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Wissenschaftliche Kontroverse Syphilis-Erreger kam aus Amerika nach Europa

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Verursacht wird Syphilis durch das Bakterium Treponema pallidum - hier eine Abbildung der Symptome aus dem "Atlas der Geschlechtskrankheiten" von 1868.

Verursacht wird Syphilis durch das Bakterium Treponema pallidum - hier eine Abbildung der Symptome aus dem "Atlas der Geschlechtskrankheiten" von 1868.

(Foto: IMAGO/Gemini Collection)

Die sexuell übertragbare Krankheit Syphilis begleitet die Menschheit schon seit Jahrhunderten. Doch bisher war der Ursprung des Erregers unbekannt. Ein Forschungsteam untersucht sehr alte Knochen und kommt zu einem klaren Schluss.

Der Erreger der Syphilis stammt aus Amerika. Das schließen Forschende aus der genetischen Analyse der Knochen von Menschen, die um oder vor der Ankunft von Kolumbus in Mittel- und Südamerika lebten. "Die Daten zeigen eindeutig, dass die Syphilis und ihre bekannten Verwandten ihren Ursprung in Amerika haben, und ihre Einschleppung nach Europa ab dem späten 15. Jahrhundert stimmt mit diesen Daten überein", sagt Studienleiterin Kirsten Bos vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Verursacht wird Syphilis durch das Bakterium Treponema pallidum, dessen Unterarten auch die Infektionskrankheiten Bejel und Frambösie auslösen. Erstmals historisch dokumentiert ist Syphilis im Jahr 1495 - also drei Jahre nach der Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika und kurz nach seiner Rückkehr nach Europa.

Herkunft war bisher umstritten

Umstritten war jedoch die Frage, ob die Krankheit von Amerika nach Europa gelangt war, oder ob sie umgekehrt - wie so viele andere Infektionskrankheiten, etwa die Pocken - von Europa nach Amerika gebracht wurde. Zu der Verwirrung trug bei, dass Syphilis an Knochen und Zähnen Läsionen hinterlässt. Da in Europa Skelette aus der Zeit vor 1492 mit ähnlichen Schädigungen entdeckt wurden, glaubten manche Forscher, die Krankheit habe es hier schon im Mittelalter gegeben. Allerdings gibt es ältere Knochen mit Syphilis-ähnlichen Läsionsmustern auch in Amerika.

Das internationale Forschungsteam rekonstruierte nun aus Knochen- und Zahnresten aus Mexiko, Chile, Peru und Argentinien fünf Genome von Syphilis-Erregern. "Obwohl die Untersuchung aufgrund des schlechten Erhaltungszustands einige analytische Herausforderungen mit sich brachte, konnten wir die Beziehungen zwischen diesen ausgestorbenen Formen und den Stämmen, die heute weltweit die Gesundheit beeinflussen, sicher bestimmen", sagt Erstautor Lesley Sitter.

Ausgestorbene Schwesterlinien entdeckt

Demnach zirkulierte der Erreger Treponema pallidum in Amerika schon lange vor der Ankunft von Kolumbus - und zwar in großer genetischer Vielfalt. "Wir fanden ausgestorbene Schwesterlinien für alle bekannten Formen dieser Krankheitsfamilie", sagt Ko-Erstautor Rodrigo Barquera. "Syphilis, Frambösie und Bejel sind also moderne Überbleibsel von Erregern, die einst in Amerika kursierten."

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Der gemeinsame Vorläufer der analysierten Unterarten könnte demnach auf dem Kontinent mitunter schon vor bis zu 9000 Jahren kursiert haben. Nicht ganz ausschließen lasse sich jedoch, dass spätere sibirische Zuwanderer nach Amerika den Erreger ab vor etwa 5000 Jahren aus Eurasien mitgebracht hätten, schreibt die Gruppe im Fachjournal "Nature". Das sei aber sehr unwahrscheinlich.

Demnach gelangten die Erreger gegen Ende des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert nach Europa und verbreiteten sich von dort aus um den Globus. "Während die indigenen Bevölkerungsgruppen Amerikas an den frühesten Formen dieser Krankheiten litten, spielten die Europäer eine entscheidende Rolle bei ihrer weltweiten Verbreitung", sagt Bos.

Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa

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