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Fragwürdiger Beauty-Trend Schlanker Hals durch "Barbie Botox"

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Margot Robbie spielt im "Barbie"-Film die "stereotype Barbie".

Margot Robbie spielt im "Barbie"-Film die "stereotype Barbie".

(Foto: picture alliance / Scott Garfitt/Invision/AP)

Ein schlanker Hals und gerade Schultern wie Barbie - Botox macht's möglich. Immer mehr junge Frauen jagen dem neuen Beauty-Trend hinterher. Die Behandlung ist nicht billig und auch nicht ungefährlich.

Die Welt ist im Barbie-Fieber. Der Barbie-Film von Greta Gerwig hat diesen Sommer den richtigen Nerv getroffen. Millionen Menschen haben sich ihn weltweit im Kino angesehen. Der Streifen hat die Marke von einer Milliarde Dollar geknackt. Barbie-Artikel aller Art boomen, pinkfarbener Barbiecore-Style und Barbie-blonde Haare sind nur einige wenige der Beauty-Trends. Viele Mädchen beeindruckt der Film so sehr, dass sie auch solch einen Körper haben wollen wie die ultraschlanke Puppe.

"Barbie Botox" heißt die neue, nicht ungefährliche Methode. Damit bekommt man einen optisch längeren Hals und geradere Schultern. In den sozialen Medien posten viele ihre Vorher-nachher-Bilder. Der Hashtag "Barbie Botox" wurde bei Tiktok bisher knapp elf Millionen Mal aufgerufen. Der Hashtag "Traptox", so wird die Behandlung auch genannt, verzeichnet sogar über 24 Millionen Aufrufe.

Bei der "Barbie Botox"-Behandlung wird Botulinumtoxin Typ A, kurz Botox, in den Trapezmuskel gespritzt. Dieser ist trapezförmig zwischen Schulter und Wirbelsäule aufgespannt. "Der Muskel verkürzt die Silhouette des Halses, vor allem, wenn er etwas trainiert ist", erklärt Dr. Helge Jens, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie an der Domhof-Klinik Aachen und Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) im ntv-Podcast "Wieder was gelernt".

"Wenn man im oberen Anteil, am seitlichen hinteren Hals des Trapeziusmuskels, Botox einspritzt, etwa 40 Einheiten pro Seite, dann schrumpft dieser Muskel dort oder ist weniger stark, weil er nicht mehr benutzt wird. Und damit wird der Hals optisch verlängert", erläutert Jens. Eine Einheit kostet 10 bis 15 Euro. Für die "Barbie-Botox"-Behandlung wird somit ein Gesamtpreis von mindestens rund 1000 Euro fällig.

Botox lähmt den Muskel

Bekannt ist Botox vor allem für die Behandlung von Falten. Im kosmetischen Bereich ist das Mittel zugelassen, um Falten im Gesicht zu glätten, wie die Glabellafalte - die "Zornesfalte" zwischen unseren Augenbrauen - und "Krähenfüße" in den Augenwinkeln. Alle anderen Behandlungen sind nicht zugelassen. Darunter fällt auch die "Barbie"-Methode.

Aber auch im medizinischen Bereich wird Botox schon länger genutzt. Unter anderem kann es Schlaganfall-Patienten helfen, spastische Muskelanspannungen zu lösen. Und es hilft auch bei chronischer Migräne. Dafür wird das Mittel in die Muskulatur an Stirn, Nacken und Schultern gespritzt.

Botox ist das stärkste natürlich vorkommende Gift der Welt. Das Protein wird aus einem Bakterium gewonnen, das Lebensmittelvergiftungen auslöst. Für das Medikament wird der Wirkstoff stark verdünnt. Er entspannt die Muskulatur. "Botox verhindert, dass die Nerven ihren Botenstoff, das Acetylcholin, an den Muskel weitergeben können. Wenn das Botox sich an diese Andockstelle des Muskels legt und das Acetylcholin nicht mehr an den Muskeln ansetzen kann, antwortet der Muskel nicht. Er ist praktisch gelähmt", weiß Jens.

