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Schwere Antisemitismus-Vorwürfe Hunderte protestieren vor Leipziger Hotel für Gil Ofarim

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Der Musiker Gil Ofarim schildert, wie Mitarbeiter eines Hotels in Leipzig ihn antisemitisch angegriffen haben sollen. Wenige Stunden später versammeln sich hunderte Menschen dort, um dagegen zu protestieren. Die Einschätzung der Leipziger Polizei zum Vorfall ist eindeutig.

Nach Antisemitismus-Vorwürfen haben sich Hunderte Menschen vor dem "Westin Hotel" Leipzig versammelt, um Solidarität mit dem Musiker Gil Ofarim und Jüdinnen und Juden in Deutschland zu zeigen. Aufgerufen hatte das Bündnis "Leipzig nimmt Platz". Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl zunächst auf den "mittleren dreistelligen Bereich", wie eine Sprecherin sagte.

Ofarim war am Montag nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls in dem Leipziger Hotel geworden. Der Sänger berichtete sichtlich bewegt in einem heute veröffentlichten Instagram-Video, ein Mitarbeiter des "Westin Leipzig" habe ihn am Empfang aufgefordert, seinen Davidstern einzupacken. Dann dürfe er einchecken. Ein Sprecher des "Westin Leipzig" sagte, dass man sehr besorgt über den Bericht sei und die Angelegenheit extrem ernst nehme. Die "betreffenden Mitarbeiter" sind laut "Leipziger Volkszeitung" vorerst beurlaubt werden.

Auf Nachfrage von ntv.de hatte ein Sprecher des Hotels geantwortet: "Wir sind besorgt über diesen Bericht und nehmen die Angelegenheit sehr ernst. Wir versuchen mit allen Mitteln, Herrn Ofarim zu kontaktieren, während wir ermitteln, was hier passiert ist." Ziel sei es, dass Gäste und Mitarbeiter, "unabhängig von ihrer Religion integrativ, respektvoll und unterstützend" miteinander umgehen und behandelt würden.

"Packen Sie ihren Stern ein"

Irena Rudolph-Kokot von "Leipzig nimmt Platz" sagte bei der Kundgebung, dass der antisemitische Vorfall extrem wütend mache und nicht unwidersprochen bleiben dürfe. "Wir solidarisieren uns mit allen Jüdinnen und Juden, denen das in Deutschland immer noch viel zu häufig passiert", sagte sie. Neben den Hunderten Teilnehmenden aus der Zivilgesellschaft nahmen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotels an der Kundgebung teil. Sie hielten vor dem Hoteleingang ein Transparent hoch, auf dem die Flagge Israels zu sehen war.

Ofarim hatte den Vorfall in einer emotionalen Stellungnahme geschildert. Demnach sei am Hotelempfang wegen technischer Probleme eine lange Schlange entstanden. Ofarim sagte, er habe sich eingereiht - mit seiner Davidstern-Kette um den Hals. "Das steht mir zu. Mache ich schon mein Leben lang", sagte Ofarim im Video. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden. Als er nach 15 Minuten an der Reihe gewesen sei, habe er gefragt, was das solle. Der Hotelmitarbeiter habe ihm die Antwort gegeben: "Um die Schlange zu entzerren", dabei habe Ofarim ja selbst darin gestanden. Daraufhin habe "irgendeiner aus der Ecke" gerufen, dass er seinen Stern einpacken solle. Auch der Hotel-Mitarbeiter habe gesagt: "Packen Sie Ihren Stern ein."

Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. Er besteht aus einem Hexagramm, das durch zwei ineinander verwobene gleichschenklige Dreiecke gebildet wird. Obwohl das Hexagramm als jüdisches Zeichen bereits im 7. Jahrhundert vor Christus vorkommt, schmückt der Davidstern erst seit dem Mittelalter Synagogen und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern den Juden als Stigma ("Judenstern") aufgezwungen.

Ofarim möchte sich nicht äußern

Olaf Hoppe, Sprecher der Leipziger Polizei, sagte, dass die mutmaßliche Aussage des Hotelangestellten für ihn "klar antisemitisch" sei. Die Polizei werde Inhalte des Videos an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die eine strafrechtliche Relevanz prüfe. Je nach Ergebnis werde dann weiter ermittelt oder nicht. Wie Hoppe weiter erklärte, war die Polizei bei dem Vorfall nicht vor Ort. Mit Ofarim habe man bislang nicht gesprochen. Die Behörde kenne sein Video und habe es gesichert. Ofarim selbst wollte sich zu dem Vorfall auf dpa-Anfrage zunächst nicht äußern.

Laut seinem Management erwägt er, eine Strafanzeige zu stellen. Bisher habe es keine offizielle Entschuldigung seitens des Hotels gegeben. Er müsse die Vorkommnisse in Leipzig erst einmal verdauen und sei sichtlich schockiert. "Heute wäre der Geburtstag seines Vaters gewesen, deshalb möchte er zu diesem Thema auch erst einmal keine weiteren persönlichen Interviews geben", hieß es. Der Tag sei generell schon schwer genug für ihn. Man bitte um Nachsicht und Verständnis.

Deutliche Reaktionen aus Kunst und Politik

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, schrieb in einem Statement bei Twitter, dass die Anfeindung erschreckend sei. Es sei zu hoffen, dass das Hotel personelle Konsequenzen ziehe. Er hoffe ebenso, "dass wir künftig auf Solidarität treffen, wenn wir angegriffen werden." Der Pianist Igor Levit schrieb an das Hotel gerichtet: "Shame on you". Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) schrieb bei Twitter, dass Ofarim am Montagabend Gast einer Aufzeichnung im Auftrag des MDR gewesen sei. Was er anschließend aus dem Hotel schildere, sei zutiefst beschämend. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sprach von einem "unfassbaren Fall von Antisemitismus" und einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Die Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, sagte laut Mitteilung, dass dem Musiker die uneingeschränkte Solidarität des Vereins gelte. "Juden waren in Deutschland schon mal in Hotels unerwünscht. Das war 1933. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und personelle Konsequenzen." Auch sächsische Politikerinnen und Politiker äußerten sich. Sachsens Innenminister Roland Wöller hofft darauf, dass der Musiker Anzeige erstattet, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. "Sachsen ist ein weltoffenes Land", betonte der CDU-Politiker Wöller.

Wirtschaftsminister Martin Dulig schrieb bei Twitter, es mache ihn wütend, was Ofarim widerfahren sei. Der SPD-Politiker spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in Sachsen, wenn er sich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige. "Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!" Auch Umweltminister Wolfram Günther von den Grünen zeigte sich bei Twitter bestürzt. "Antisemitismus darf keinen Platz haben. Nicht offen, nicht verdeckt. Nicht in Sachsen, nicht in Deutschland, nirgendwo."

Quelle: ntv.de, tsi/dpa

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