Mutation entkommt Antikörpern Wie dominant kann die Virusvariante BQ.1.1 werden?
20.10.2022, 13:19 Uhr
Sars-CoV-2 auf einer elektronenmikroskopischen Aufnahme.
(Foto: PantherMedia / Cseh Ioan)
Das Coronavirus entwickelt sich ständig weiter. Eine neue Omikron-Sublinie ist für Fachleute von besonderem Interesse: BQ.1.1 besitzt Eigenschaften, die eine weitere Ansteckungswelle hervorrufen könnten.
Die Zahl der Corona-Infektionen steigt. Bereits Ende September wird in Deutschland laut Robert-Koch-Institut auch BQ.1.1 nachgewiesen, eine neue Sublinie der Omikron-Variante des Coronavirus. BQ.1.1 ist wahrscheinlich ein direkter Nachfolger von BA.5, also jener Variante, die sich hierzulande seit Mitte Juni als dominierende Variante des Coronavirus erfolgreich durchgesetzt hat. Nun scheint BQ.1.1 kurz vor einem Siegeszug zu stehen. Auch wenn die Zahlen der Nachweise zu Beginn noch klein waren, ist zuletzt ein Anstieg zu verzeichnen.
Das beunruhigt Fachleute wie beispielsweise Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel. Der Biophysiker untersucht seit Beginn der Pandemie, wie sich das Coronavirus entwickelt und bezeichnet in einem Interview der Universität BQ.1.1 als "besonders besorgniserregende Sublinie".
Cornelius Römer, ein Mitarbeiter Nehers, schätzt laut Twitter-Eintrag, dass BQ.1.1 vor allem in Europa und Nordamerika noch vor Ende November eine Welle verursachen werde. Er stützt sich dabei auf die schnelle Zunahme der gefundenen BQ.1.1-Variante binnen kurzer Zeit.
Mehrere Mutationen
Als Grund für diese Einschätzungen werden die Mutationen von BQ.1.1 vor allem am Spike-Protein genannt. Mit den sogenannten Escape-Mutationen verändert sich auch die Oberflächenstruktur des Spike-Proteins, mit dem das Virus an die Zelle andockt. Die Antikörper, die sich bereits im Körper von Geimpften und/oder Genesenen befinden, erkennen es aufgrund der genetischen Veränderungen nun nicht mehr und können das Virus dementsprechend nicht beim Andocken hindern. BQ.1.1 dringt also ungehindert in die Zelle ein und breitet sich von dort weiter aus. Der Körper ist infiziert.
Auch wenn BQ.1.1 derzeit als potenteste Kandidatin der bekannten Sublinien gilt, kann zu diesem Zeitpunkt niemand mit Sicherheit sagen, ob sich diese oder eine andere Sublinie in den nächsten Wochen durchsetzen und zur dominierenden Variante werden wird. Klar scheint jedoch zu sein, dass es in den nächsten Wochen zu zahlreichen Infektionen kommen wird.
Welle aus Varianten-Mischung möglich
Das sieht auch der Impfforscher Leif Erik Sander von der Charité so: Neben der BA.5-Herbstwelle, die sich derzeit rasch aufbaue, werde man es wohl recht sicher bald mit einer Variante zu tun bekommen, die der bestehenden Immunantwort stark ausweicht: "Der Winter kommt & er wird anscheinend echt anstrengend", schreibt Sander auf Twitter. Auch für Neher ist plausibel, dass die Welle in einigen Wochen einen zusätzlichen Schub bekommt - sei es am Ende durch BQ.1.1 oder eine Mischung aus mehreren Varianten.
Diese sogenannte Immunflucht der Sublinie bedeutet nicht zwangsläufig schwerere Krankheitsverläufe. Die Mutationen von BQ.1.1 ließen zwar auf eine möglicherweise effektivere Ansteckung schließen, aber nicht auf ein Unterlaufen aller Abwehrlinien, betonte die Immunologin Christine Falk in dem Zusammenhang. Als problematisch sehen Fachleute vielmehr die drohenden Personalausfälle an, wenn sich wieder sehr viele Menschen auf einmal anstecken.
Quelle: ntv.de, mit dpa