Raumschiff der neuen Generation Warum Starship trotzdem außergewöhnlich ist


Die schwarzen Hitzeschutzkacheln an Starship sollen es beim Wiedereintritt in die Atmosphäre vor den hohen Reibungstemperaturen schützen.
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Das Starship von SpaceX setzt neue Maßstäbe: Es ist die größte und leistungsstärkste Rakete der Welt. Gleichzeitig soll sie günstig und komplett wiederverwendbar sein. Sofern sie nicht nach dem Start explodiert. Was steckt hinter diesem Konzept?
Starship und Super Heavy - klingt ein bisschen wie eine Glamrock-Band. Es sind aber die beiden Teile der neuen Riesenrakete von SpaceX, um die ein regelrechter Hype entstanden ist. Das Konzept ist tatsächlich in vielerlei Hinsicht revolutionär und könnte eine neue Weltraum-Ära einläuten. Der Mond und bemannte Reisen zum Mars sind das Ziel. Die Explosion kurz nach dem Start am Donnerstag dürfte dabei nur ein zeitweiliger Rückschlag sein. Aber was ist das Außergewöhnliche an dem Raumschiff?
Super Heavy ist der Booster, der das Raumschiff in den Weltraum befördert. Starship ist das Raumschiff aus Edelstahl, das später Material und Menschen ins All transportieren soll. Eine ganze Armada davon plant SpaceX-Chef Elon Musk. Das Konzept ist ein extrem leistungsfähiges und - im Unterschied zur SpaceX-Konkurrenz - komplett wiederverwendbares Mehrzweck-Raumschiff. Hier eine Übersicht über die außergewöhnlichen Aspekte von Starship:
"Verdammt große Rakete". Ursprünglich hieß das Projekt "BFR", was angeblich zunächst als Abkürzung für "Big Fucking Rocket" stand, also in etwa "Verdammt große Rakete". Doch die Bezeichnung ist treffend, denn Starship ist gigantisch. Mit einer Höhe von fast 120 Metern überragt es die Mond-Rakete Saturn V der 1960er und -70er sowie das Space Launch System (SLS) der NASA. Gleichzeitig entwickelt Starship etwa doppelt so viel Schubkraft wie die beiden. Doch Größe und Stärke sind nicht alles - Starship hat noch weitere entscheidende Vorteile.
Raubvogel-Triebwerke. Raptor, auf Deutsch "Raubvogel", heißt das extra für Starship entwickelte Triebwerk. Es ist das Fortschrittlichste, was derzeit existiert. Raptor beruht auf dem Prinzip der Full-Flow Staged Combustion (FFSC), welches ein Maximum an Leistung herauskitzelt. Gleichzeitig wird das Triebwerk dadurch so wenig wie möglich beansprucht, sodass es mehrfach wiederverwendet werden kann. Durch Serienfertigung soll es zudem günstig in der Herstellung sein. 33 Raptor-Triebwerke hat der Booster Super Heavy. Zunächst sechs, später neun sollen das Starship im Weltraum antreiben.
Auf dem Mars betankbar. Die Raptor-Triebwerke werden mit flüssigem Methan betrieben, was bisher einzigartig ist. Die Wahl des Treibstoffs bietet einige Vorteile: Die Dichte von Methan ist deutlich höher als etwa von Wasserstoff, was die Tanks nicht unnötig groß macht. Zudem wird der Treibstoff auf extrem niedrige Temperatur heruntergekühlt, um die Dichte weiter zu verringern und noch mehr Platz zu sparen. Und Methan kann vergleichsweise einfach auf dem Mars hergestellt werden. Die Raumschiffe müssten den Treibstoff für die Rückreise nicht von der Erde mitbringen.

Mit Starship soll der Aufbau einer Mars-Kolonie möglich werden, so die Vision von SpaceX-Chef Musk.
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Raumfahrt zum Discount-Preis. Wichtigstes Verkaufsargument: Starship soll unschlagbar günstig sein. SpaceX-Chef Elon Musk gab sich zuletzt zuversichtlich, dass die Starts in zwei bis drei Jahren weniger als 10 Millionen Dollar kosten werden - auf lange Sicht vielleicht sogar nur eine Million Dollar. Nur zum Vergleich: SpaceX berechnet derzeit rund 60 Millionen Dollar für den Start der kleineren Falcon 9-Rakete. Das mit dem Starship vergleichbare SLS, welches 2024 Menschen in Richtung Mond befördern soll, verschlingt pro Start geschätzt zwischen zwei und vier Milliarden Dollar. Es ist allerdings auch nicht wiederverwendbar.
Per Skydive zum Erdboden. Dass Starship komplett wiederverwendbar sein soll, bringt mit Blick auf die Landung jedoch neue Probleme mit sich. Denn das Raumschiff ist mit 50 Metern riesig - um es abzubremsen, ist viel Energie nötig. SpaceX entschied sich daher für ein revolutionäres Skydive-Manöver: Wie ein Fallschirmspringer soll Starship in die Atmosphäre eintauchen und sich mit dem Bauch voran durch den Luftwiderstand abbremsen lassen. Treibstoff und Triebwerke werden lediglich am Schluss für die kontrollierte Punktlandung benötigt.

Die Version Starship HLS soll Menschen vielleicht schon 2025 auf die Mondoberfläche bringen.
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Alleskönner im All. Starship soll künftig die Vorgänger-Raketen von SpaceX und das bemannte Raumschiff Dragon 2 ersetzen. Es soll als Lasten-Raumschiff mehr als 100 Tonnen in einen niedrigen Erdorbit transportieren könne. Außerdem dient es als bemannte Raumfähre für Flüge zu Mond und Mars. Bis zu 100 Passagiere sollen irgendwann im Starship Platz finden, was bisher ungekannte Dimensionen sind: Den Rekord hielt lange das Space Shuttle mit acht Passagieren. Wegen der vollständigen und raschen Wiederverwendbarkeit des Starship sind auch Langstreckenflüge auf der Erde denkbar. Starship könnte auf einem Kontinent starten und Passagiere in weniger als 90 Minuten zu fast jedem anderen Ort auf der Erde fliegen, wo es wieder punktgenau landet.
Wird das alles funktionieren? Das Unternehmen SpaceX hat bereits unter Beweis gestellt, dass es mit seinen wiederverwendbaren Raketen neue Maßstäbe in der Raumfahrt setzen kann. Gute Voraussetzungen also, dass es auch mit Starship klappen könnte. Auch Experten rechnen dem Raumschiff der nächsten Generation durchaus Chancen aus. In einer Analyse vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) aus dem vergangenen Jahr gehen die Autoren davon aus, dass Starship vom Prinzip her funktionieren sollte. Und seine gigantischen Nutzlastkapazitäten dürften auf dem Markt für orbitale Trägerraketen einen "großen Umbruch" auslösen.
Quelle: ntv.de