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Mondbildung hinterließ Spuren Schlummern im Erdinneren Reste eines fremden Himmelskörpers?

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Beim Zusammenstoß mit der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren könnten Reste des Protoplaneten Theia in den Erdmantel gedrungen sein.

Beim Zusammenstoß mit der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren könnten Reste des Protoplaneten Theia in den Erdmantel gedrungen sein.

(Foto: DENG HONGPING UND HANGZHOU SPHERE STUDIO)

Eine Studie liefert neue Belege dafür, dass der für die Mondbildung verantwortliche Protoplanet Theia bei seinem Einschlag vor 4,5 Milliarden Jahren im Erdinneren Spuren hinterlassen hat. Zwei Prozent der Erdmasse könnten von ihm stammen und unter anderem Auslöser der Plattentektonik sein.

Wo ist Theia geblieben? Eine neue Studie des Shanghai Astronomical Observatory (SHAO) erhärtet die Theorie, wonach Teile des Protoplaneten tief in das Erdinnere eingedrungen sein könnten, als er vor rund 4,5 Milliarden Jahren mit der Erde kollidierte, wodurch der Mond entstand.

Etwa zwei Prozent der Erdmasse könnten Reste von Theia sein und im unteren Erdmantel zwei gigantische Anomalien aus außergewöhnlich heißem und dichtem Magma bilden. Das außerirdische Material könnte sogar der Auslöser der Plattentektonik sein.

Woher stammt Theia?

Früher ging man davon aus, dass bei der Kollision kaum außerirdisches Material auf der Erde zurückblieb. Doch später zeigten Gesteinsanalysen, dass die Zusammensetzung von Erde und Mond große Gemeinsamkeiten aufweisen. Eine mögliche Erklärungen dafür wäre, dass der Trabant hauptsächlich aus herausgerissenem Erdmaterial besteht. Eine andere, dass Theia ein sogenannter chemischer Zwilling der Erde war, die in ihrem Ur-Zustand vor der Kollision auch als Gaia bezeichnet wird.

Die erste Möglichkeit wird durch Simulationen des einem Streifschuss ähnlichen Zusammenstoßes widerlegt. Die zweite Theorie ist unwahrscheinlich, da sie voraussetzt, dass Erde und Theia im gleichen Teil des Sonnensystems entstanden sind. Deutsche Wissenschaftler der Universität Münster konnten jedoch 2019 nachweisen, dass Theia aus dem äußeren Sonnensystem stammte. Der Protoplanet könnte demnach auch überwiegend aus Eis bestanden und bei dem Zusammenstoß einen Großteil des Wassers auf die Erde gebracht haben.

Schwerer und dichter als Mond- und Erdmantel

Wissenschaftler der University of New Mexico stellten dann 2020 bei einer erneuten Analyse von "Apollo"-Gesteinsproben fest, dass es sehr wohl deutliche Unterschiede bei der Zusammensetzung von Erde und Mond gibt, wenn man tiefer blickt. Demnach besteht das Innere des Mondes offenbar aus den schweren Überresten Theias, während die äußeren Schichten aus irdischem Material gebildet werden.

Doch Theia hat sich offenbar auch in der Erde "verewigt". 2021 erregten Forscher der Arizona State University um Qian Yuan mit ihrer Theorie großes Aufsehen, bei zwei gewaltigen Anomalien im Erdmantel unter Westafrika und dem Pazifik könnte es sich um Überreste des Protoplaneten handeln.

Gigantische Magma-Anomalien Reste Theias?

Die mehrere Tausend Kilometer breiten und hunderte Meter hohen Zonen bestehen aus außergewöhnlich heißem und dichten Magma. Sie machen acht Prozent des Erdmantels aus und werden Large Low-Shear-Velocity Provinces (LLSVPs) genannt, da sich seismische Wellen etwa ein bis zwei Prozent langsamer bewegen, wenn sie sie durchdringen.

"Diese Zonen sind die größten Strukturen des Erdmantels", zitiert "Scinexx.de" Yuan. Gleichzeitig zeigten die Anomalien auffallende chemische und physikalische Abweichungen vom umgebenden Mantelmaterial, so das Wissensmagazin. Ihre höhere Dichte und Temperatur lege nahe, dass diese Zonen mehr schwere Elemente und vor allem Eisen enthielten als sonst für den Erdmantel typisch.

Mögliche Erklärung für Plattentektonik

Das passt zu der neuen Analyse der Apollo-Proben, wonach Theia vermutlich einen stark eisenhaltigen, dichteren und damit schwereren Mantel als die Erde hatte. Simulationen hätten gezeigt, dass die dichteren Reste des Protoplaneten im Laufe der Erdgeschichte bis zur Kern-Mantel-Grenze abgesunken seien, wo sie die Anomalien gebildet hätten.

Im März dieses Jahres berichtete Geodynamiker Yuan über weitere Computersimulationen. Sie deuteten darauf hin, dass Theias Überreste im Erdinneren auch den Beginn der Subduktion ausgelöst haben könnten, schrieb "ScienceNews". Damit wird der Vorgang beschrieben, wenn eine tektonische Platte unter einer anderen zum Erdmantel hin abtaucht. Die Theorie wäre eine Erklärung dafür, dass die Erde von allen bisher entdeckten Welten die einzige mit Plattentektonik ist.

Den Simulationen nach könnten die extrem heißen Anomalien dazu geführt haben, dass große Massen geschmolzenen Gesteins in sogenannten Plumes aufstiegen. An der Erdkruste hätten sie sich aufgebläht und Platten nach unten gedrückt, was etwa 200 Millionen Jahre nach der Kollision mit Theia eine Subduktion ausgelöst habe, so die Theorie.

Zwei Prozent der Erdmasse

Der Zusammenstoß scheine der Ursprung der Heterogenität des frühen Erdmantels zu sein und "den Ausgangspunkt für die geologische Entwicklung der Erde im Laufe von 4,5 Milliarden Jahren zu markieren", sagt Hongping Deng, der die jetzt veröffentlichte Studie des SHAO leitete. Durch die Analyse früherer und die Durchführung neuer Simulationen kam sein Team zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Menge an Material aus dem Theianischen Mantel in den unteren Erdmantel gelangt ist. Es soll etwa zwei Prozent der Erdmasse ausmachen.

Auch die chinesischen Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass das eisenreiche, dichtere und schwerere Material als der Erdmantel herabsank und die gigantischen Magma-Anomalien bildete.

Island und Hawaii sind anders

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Die von ihnen ausgelösten Plumes erklären Vulkanismus, der nicht an Plattengrenzen stattfindet. Solche Hotspots könnten den Forschern nach unter anderem zur Entstehung von Hawaii und Island geführt haben. Geochemiker, die das Isotopenverhältnis seltener Gase in isländischen Basaltproben untersuchten, entdeckten, dass diese Proben Komponenten enthalten, die sich von typischen Oberflächenmaterialien unterscheiden.

Die 4,5 Milliarden Jahre alten Überbleibsel von Theia könnten als Schlüssel zum Verständnis über den ursprünglichen Zustand der Erde und sogar der Entstehung der nahen Planeten sein, so das Studienergebnis. "Durch die genaue Analyse eines größeren Spektrums von Gesteinsproben in Verbindung mit verfeinerten Modellen für Rieseneinschläge und die Erdentwicklung können wir Rückschlüsse auf die Materialzusammensetzung und die Orbitaldynamik der ursprünglichen Erde, Gaia und Theia ziehen", sagt Deng. "Dadurch können wir die gesamte Entstehungsgeschichte des inneren Sonnensystems eingrenzen."

Quelle: ntv.de

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