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Geheimrezept für ESC? Was einen Popsong zum Hit macht

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Wäre es nur nach dem ESC-Publikum gegangen, hätte Käärija mit seinem ausgefallenen Metal-Techno-Schlager-Song "Cha Cha Cha" gewonnen. Jetzt muss er sich mit dem zweiten Platz begnügen.

Wäre es nur nach dem ESC-Publikum gegangen, hätte Käärija mit seinem ausgefallenen Metal-Techno-Schlager-Song "Cha Cha Cha" gewonnen. Jetzt muss er sich mit dem zweiten Platz begnügen.

(Foto: picture alliance/dpa)

So gut wie jeder kann "Don't Stop Me Now" oder "Dancing Queen" zumindest mitsummen. Queen und ABBA gelingen mit ihren Songs Welt-Hits. Und auch beim ESC kann sich das Publikum immer wieder auf einen eindeutigen Liebling einigen. Doch was macht ein Lied erfolgreich? Gibt es dafür vielleicht sogar eine Formel?

Oft heißt es, die Vorliebe für bestimmte Musik sei sehr individuell. Das mag zum Teil stimmen, trotzdem gibt es immer wieder Lieder, die verlässlich den Geschmack der Masse treffen. Diese Songs führen dann wochenlang die Charts an oder landen - wie vergangenes Wochenende - beim Eurovision Song Contest ESC auf den vorderen Plätzen. Andere, wie der deutsche ESC-Beitrag, verschwinden derweil in der Versenkung. Doch was macht einen Popsong erfolgreich?

Tatsächlich beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher seit längerem mit dieser Frage. Bereits 2015 identifizierte der niederländische Neurowissenschaftler Jacob Jolij drei Kriterien, die einen "Wohlfühlsong" ausmachen: das lyrische Thema, die musikalische Tonart und das Tempo. "Texte, die sich beispielsweise mit dem Thema Urlaub befassen, erinnern uns natürlich an glückliche Zeiten, gleichzeitig klingt eine Dur-Tonart in unseren Ohren fröhlich und wir assoziieren sie mit Zuversicht", schreibt er in einem Blogbeitrag auf der Seite der Universität Groningen. Zudem löse ein hohes Tempo von 150 Schlägen die Minute im Unterbewusstsein ein Gefühl von Energie aus.

Wenn man diese drei Kriterien nun kombiniert, entsteht Jolij zufolge der perfekte "Feel good"-Song. Und dieser ist laut dem Wissenschaftler "Don't Stop Me Now" von Queen. Auf Platz zwei in seinem Ranking folgen die schwedischen ESC-Gewinner von 1974 ABBA mit ihrem Hit "Dancing Queen". Platz drei belegen die Beach Boys mit "Good Vibrations". Nun ist der diesjährige ESC-Publikumsliebling Käärija mit "Cha Cha Cha" sicherlich ein Gute-Laune-Garant. Übrigens ist der Song in Dur verfasst und weist beeindruckende 155 Schläge pro Minute auf. Nach ABBA oder Queen hört sich der Finne allerdings so gar nicht an. Warum geht sein ausgefallener Metal-Techno-Schlager-Mix trotzdem so sehr ins Ohr?

Balance zwischen Wissen und Überraschung

Aus der Forschung ist inzwischen bekannt, dass Menschen auch in Musikstücken Überraschungsmomente mögen. Vincent Cheung und Stefan Koelsch vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften zufolge ist der Hörgenuss vom richtigen Zusammenspiel aus Spannungs- und Überraschungseffekten in den Akkordfolgen abhängig. Zusammen mit einem Team haben sie 80.000 Akkorde aus 745 US-Hits analysiert. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin "Current Biology".

Das Ergebnis: Für den Hörer klingt es besonders angenehm, wenn auf eine Akkordfolge, die den weiteren Fortgang des Stücks relativ offenlässt, ein überraschender Akkord folgt. Nach Akkorden, die eigentlich einen bestimmten Folgeton vermuten lassen, wird ein unerwarteter Akkord besonders positiv wahrgenommen. Unter Akkord versteht man im Prinzip das gleichzeitige Erklingen mehrere Töne.

"Songs, die wir als angenehm empfinden, sind wahrscheinlich diejenigen, die eine gute Balance erreichen zwischen unserem Wissen, was als Nächstes passieren wird, und der Überraschung mit etwas, das wir nicht erwartet haben", resümiert Studienautor Cheung. "Es ist faszinierend, dass bei Menschen Freude an einem Musikstück nur durch die Art und Weise entsteht, wie die Akkorde in der Musik über die Zeitdauer hinweg angeordnet werden."

Here comes the sun…

Demnach lässt sich zusammenfassen, dass ein schneller Beat, positive Texte und der ein oder andere Überraschungsmoment schon einmal eine gute Grundlage für einen Hit sind. Laut einer aktuellen Studie könnte allerdings auch ein weiterer Aspekt eine Rolle spielen - und dieser wäre nicht beeinflussbar: das Wetter.

Das Forschungsteam erfasste zunächst alle verfügbaren Lieder, die von 1953 bis 2019 in den wöchentlichen britischen Top-Charts vertreten waren. Diese glichen sie dann mit den Wetterdaten dieser 67 Jahre ab. Die Datenanalyse zeigte: Energiegeladene, tanzbare Songs, die Gefühle wie Freude und Glück vermittelten, wurden positiv mit warmem und sonnigem Wetter in Zusammenhang gebracht, schreiben die Studienautoren im Fachblatt "The Royal Society". Gleichzeitig wurden diese Lieder an kalten und regnerischen Monaten negativ assoziiert.

Daraus schließen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Oxford, dass das Wetter ein Faktor für den Charterfolg eines Liedes sein kann. "Diese Ergebnisse stellen die traditionelle Vorstellung infrage, dass der Erfolg auf dem Musikmarkt allein auf der Qualität der Musik selbst beruht", sagt Studienautor Manuel Anglada-Tort. Ihre Studie deute darauf hin, dass warmes und sonniges Wetter bei den Hörern positive Emotionen hervorruft. "Das kann sie dazu bringen, sich für Musik zu entscheiden, die mit ihrer aktuellen Laune übereinstimmt", so Anglada-Tort.

Ob es tatsächlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Chartplatzierung und dem Wetter gibt, müssten weitere Untersuchungen zeigen, schreiben das britische Forschungsteam zum Schluss. Denn: "Es handelt sich hier um eine Korrelationsstudie, die Ergebnisse müssen mit Vorsicht interpretiert werden."

Quelle: ntv.de

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