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Nur bedingte Aussagekraft Was bringen Corona-Antikörpertests?

Ein kleiner Piks in den Finger und schon weiß man, wie gut man vor Corona geschützt ist? Wohl kaum, sagen Experten.

Ein kleiner Piks in den Finger und schon weiß man, wie gut man vor Corona geschützt ist? Wohl kaum, sagen Experten.

(Foto: picture alliance / Daniel Reinhardt)

Viele Geimpfte und Genesene wollen wissen, ob ihr Körper einen ausreichenden Schutz gegen das Coronavirus aufgebaut hat. Mit Antikörpertests hoffen sie auf Gewissheit. Doch diese können das kaum leisten. ntv.de erklärt, warum.

Es klingt einfach und unkompliziert: Über einen Tropfen Blut aus der Fingerkuppe kann bestimmt werden, wie hoch der Wert der Antikörper gegen Sars-CoV-2 ist. Nach etwa 15 Minuten erhält man einen Wert, der Auskunft darüber geben soll, "wie gut" man vor Covid-19 geschützt ist. Viele Apotheken bieten seit Wochen solche schnellen Antikörpertests an. Geimpfte und Genese sollen so Gewissheit erlangen, ob ihr Immunschutz noch aktiv ist. Doch wie zuverlässig sind diese Tests?

Tatsächlich können Antikörpertests sehr hilfreich dabei sein, um etwa Infizierte zu erkennen, die keine Corona­-typischen Symptome entwickelt haben - also asymptomatisch gewesen sind. Denn anders als PCR- und Antigen-­Schnelltests weisen sie keine Bestandteile des Coronavirus nach, sondern Antikörper, die das Immunsystem bei Kontakt mit dem Erreger produziert. Diese bilden sich auch bei asymptomatischen Krankheitsverläufen und lassen sich noch mehrere Monate nach einer Infektion im Blut feststellen. Das bedeutet: Selbst wenn die Corona-Infektion schon überstanden ist, lässt sie sich später noch anhand der Antikörper nachweisen.

Allerdings sagen die Antikörpertests nur bedingt etwas darüber aus, wie gut die getesteten Personen vor einer Ansteckung geschützt sind. Darauf weist auch das Robert-Koch-Institut auf seiner Website hin: Ein Antikörpernachweis lasse "keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder zum Immunstatus" zu. Dies bestätigte auch der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), Reinhold Förster, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Was derzeit fehle, sei ein bestimmter Schwellenwert, ab dem Personen als sicher geschützt gelten. So gibt es bislang keine Konzentration an Antikörpern, ab der sich sicher sagen lässt, dass jemand vor dem Virus geschützt ist.

Antikörper ist nicht gleich Antikörper

"Die Frage zu den Antikörpern führt zu sehr viel Verwirrung", erklärte RKI-Chef Lothar Wieler in einer Bürgersprechstunde des Gesundheitsministeriums. "Die Vorstellung ist: Man weist Antikörper im Blut nach und dann weiß man anhand der Menge der Antikörper: Jemand ist besser oder weniger gut geschützt." Aber dieses Wissen sei einfach nicht da, so Wieler. "Das heißt, es kann Menschen geben, die haben Antikörper im Blut, aber die schützen gar nicht und es gibt andere, da weist man gar keine Antikörper nach, aber sie sind trotzdem geschützt."

Zudem bieten nicht alle Antikörper den gleichen Schutz vor einer Infektion. "Es gibt zum Beispiel Antikörper, die nur nach einer Infektion zu finden sind, aber nicht nach der Impfung", erklärte der Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, Jörg Timm, in der ARD. Denn Antikörper ist nicht gleich Antikörper: Bei einer durchgemachten Infektion ruft eine Vielzahl der Proteine des Virus die Bildung von Antikörper hervor. Allerdings verhindert nur ein kleiner Teil von ihnen tatsächlich eine Neuinfektion - wirkt also neutralisierend. Das sind Antikörper, die vor allem gegen das Spike-Protein gerichtet sind. "Hohe Antikörperspiegel sind sicherlich von Vorteil, die Schutzwirkung für den Einzelnen vorherzusagen ist aber kaum möglich", so Timm.

Das gilt auch im umgekehrten Fall: Ein negativer Antikörpertest muss nicht unbedingt bedeuten, dass gar kein Schutz vor dem Coronavirus vorhanden ist. Inzwischen ist bekannt, dass die Antikörperkonzentration im Blut mit der Zeit nachlässt. Noch ungeklärt ist hingegen, inwiefern dies den Immunschutz beeinträchtigt. Denn die Immunabwehr besteht aus mehreren Pfeilern. Von Bedeutung sind hierbei auch die T-Gedächtniszellen, die langfristig im Körper bleiben und bei erneutem Kontakt mit dem Erreger sofort aktiviert werden. Über ihre Schlagkraft sagt ein solcher Test nichts aus.

Sogenannte Neutralisationstests können da mehr Sicherheit bieten. Dabei wird das Blutserum des Patienten im Labor mit Teilen des Coronavirus in Kontakt gebracht und es wird geprüft, wie gut das Virus abgehalten wird. Das ist aber aufwendig und deutlich teurer als die Antikörper-Schnelltest für rund 25 Euro in der Apotheke.

Für wen sind Antikörpertests sinnvoll?

Eine routinemäßige Testung der Antikörper für alle Geimpften ergibt laut Virologe Timm aktuell wenig Sinn. "Die klinischen Daten zum Impfschutz für Menschen ohne Vorerkrankungen sind gut und es ist aktuell kaum möglich, aus einem einzelnen Testergebnis zusätzliche Schlüsse zu ziehen", sagte er der ARD.

Es gebe aber auch Menschen, bei denen erwartet wird, dass sie nicht gut auf die Impfung ansprechen. "Dazu zählen zum Beispiel Organtransplantierte oder Krebspatienten unter bestimmten Formen einer Chemotherapie", so Timm. In diesen Fällen sei die Bestimmung der Antikörper gegen Sars-CoV-2 hilfreich für die Bewertung des Impferfolgs. Bei fehlendem Nachweis von Antikörpern könne dann unter Umständen eine dritte Impfung vorgezogen werden.

Quelle: ntv.de

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