Präsident muss noch zustimmen Auch Polens Senat winkt Justizreform durch
22.07.2017, 06:13 Uhr
Tausende Polen gingen auf die Straße, um gegen das Abstimmungsergebnis zu protestieren.
(Foto: dpa)
In Polen nimmt die umstrittene Justizreform die letzte Hürde im Parlament. Nach dem Unterhaus stimmt auch der Senat für das Gesetz, durch das die Regierung Einfluss auf das Oberste Gericht nehmen kann. Die letzte Hoffnung von Kritikern bleibt Präsident Duda.
In Polen hat nach dem Unterhaus erwartungsgemäß auch der Senat der umstrittenen Justizreform zugestimmt. Der Entwurf sei ohne Änderungen durchgewunken worden, meldete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Damit ignorierte der Senat die Sanktionsdrohungen der EU-Kommission und zahlreiche warnende Stimmen im In- und Ausland, die um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz fürchten.
Die Zustimmung des Senats galt als sicher, weil auch dort die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS die Mehrheit hat. Das letzte Wort über die Reform hat nun Präsident Andrzej Duda. Das Gesetz kann nur mit seiner Unterschrift in Kraft treten. Dafür hat er 21 Tage Zeit. Er kann die Vorlage aber auch abweisen oder zur Prüfung an das Verfassungsgericht weiterleiten.
Die Vorlage würde dem von der rechtsgerichteten Regierungspartei PiS gestellten Justizminister erlauben, Richter am Obersten Gericht in den Ruhestand zu schicken und durch eigene Kandidaten zu ersetzen. Die Richterposten in dem über die Unabhängigkeit der Justiz wachenden Landesrichterrat sollen ebenfalls neu besetzt werden.
Seit Tagen demonstrieren in polnischen Städten zehntausende Menschen gegen die Regierungspläne. Die Opposition bezeichnete die Reform als "versuchten Staatsstreich". Kritiker befürchten beispielsweise, ein befangenes Oberstes Gericht könnte künftig sogar Wahlen für ungültig erklären.
Kritik aus Brüssel und Washington
Vor dem Senatsgebäude protestierten Demonstranten und Senatoren der Opposition gegen das Abstimmungsergebnis. Auch vor dem Polnischen Konsulat in Köln protestierten etwa 200 Menschen gegen die Justizreform. Bei der friedlichen Kundgebung habe auch ein Vertreter des Konsulats das Gespräch mit den Demonstranten gesucht, teilte die Polizei mit. Am Wochenende sind Kundgebungen in weiteren europäischen Großstädten geplant.
Mit seinem Votum zeigte der Senat, dass er sich auch dem Druck der EU nicht beugen will. Die EU-Kommission hatte Warschau am Mittwoch mit Sanktionen gedroht, die bis zum Entzug von Stimmrechten auf europäischer Ebene führen könnten. Anfang 2016 hatte sie bereits ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet.
Kritik an den Plänen kam am Freitag auch von der US-Regierung. Die Gesetzespläne der polnischen Regierung "scheinen die Unabhängigkeit der Justiz zu unterminieren und schwächen den Rechtsstaat in Polen", erklärte das US-Außenministerium. Die Regierung müsse sich bei der Reform an internationale Rechtsstandards halten.
Quelle: ntv.de, kpi/dpa/rts/chr/AFP