihren Nährstoffreserven, aber auch die Männchen fressen nach der Paarung nicht mehr.

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Beide Geschlechter sterben schließlich - und bilden in der nährstoffarmen Umgebung die Nahrungsgrundlage für andere Tiefseebewohner wie Grenadierfische (Macrouridae), Bartmännchen (Ophidiidae) und Seeanemonen. Allein schon durch die hohe Anzahl der Oktopusse stellen sie einen beträchtlichen Teil des dortigen Nähstoffangebots.

Zwar sind mehrere weitere Krakenansammlungen bekannt - sowohl am Davidson Seamount als auch vor der Pazifikküste von Costa Rica. Sie sind jedoch alle deutlich kleiner als die in der Studie beschriebene Gruppe.

Quelle: ntv.de, Serhat Koçak, dpa

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