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"Bringt so viel wie Medikament" Studie: Dieses Training hilft am besten gegen Bluthochdruck

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Der Wandsitz ("Wall Sit") gehört zu den isometrischen Übungen, die sich als sehr effektiv gegen hohen Blutdruck erwiesen haben.

Der Wandsitz ("Wall Sit") gehört zu den isometrischen Übungen, die sich als sehr effektiv gegen hohen Blutdruck erwiesen haben.

(Foto: picture alliance / dpa Themendienst)

Bluthochdruck ist eine weltweite Volkskrankheit, etwa 1,3 Milliarden Menschen leiden daran. Oft bekommen betroffene Patienten Ausdauertraining empfohlen. Tatsächlich könnten aber ganz andere Übungen effektiver sein, findet eine Übersichtsstudie heraus.

Statische isometrische Übungen, also Kraftübungen, bei denen die Muskeln ohne Bewegung angespannt werden, sind vermutlich besonders gut, um den Blutdruck zu senken. Das legt zumindest eine Metaanalyse von 270 Studien nahe, über die ein britisches Forschungsteam im "British Journal of Sports Medicine" berichtet. Für einen deutschen Experten unterstreicht die Arbeit vor allem, wie effektiv das "Medikament Sport" sei.

Bluthochdruck ist schon lange eine globale Volkskrankheit: 2021 ergab eine im Fachblatt "The Lancet" veröffentlichte Studie, dass sich die Zahl der Betroffenen in 200 untersuchten Ländern zwischen 1990 und 2019 auf knapp 1,3 Milliarden verdoppelt hat. Hierzulande sind es nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga zwischen 20 und 30 Millionen Menschen. Unbehandelt kann eine Hypertonie zu Nierenschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen führen.

Allerdings gibt es mittlerweile zahlreiche wirksame medikamentöse wie auch nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten, zu denen neben einer angepassten Ernährung vor allem regelmäßige Bewegung zählt. Empfehlungen stellen dabei häufig moderates Ausdauertraining in den Vordergrund, also etwa Gehen, Schwimmen oder Radfahren.

Auswertung von 270 Studien

Wie eine Forschungsgruppe der britischen Canterbury Christ Church University und der University of Leicester nun allerdings herausgearbeitet hat, könnten derartige Empfehlungen vielleicht aktualisiert und um neue Trainingsformen erweitert werden müssen. Zu diesem Schluss kommen die Wissenschaftler nach Auswertung von 270 Studien, die zwischen 1990 und Februar 2023 veröffentlicht wurden und insgesamt fast 16.000 Teilnehmende umfassten.

Die Studien untersuchten die Auswirkungen verschiedener Sportformen, die für mindestens zwei Wochen durchgeführt wurden, auf den Blutdruck. Als gesunden Blutdruck definierten die Autoren einen Ruhewert unter 130 zu 85, als hohen Blutdruck einen Wert ab 140 zu 90.

Trainingsformen unterschiedlich effektiv

Die Auswertung ergab, dass alle untersuchten Trainingsformen sowohl den oberen (systolischen) als auch den unteren (diastolischen) Wert senken konnten - allerdings mit unterschiedlicher Effektivität. So ließen isometrische Übungen - etwa Unterarmstütz ("Plank"), Skihocke, Wandsitz ("Wall Sit") oder Handgriff-Kraftübungen - die Werte bei Menschen mit Hypertonie am meisten sinken.

Danach folgten eine Kombination aus Ausdauer- und dynamischem Krafttraining, dynamisches Krafttraining allein, Ausdauertraining allein und Intervalltraining mit hoher Intensität (HIIT). Bei Menschen mit normalem oder leicht erhöhtem Blutdruck zeigten sich die Senkungen weniger ausgeprägt oder gar nicht.

Für Sportmediziner und Kreislaufforscher Hans-Georg Predel von der Deutschen Sporthochschule sind die Vorteile isometrischer Kräftigungsübungen für Hypertonie-Patienten nichts Neues: "Wir nutzen sie schon lange, weil sie niedrigschwellig sind und keine Geräte erfordern." Niedrigschwellig bedeute aber nicht, dass Betroffene ohne fachliche Einweisung loslegen sollten: "Die Skihocke verführt zum Beispiel zur Pressatmung, die Menschen mit Bluthochdruck unbedingt vermeiden sollten." Deswegen sollten sich gerade Ungeübte an gesundheitsorientierte Sportstudios oder Physiotherapeuten wenden.

Grund für Effektivität

Warum aber können vermeintlich einfache Übungen wie etwa das feste Drücken eines Schaumstoffballs oder Handtrainers (Griffkrafttraining) oder der Wandsitz so effektiv sein? Predel, der auch Sprecher der Sektion Sportmedizin der Deutschen Hochdruckliga ist, führt das auf mehrere Mechanismen zurück: Zum einen erhöhe muskuläres Training als solches die Elastizität der Blutgefäße und verbessere den Blutkreislauf. Zum anderen setze eine trainierende Muskulatur sogenannte Myokine frei. Diese hormonähnlichen Substanzen würden auf viele Herzkreislauf- und Stoffwechselparameter wirken, die wiederum positiven Einfluss auf den Blutdruck nähmen.

Folglich könne es tatsächlich an der Zeit sein, Hypertonie-Empfehlungen zu aktualisieren, wie es die Autoren der Metaanalyse vorschlagen. Die erst kürzlich veröffentlichen neuen Leitlinien der Europäischen Hochdruckgesellschaft würden zwar schon Vorteile von isometrischen und kräftigenden Übungen erwähnen, stellten aber immer noch das Ausdauertraining in den Vordergrund.

Grundsätzlich - und das betonen sowohl die Autoren der aktuellen Arbeit als auch Hans-Georg Predel - würden alle in der Metaanalyse aufgeführten Trainingsformen Bluthochdruck senken. Überhaupt seien die Effekte regelmäßiger Bewegung vergleichbar mit denen von Medikamenten, erläutert der Experte der Deutschen Sporthochschule: "Das Medikament Sport bringt ungefähr so viel wie ein etabliertes Blutdruck-Medikament. Dennoch ist es immer noch dramatisch unterschätzt und drastisch ungenutzt."

Kein großer sportlicher Aufwand nötig

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Dabei sind laut Predel keine großen sportlichen Ambitionen nötig: "Drei bis vier Mal pro Woche Spazierengehen oder Radfahren an der frischen Luft und dazu ein bis zweimal 15 bis 20 Minuten isometrische und kräftige Übungen, die man auch zu Hause durchführen kann, reichen bereits aus."

Wichtig sei indes, sich regelmäßig und konsistent zu bewegen. Dabei könne ein systematischer Plan helfen. Hypertonie-Patienten mit größerem sportlichem Ehrgeiz sollten vor dem Start ihres Trainingsprogramms hausärztlichen Rat einholen. Insgesamt werde die positive Wirkung regelmäßiger Bewegung schnell sichtbar, verspricht Predel: "Schon wenn man drei bis vier Wochen in seine Lebensqualität investiert hat, zeigen sich die Effekte auf den Blutdruck."

Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa

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