Inspiration aus der Tiefe Robotik-Forscher lernen von Seepferdchen
02.07.2015, 15:14 Uhr
Der Schwanz des Seepferdchens ist ein mechanisches Wunderwerk - konstruiert von der Natur.
(Foto: Sea Life dpa/lni)
Der Schwanz eines Seepferdchens ist sein wichtigstes Werkzeug - er ist extrem biegsam, robust und ein echtes Kuriosum. Der Grund: Seine quadratische Form. US-Forscher erhoffen sich von der Untersuchung des Schwanzes nun neue Impulse für die Robotik.
Dank seiner quadratischen Form ist der Schwanz eines Seepferdchens gut vor Verletzungen geschützt. Die Tiere können sich damit problemlos an Seegras oder Korallen festhalten. Wissenschaftler um Michael Porter von der Universität Clemson im US-Bundesstaat South Carolina hoffen nun, durch diese Merkmale neue Impulse für die Robotik, die Medizin und industrielle Anwendungen zu erhalten. Ihrem Bericht der Fachzeitschrift "Science" zufolge haben sie den Schwanz mit Teilen aus dem 3D-Drucker nachgebaut, um seine mechanischen Eigenschaften zu untersuchen.
"Fast alle Tierschwänze haben runde oder ovale Querschnitte - aber nicht der des Seepferdchens. Wir fragten uns, warum", erklärte Porter. Um die Frage zu beantworten, bauten die Forscher mithilfe einer Ingenieurssoftware sowohl den quadratischen Schwanz des Seepferdchens nach als auch eine hypothetische, runde Variante des Schwanzes, die nicht in der Natur vorkommt. Dann druckten sie die dreidimensionalen Teile aus, setzten sie zusammen und testeten sie.
Gut geschützt vor Feinden
Es zeigte sich, dass der Schwanz eines Seepferdchens aus einer innen liegenden Wirbelsäule mit dem empfindlichen Rückenmark und einem äußeren Knochenkanal besteht. Segmente mit jeweils vier L-förmigen Knochenplatten, die sich überlappen, bilden die charakteristische quadratische Form. Sie sind so miteinander verbunden, dass dennoch ein großer Bewegungsspielraum bleibt. Über stiftförmige Fortsätze ist die Wirbelsäule mit dem Knochenkanal verbunden, außerdem sorgen Muskeln und Kollagen für Halt.
Dieser Aufbau ermöglicht es dem Seepferdchen, seinen Schwanz zum Bauch hin um etwa 850 Grad zu winden, also mehr als zwei Umdrehungen zu machen. Zur Seite sind es immerhin 570 Grad, zum Rücken hin 290 Grad. Der Schwanz kann außerdem deutlich mehr Energie aufnehmen, bevor er bricht: Die Knochenplatten verschieben sich parallel zueinander und halten selbst dann noch, wenn er auf 60 Prozent seiner Größe zusammengedrückt wird. Schwänze mit runden Knochenplatten verformen sich hingegen und brechen deshalb leichter. Die eckige Form macht es also Fressfeinden schwerer, den Schwanz zu zerbeißen.
Inspiration für die Robotik
Darüber hinaus lassen sich die quadratischen Segmente den Forschern zufolge auch nicht so stark verdrehen wie die runden. Wenn der eckige Schwanz einmal verdreht ist, kehrt er in die ursprüngliche Position zurück, sobald der Druck nachlässt. Dass der quadratische Schwanz besser zum Festhalten geeignet ist, erkläre seine größere Kontaktfläche mit dem Untergrund.
"Die gegenwärtige Forschung im Bereich bioinspirierter Robotik wendet sich von strikt steifen Elementen hin zu weichen Aktoren, aber diese weichen Roboter sind anfälliger für Verletzungen", schreibt Miriam Ashley-Ross von der Wake Forest University in einem Kommentar zur Studie. Die Kombination aus mechanischer Stärke und Flexibilität, wie sie beim Seepferdchenschwanz existiere, sei deshalb für die Forschung reizvoll.
Quelle: ntv.de, Stefan Parsch, dpa