
Fast 1,4 Millionen Corona-Tests haben deutsche Labors in der vergangenen Woche durchgeführt.
(Foto: imago images/Eibner Europa)
Nicht nur die Zahl der Neuinfektionen steigt in Deutschland seit Wochen rasant - auch die Zahl der Tests erreicht zuletzt ein Rekordniveau. Werden einfach nur mehr Corona-Fälle erfasst, weil mehr getestet wird?
Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland nimmt derzeit von Tag zu Tag zu: Mehr als 18.000 neue Fälle binnen eines Tages meldeten die Gesundheitsämter nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI). Am Donnerstag hatte der Wert bei 16.774 gelegen, am Mittwoch bei 14.964. Bereits in der vergangenen Woche waren die Zahlen massiv geklettert. Gleichzeitig meldete das RKI eine Rekordzahl an Tests: Es waren fast 1,4 Millionen in der Woche vom 19. bis 25. Oktober.
Könnte es also sein, dass der Anstieg der Fallzahlen schlicht durch die Zunahme an Tests zustande kommt? Eine andere Kennzahl gibt Aufschluss darüber: die Positivrate, vom RKI auch Positivenquote genannt. Sie bezeichnet den prozentualen Anteil aller positiven Tests für einen bestimmten Zeitraum. Wichtig dabei: Die Zahl der Tests ist nicht mit der Anzahl der getesteten Personen gleichzusetzen - denn es können auch mehrere Tests von ein und demselben Patienten vorliegen.
Was die Positivrate betrifft, zeigte die Entwicklung im Sommer und frühen Herbst eine Besonderheit: Ende Juli waren von den mehr als 500.000 Tests pro Woche knapp 5000 positiv. Die Positivrate lag damit etwas unter einem Prozent. In den Wochen danach nahm die Zahl der Tests zwar deutlich zu, bis sie sich Anfang September auf mehr als eine Million verdoppelt hatte - doch die Positivrate blieb annähernd gleich. Die Folge: Durch die Ausweitung der Tests verdoppelte sich auch die Zahl der positiven Ergebnisse auf mehr als 10.000 pro Woche.
"Tatsächliche Zunahme von Fällen"
Warum ist die Situation nun eine andere? Zwei wesentliche Dinge unterscheiden sich vom Sommer. Zum einen schwankt die Zahl der Tests seit Wochen nur noch leicht zwischen rund 1,2 und 1,4 Millionen pro Woche. Zum anderen berichten die Labore seit Mitte September von einer stetig steigenden Positivrate. Die Schlussfolgerung: "Die gestiegene Positivenquote bei in den vergangenen Wochen weitgehend konstanten Testzahlen zeigt, dass es eine tatsächliche Zunahme der Fälle gibt", erklärt RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher auf Anfrage von ntv.de.
Die Positivrate ist aus Sicht des Epidemiologen Prof. Timo Ulrichs daher derzeit auch ein "ziemlich gutes Bild über die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung". Denn auch an anderen Faktoren wie der Teststrategie - also der Frage, wer getestet wird - und der Verlässlichkeit der Tests habe sich zuletzt nichts geändert, sagte er ntv.de. "Die höhere Positivrate kann also nur darauf zurückgeführt werden, dass die Vortestwahrscheinlichkeit steigt", so Ulrichs. Diese bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass bereits vor einer Untersuchung eine Corona-Infektion vorliegt.
Aber wie besorgniserregend ist die Positivrate in Deutschland? Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat eine Positivrate bei Corona-Tests von unter 5 Prozent in zwei aufeinanderfolgenden Wochen als eines von verschiedenen Kriterien definiert, bei denen eine Epidemie unter Kontrolle ist. Die EU-Seuchenbehörde ECDC stuft Gebiete mit einer Positivrate von mehr als 4 Prozent als stärker von der Pandemie betroffen ein. Mittlerweile liegt die Positivrate in Deutschland bei über 5 Prozent - in anderen europäischen Ländern allerdings noch deutlich höher: in Frankreich bei etwa 10 Prozent, in Tschechien bei mehr als 30 Prozent, wie die Daten-Website Our World in Data aufschlüsselt. Gleichzeitig erheben beide Länder sogar noch mehr Tests pro Einwohner als Deutschland.
Mehr Tests derzeit fast unmöglich
Eine Erhöhung der Testzahl in Deutschland würde die Positivrate natürlich senken. Doch dies ist in Deutschland derzeit schwierig: Der Berufsverband der akkreditierten medizinischen Labore ALM warnte zuletzt, dass die Labore seit einigen Wochen "am Anschlag" arbeiteten. "In einigen Bundesländern wird schon seit mehreren Wochen über der Kapazitätsgrenze gearbeitet", hieß es. Symptomatisch dafür sei ein Rückstau von 68.574 Proben in den Labors, die noch aus der Vorwoche stammen und nicht bearbeitet wurden.
Aber auch der am Mittwoch von Bund und Ländern vereinbarte Teil-Lockdown könnte eine Verringerung der Positivrate zur Folge haben. Denn die verschärften Maßnahmen haben die Eindämmung des Virus in der Bevölkerung zum Ziel. Ein Hinweis, dass das klappen könnte: Zum Höhepunkt der ersten Welle Ende März, Anfang April lag die Positivrate bei mehr als 9 Prozent. Mit dem folgenden Lockdown sank sie bis Anfang Mai auf unter 3 Prozent, bei einer ähnlich hohen Anzahl an Tests. Allerdings betont RKI-Sprecherin Glasmacher, dass eine Kenngröße wie die Positivrate allein nicht geeignet sei, um "den Sinn von Maßnahmen zu bestätigen oder zu widerlegen".
Quelle: ntv.de