Spiegelangst ist eine Ursache Videokonferenzen ermüden öfter Frauen als Männer
10.11.2022, 10:29 Uhr
Menschen, die emotional ungefestigt sind, geben an, schneller durch Videokonferenzen erschöpft zu sein.
(Foto: IMAGO/Westend61)
Zu oft und zu lang: Seit der Corona-Pandemie nimmt die Kommunikation über Bildschirme stark zu. Videokonferenzen gehören für viele zum Arbeitsalltag dazu. Doch auf manche haben diese Treffen nur eine erschöpfende Wirkung. Forschende halten für Interessierte einen Selbsttest bereit.
"Videokonferenz-Müdigkeit" heißt das neue Phänomen, das Forschende der Universität Ulm und der Universität Linz gemeinsam untersucht haben. Das Team um Professor Christoph Montag, Leiter der Abteilung Molekulare Psychologie an der Universität Ulm, ging dabei der Frage nach, ob und wie Videokonferenz-Müdigkeit mit Symptomen von Burnout und Depression zusammenhängt. Sie berücksichtigten dabei auch Persönlichkeitsmerkmale.
"Die neuartige Erscheinung der Videokonferenz-Müdigkeit ist noch unzureichend charakterisiert. Sie kann sich in unterschiedlichen Ausprägungen äußern, die emotionale, soziale, motivationale und visuelle Aspekte haben können", erklärt Montag laut einer Mitteilung der Universität dazu. Betroffene berichten von Ermüdung und Erschöpfung, die vor allem durch die Länge solcher Konferenzen, technische Probleme, aber auch die ständige Konfrontation mit dem eigenen Bild zustande kommt. Zudem fehlt vielen dabei echte soziale Interaktion.
Für die Untersuchung werteten die Forscherinnen und Forscher Online-Fragebögen von mehr als 300 Befragten aus. Die Freiwilligen sollten auf Fragen antworten wie: Durch meine Arbeit/mein Studium fühle ich mich ausgebrannt. Wie oft ertappen Sie sich dabei, zu sagen: "nur noch ein paar Minuten", während Sie online sind? Oder: wie sehr genießen Sie Videokonferenzen? Die Antworten konnten in mehreren Abstufungen gegeben werden.
Fünf Kategorien der Müdigkeit
Mithilfe der Antworten wurden einerseits Persönlichkeitseigenschaften eingeschätzt und andererseits Tendenzen zur Videokonferenz-Müdigkeit in den fünf verschiedenen Kategorien, generelle, visuelle, soziale, motivationale und emotionale Müdigkeit ermittelt.
Bei der Auswertung der Daten zeigte sich, dass vor allem bei Personen mit Tendenzen zu emotionaler Instabilität und negativen Emotionen sowie eine hohe Anzahl an Videokonferenzen das Risiko für Burnout- und Depressionssymptome erhöhen können. Zudem leiden jüngere Menschen und Frauen eher durch Videokonferenzen als ältere und Männer. "Das liegt wohl an der sogenannten Spiegelangst, die bei Frauen eher ausgeprägt ist, als bei Männern", erklärt Montag im Gespräch mit ntv.de. Auch Menschen, die erst kurz in einem Unternehmen sind, seien durch Videokonferenzen schnell erschöpft. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass, je mehr Personen sich in einer Videokonferenz befinden, umso schneller die Teilnehmenden müde sind.
Forschende nennen Lösungsansätze
Das Forschungsteam geht aufgrund der statistischen Analysen davon aus, dass kürzere Videokonferenzen sowie längere Pausen dazwischen Lösungen sein könnten, um das neue Phänomen einer Videokonferenz-Müdigkeit in Zukunft zu vermeiden. "Zudem gibt es für Betroffene die Möglichkeit, die Einstellungen bei Videokonferenzen so vorzunehmen, dass sie sich selbst nicht auf dem Monitor sehen", rät der Experte.
Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im "Journal of affective disorders reports" veröffentlicht. Sie bestätigen die Ergebnisse von früheren Studien.
Für Interessierte, die ihre persönliche Tendenz zur Videokonferenz-Müdigkeit testen wollen, gibt es weiterhin die Möglichkeit, das auf der Selbsttestplattform videokonferenz-muede.jimdosite.com zu tun. Sie nehmen damit anonym an der Studie der Abteilung Molekulare Psychologie der Uni Ulm, die noch weiterläuft, teil. Die Beantwortung aller Fragen dauert ungefähr 20 Minuten.
Quelle: ntv.de