"Kopf kann zur Seite kippen"

Der Effekt einer "Barbie Botox"-Behandlung hält etwa vier bis sechs Monate an, sagt Jens. Das Botox wird wieder abgebaut, der Muskel regeneriert sich. Wer weiterhin so aussehen will wie Barbie, muss sich das Mittel spätestens alle sechs Monate neu spritzen lassen.

Die Behandlung ist nicht ohne Risiko. Der Trapezmuskel ist dazu da, den Kopf, die Schultern und die Schulterblätter in verschiedene Richtungen zu bewegen. "Der Muskel hält den Kopf an der Seite", so der plastische Chirurg im "Wieder was gelernt"-Podcast. "Wenn Sie den schwächen, kann das durchaus dazu führen, dass man vor allem in der ersten Zeit den Kopf nicht mehr richtig aufrecht halten kann, oder er kann zur Seite kippen. Das ist schon eine deutliche Gefahr bei solchen Behandlungen." Zudem seien diese wenig erforscht und es existiere wenig wissenschaftliche Literatur.

Auch Nebenwirkungen wie Lähmungen sind möglich, wenn Botox nicht an der richtigen Stelle gespritzt wird, warnt Helge Jens.

Jeder Arzt darf Botox spritzen

Deutschland gehört zu den Ländern mit den meisten ästhetisch-plastischen Eingriffen auf der Welt. Mit über einer Million Schönheitsoperationen landet Deutschland 2021 laut der International Society of Aesthetic Plastic Surgery auf Platz fünf hinter den USA, Brasilien, Japan und Mexiko.

Am häufigsten werden hierzulande Faltenbehandlungen durchgeführt, Botox-Injektionen liegen an vierter Stelle. Solche Eingriffe sind vergangenes Jahr um die Hälfte zurückgegangen, sagt die DGÄPC, obwohl der Trend von Schönheitseingriffen insgesamt nach oben geht. Das heißt nicht unbedingt, dass diese weniger werden, sondern, dass sie weniger von Fachärzten durchgeführt werden. "Der Markt ist nicht reguliert", kritisiert Jens.

Gerade in sozialen Medien locken Beauty-Ketten mit Dumpingangeboten. Diese Eingriffe werden aber nicht statistisch erfasst. "Es gibt Beauty-Ketten, wo viele Ärzte ohne jegliche Facharztausbildung Botox spritzen", berichtet der Experte im Podcast. "Wenn man günstig an Botox herankommt, über graue Importe oder Internetwege, dann können Sie auch ganz andere Preise nehmen."

Immerhin ist der Botox-Markt sehr lukrativ. Bis 2030 wird er weltweit voraussichtlich auf rund elf Milliarden US-Dollar wachsen, ein Plus von rund drei Milliarden im Vergleich zu Zahlen aus diesem Jahr.

Training statt Spritzen

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Der Begriff "Schönheitschirurg" ist in Deutschland nicht geschützt. Ästhetische Behandlungen und entsprechend auch Botox-Injektionen dürfen zwar nur Ärzte mit einer Zulassung machen - die Fachrichtung ist aber egal, ob Zahnarzt, Urologe oder auch Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Die Facharztausbildung muss nicht einmal abgeschlossen sein. Das sieht Jens als "ein Riesenproblem" an.

Pro Jahr müssen laut DGÄPC etliche Schönheitsoperationen wiederholt werden, weil sie nicht optimal gelaufen sind oder teils schwerwiegende Folgen hatten, die Zahl liegt im mittleren dreistelligen Bereich.

Wer günstiger und mit weniger Risiko einen schlanken Hals wie Barbie haben möchte, braucht nicht unbedingt Spritzen: Bei einem verspannten Trapezmuskel empfehlen Physiotherapeuten Wärme, Massagen - und vor allem Bewegung.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige. Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

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Quelle: ntv.de

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