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Oldtimer Tu-95Russlands Bomberflotte setzt noch immer auf den "Bären"

12.11.2025, 17:33 Uhr
imageVon Gernot Kramper
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Ein US-Kampfjet vom Typ F-16 neben einer Tupolew Tu-95 über der Beringsee. (Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Die Tu-95 ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg. In Russlands strategischer Bomberflotte ist das Flugzeug aber noch immer präsent. Ausgerüstet mit modernen Waffen überzieht die Maschine ukrainische Städte mit Terror.

Die strategischen Luftstreitkräfte der USA und Russlands stützen sich beide auf einen Oldtimer der Lüfte. In den USA ist es der vierstrahlige Bomber B-52, in Russland die Tupolew Tu-95 - von der Nato als "Bear" (Bär) bezeichnet. Beide Maschinen wurden im gleichen Jahr geboren: Die Tu-95 hob am 12. November 1952 erstmals ab. Die B-52 schon ein halbes Jahr vorher.

Ursprünglich für den Einsatz von Atombomben entwickelt, nahm ihre Geschichte unterschiedliche Wendungen. Die B-52 wurde aufgrund der Kriege der USA schnell für konventionelle Einsätze umgerüstet und prägte mit ihren Bombenteppichen den Vietnamkrieg.

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Eine B-52 Mitte der 1960er Jahre beim Bombenabwurf über Vietnam. (Foto: picture alliance / Everett Collection)

Der "Bär" hingegen schlummerte im Winterschlaf: Die russischen Maschinen dienten primär der Abschreckung und absolvierten Patrouillenflüge. Erst in den 1980ern wurde die Tu-95 umfassend modernisiert. Heute ist sie das Rückgrat von Putins Bombenkrieg gegen die Ukraine - allerdings nicht mehr mit einfachen Freifallbomben, sondern mit modernen Marschflugkörpern.

Laut, langsam, aber mit langer Ausdauer

Die Tu-95 ist etwas kleiner als die B-52. Ihr auffälligstes Merkmal sind die vier Kuznetsov-NK-12-Turbopropmotoren, die jeweils zwei gegenläufige Propeller antreiben. Dieser Propellerantrieb begrenzt die Geschwindigkeit auf etwa 925 km/h, macht die Maschine jedoch extrem sparsam.

Mit einer Reichweite von bis zu 15.000 Kilometern und ihrer Fähigkeit, sich auch in langsamer Marschgeschwindigkeit zu bewegen, kann der "Bär" lange in der Luft bleiben. Der Preis dafür: Die gewaltigen Motoren sind ohrenbetäubend laut. Man scherzt, dass man kein Radar braucht, um eine Tu-95 zu orten – es reicht, zu lauschen. Ihr markantes Brummen überträgt sich sogar auf getauchte U-Boote.

Die aktuelle Version, die Tu-95MSM, wurde ab 2009 entwickelt und die ersten Maschinen 2016 ausgeliefert. So soll der Bomber bis mindestens 2040 einsatzfähig bleiben - die USA planen sogar, ihre B-52 bis 2050 zu nutzen. Ein Unterschied: Die heute eingesetzten "Bären" wurden 1982 und 1993 gebaut. Sie stammen also nicht aus den 1950er-Jahren.

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Die sparsamer gewordenen modernisierten NK-12MPM-Triebwerke steigern die Reichweite, obwohl externe Waffenpylone für Marschflugkörper den Luftwiderstand erhöhen - im inneren Waffenschacht finden die langen Raketen keinen Platz. Die neuen Motoren verdoppeln zudem die Waffennutzlast: Der Bomber kann bis zu acht Kh-101/Kh-102-Marschflugkörper tragen. Hinzu kommen ein digitales Cockpit, verbessertes Waffenmanagement, ein Novella-NV1.021-Radar und ein GLONASS-kompatibles Navigationssystem.

Abwehrsysteme, aber keine Stealth-Fähigkeiten

Das Meteor-NM2-System schützt die Tu-95MSM vor feindlichem Radar und Raketenbeschuss. Details bleiben geheim, doch es verfügt über eine Frühwarnung, kann Gegner elektronisch stören, setzt Täuschkörper ein und soll anfliegende Raketen mit Lasern blenden können. Stealth-Fähigkeiten besitzt der modernisierte "Bär" jedoch nicht.

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Die Bewaffnung mit der Kh-101 ermöglicht es Russland seit Kriegsbeginn, Ziele in der gesamten Ukraine aus sicherer Entfernung anzugreifen, während die Bomber weit von der Grenze entfernt operieren. In manchen Nächten sind über zehn Tu-95 gleichzeitig im Einsatz. Die Marschflugkörper erreichen eine Reichweite von bis zu 5000 Kilometern.

Für den Ukraine-Krieg soll eine Variante mit reduzierter Reichweite, dafür doppelt so schwerem Gefechtskopf entwickelt worden sein. Diese Marschflugkörper können sogar Täuschkörper abfeuern, um feindlicher Luftabwehr zu entgehen. Neben modernen Waffen trägt die Tu-95 auch ältere Marschflugkörper wie die Kh-22 - weniger präzise, aber verfügbar und am Ende ihrer Lebensdauer.

Dieser Text erschien in einer längeren Version zuerst bei stern.de.

Quelle: ntv.de

MilitärRusslandFlugzeugeLuftfahrtAngriff auf die UkraineNato