Von nichts gewusst Zschäpe versucht sich zu entlasten
09.12.2015, 12:31 Uhr
(Foto: REUTERS)
Wenn man Beate Zschäpe glaubt, steht mit ihr die völlig falsche Person in München vor Gericht. Denn sie will von den Taten des NSU immer erst mit Verspätung erfahren haben, wenn überhaupt. Die wahren Täter wären demnach Böhnhardt und Mundlos, und die sind tot.
Gut eineinhalb Stunden hat Beate Zschäpes Anwalt Mathias Grasel ihre Aussage verlesen, die in der Tat auf alle Anklagepunkte einging. Allerdings genauso, wie viele es vor Zschäpes Aussage vermutet hatten: Zschäpe wusste angeblich nichts und war niemals dabei. Weder bei den Morden noch bei den Überfällen. Sie war demnach kein Mitglied des NSU, den ihrer Aussage nach Uwe Mundlos erfunden hatte, um Spenden einzuwerben. Sie habe auch keine Waffen besorgt, nur manchmal habe sie diese in den Schrank gelegt. Auch die Verwalterin des Geldes will sie nicht gewesen sein. Ausgerechnet da seien alle gleichberechtigt gewesen.
Die Bekenner-DVDs habe sie zwar verschickt, wusste aber angeblich nicht, was darauf zu sehen war. Auch, dass sie die Wohnung in der Frühlingsstraße anzündete, gab sie zu. Allerdings habe sie sich zuvor versichert, niemanden damit in Gefahr zu bringen.
Ansonsten ist Zschäpe in ihrer eigenen Darstellung eine Person mit einer schwierigen Kindheit. Vor allem aber ist sie das Opfer der verhängnisvollen Liebe zu Uwe Böhnhardt und irgendwie auch zu Mundlos, die ihr jedoch in all den Jahren mit Misstrauen und emotionaler Kälte begegneten. Dem bisherigen Bild einer einträchtigen Terror-WG setzt Zschäpe eines entgegen, in dem sie wohl kochte und wusch, die Männer aber ihr eigenes Ding machten, ohne dass sie erfuhr, was das genau war.
Am Ende gesteht Zschäpe lediglich eine moralische Schuld, die darin bestehen soll, die Morde nicht verhindert zu haben. Ziemlich taktisch entschuldigt sich Zschäpe "aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen, der Opfer der Morde von Mundlos und Böhnhardt". Inzwischen scheint die Loyalität gegenüber ihren früheren Liebhabern und Mitbewohnern nicht mehr sehr groß zu sein. Zu den Mitangeklagten fällt hingegen kein Wort, nichts Ent-, aber auch nichts Belastendes. Ihre Aussage im Liveticker bei n-tv.de.
Große Lücken
Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass Zschäpe in ihrer Aussage ein umfassendes Geständnis in dem Sinn ablegen würde, dass sie zugibt, sie und die beiden Männer hätten eine rechte Terrorgruppe gegründet und dann gezielt Morde an ausländischen Mitbürgern verübt. Stattdessen hat sie die Existenz des NSU bestritten. Prozessbeobachter sagen, dass man aus vielen Formulierungen anwaltschaftliches Geschick heraushört. Wenn es keine Terrorgruppe gab, kann man schließlich nicht deren Mitglied gewesen sein.
Wo es irgend ging, vermied Zschäpe eine Festlegung, beispielsweise in der Frage, ob sie die Gesinnung von Böhnhardt und Mundlos prinzipiell teilt. Sie bestreitet nicht, Kontakt zu Rechtsradikalen gehabt zu haben. Ihre innere Überzeugung aber gibt sie nicht preis.
Überraschend ist möglicherweise, wie klein Zschäpe ihre Rolle in immerhin 14 gemeinsamen Jahren im Untergrund redet. Aber es geht natürlich darum, die weitgehend verfestigte Vorstellung der aktiven und selbstbewussten Mittäterin zumindest zu erschüttern. Ob das mit dieser Aussage gelungen ist, darf allerdings bezweifelt werden. Zu einigen Punkten drängen sich Nachfragen geradezu auf. Wenn sie die Miete und die Urlaube bezahlt hat, wie kann das funktioniert haben, obwohl sie doch das Geld aus den Überfällen nicht verwaltete? Kann man miteinander leben, ohne bei zehn Mordplänen irgendetwas mitzubekommen? Wenn ihre Empörung über die Taten so groß war, warum war ein Ausstieg niemals eine Option?
Außerdem gibt es noch immer komplett weiße Flecken, zu denen Zschäpe bisher gar nichts gesagt hat. Gab es Unterstützer und wenn ja, wer war es? Gab es gar Kontakte zu Sicherheitsbehörden? Es kommt jetzt genauso, wie viele es vorhergesagt haben: Zschäpe hat begonnen zu reden. Sie ist in ihrer Aussage nicht besonders glaubhaft, und die Liste der offenen Fragen ist noch einmal länger geworden.
Quelle: ntv.de