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Forscher tracken Bewegungen Wohin verschwinden geklaute Fahrräder?

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In Deutschland werden jedes Jahr Hunderttausende Fahrraddiebstähle gemeldet.

(Foto: picture alliance / dpa Themendienst)

Viele Menschen sind bereits Opfer von Fahrraddieben geworden. Doch was geschieht eigentlich mit den geklauten Rädern? Ein Forschungsteam will das Rätsel lösen - und präpariert hundert Fahrräder in Amsterdam mit Sendern. Das Ergebnis überrascht die Wissenschaftler selbst.

Mehr als 200.000 Fahrräder werden pro Jahr in Deutschland geklaut. Fast jeder war mal davon betroffen oder kennt jemand, dem dies widerfahren ist. Doch was geschieht eigentlich mit den geklauten Fahrrädern? Werden sie ins Ausland transportiert? Oder bleiben sie in dem Gebiet, wo sie geklaut wurden? Dies wollte ein Forschungsteam herausfinden. Als Testgebiet wählte es eine der fahrradfreundlichsten Städte weltweit: Amsterdam.

Die Zahl der Räder in Amsterdam liegt laut der im Fachmagazin "PLOS ONE" erschienenen Studie bei rund 850.000. Nach unterschiedlichen Schätzungen werden Zehntausende davon jedes Jahr gestohlen. Um den geklauten Drahteseln auf die Spur zu kommen, statteten die Forscher 100 gebrauchte Räder mit Tracking-Geräten aus und schlossen sie dann an öffentlichen Orten an. Von Juni 2021 bis November 2021 verfolgten sie schließlich am Rechner, was mit den Rädern geschah.

Viele Test-Räder gestohlen

Und tatsächlich bissen die Fahrraddiebe an: In den untersuchten sechs Monaten wurden 70 der 100 präparierten Fahrräder gestohlen. Diese Diebstahlrate lag höher als der geschätzte Amsterdamer Durchschnitt. Die Forscher vermuten den Grund dafür darin, dass alle Test-Räder an öffentlich zugänglichen Orten abgestellt worden waren.

Doch was geschah mit den Rädern nach dem Diebstahl? Tatsächlich blieben 68 der 70 geklauten Räder, also die große Mehrheit, vor Ort in Amsterdam. Davon wurden drei bis sechs eine Zeitlang in der Nähe von Secondhand-Fahrradläden geortet - die Forscher vermuten, dass sie dort wieder verkauft wurden. Weitere zwölf Räder wurden mit Orten in Verbindung gebracht, an denen Räder auf dem Schwarzmarkt verkauft werden.

"Untergrund-Netzwerk" vermutet

Bei 22 der geklauten Rädern stellten die Forscher zudem auffällig ähnliche Bewegungs-Muster fest. Sie vermuten daher ein und dasselbe "Untergrund-Netzwerk", in dem diese Räder nach dem Diebstahl bewegt wurden. Bei anderen Rädern blieb das Schicksal jedoch unklar.

Dass die meisten geklauten Fahrräder in der Stadt verblieben, verdutzte selbst die Wissenschaftler. "Ich denke, das Überraschendste war, dass es lokal passiert", sagte Studien-Co-Autor Fabio Duarte, laut Mitteilung des Massachusetts Institute of Technology (MIT). "Wenn sie gestohlen und verkauft werden, nutzt der neue Besitzer das Fahrrad in denselben Gegenden, wahrscheinlich ohne zu wissen, dass es gestohlen wurde." Um die Privatsphäre zu wahren, stoppte das Team das Rad-Tracking, sobald ein Bewegungsmuster auf einen ahnungslosen Nutzer hinwies.

Keine polizeilichen Ermittlungen

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Die Daten aus der Studie wurden jedoch nicht dafür genutzt, Fahrraddiebe dingfest zu machen. Gleichzeitig übermittelten die Forscher ihre Erkenntnisse an jene Stellen der Stadtverwaltung, die gegen das Problem des Fahrrad-Diebstahls vorgehen wollen. Laut den Forschern könnten die in der Studie gewonnenen Daten zu Mobilitätsmustern auch bei der Stadtgestaltung nützlich sein.

In Deutschland wurden laut Kriminalstatistik im Jahr 2021 insgesamt knapp 234.000 Anzeigen wegen entwendeter Fahrräder gestellt - es wird jedoch eine höhere Dunkelziffer angenommen, denn nicht alle Fälle werden angezeigt. Nachdem es während der Corona-Pandemie wegen Lockdowns und Home-Office zwischenzeitlich zu einem Rückgang der Rad-Diebstähle kam, berichteten einzelne Bundesländer nach der Lockerung vieler Maßnahmen wieder von einer Zunahme.

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 15. Februar 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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