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Millionen Bundesbürger betroffen Wie Bluthochdruck besser behandelt werden könnte

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Zur medikamentösen Behandlung von Bluthochdruck stehen vier verschiedene Wirkstoffklassen zur Verfügung.

Zur medikamentösen Behandlung von Bluthochdruck stehen vier verschiedene Wirkstoffklassen zur Verfügung.

(Foto: IMAGO/imagebroker)

Bluthochdruck ist weit verbreitet. Obwohl vier Wirkstoffklassen zur Verfügung stehen, kann nicht jedem Betroffenen gut geholfen werden. Wie sich ein Wechsel zwischen den Präparaten bei Patienten auswirkt, wollten Forschende aus Uppsala wissen. Aufgrund ihrer Studienergebnisse plädieren sie für individualisierte Therapieansätze.

Bluthochdruck-Patienten könnten durch einen Wechsel ihres Medikaments möglicherweise weitaus größere Verbesserungen erfahren als durch eine höhere Dosis. Aufgrund dieser Resultate ihrer Studie plädieren schwedische Mediziner im Fachblatt "JAMA" dafür, künftig verstärkt personalisierte Therapieansätze zu testen. Ein deutscher Experte zweifelt allerdings daran, dass sich solche Ansätze derzeit in der klinischen Praxis umsetzen lassen.

Bluthochdruck ist eine globale Volkskrankheit: 2021 ergab eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass sich die Zahl der Betroffenen in 200 untersuchten Ländern von 1990 bis 2019 auf knapp 1,3 Milliarden Menschen verdoppelt hat. Hierzulande sind es nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga zwischen 20 und 30 Millionen Menschen. Unbehandelt kann Hypertonie zu Nierenschäden, Herzerkrankungen und Schlaganfällen führen. Obwohl es mittlerweile verschiedene effektive Medikamente gibt, gelingt es nur 25 Prozent der erkrankten Frauen und 20 Prozent der Männer, damit ihre Therapieziele zu erreichen, so die WHO-Untersuchung.

Medikamentenwechsel statt Dosiserhöhung

Gründe dafür untersuchten nun Wissenschaftler der Universität Uppsala. Konkret ging das Team um den Kardiologen Johan Sundström der Frage nach, inwiefern sich die Wirksamkeit unterschiedlicher Blutdruckmedikamente von Mensch zu Mensch unterscheidet. Die Mediziner untersuchten an 280 Teilnehmenden, ob es ein optimales Blutdruckmedikament für jeden einzelnen Patienten und somit Potenzial für eine personalisierte Blutdruckbehandlung gibt.

Dafür nahmen die Probanden insgesamt ein Jahr lang abwechselnd vier gängige Medikamente unterschiedlicher Wirkstoffklassen - Thiaziddiuretika, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Antagonisten und Kalziumantagonisten. Die Wirkung der Arzneien war von Person zu Person sehr unterschiedlich, und bestimmte Patienten erzielten mit einem Medikament einen niedrigeren Blutdruck als mit einem anderen. Darüber hinaus wirkte sich ein Medikamentenwechsel für viele Probanden und Probandinnen stärker aus als die Verdoppelung der Dosis des aktuellen Medikaments.

Sind die Leitlinien veraltet?

Dieses Ergebnis stellt den Autoren zufolge die Behandlungsleitlinien zahlreicher Länder infrage, denen zufolge die vier untersuchten Medikamentengruppen allen Hypertonie-Betroffenen gleichermaßen empfohlen werden. "Diese Studie liefert den Beweis, dass weit verbreitete Blutdrucksenker je nach Person unterschiedlich wirksam sind, was das Potenzial für eine stärkere Senkung des Blutdrucks durch eine personalisierte Therapie bietet", heißt es. In einer Mitteilung konkretisiert Sundström: "Wenn wir die Medikation eines jeden Patienten individuell anpassen, können wir eine bessere Wirkung erzielen, als wenn wir ein Medikament aus einer dieser vier Medikamentengruppen zufällig auswählen."

Für Markus van der Giet, Hypertensiologe an der Charité in Berlin, wäre ein solcher personalisierter Behandlungsansatz zwar wünschenswert, in der Praxis derzeit allerdings kaum umsetzbar: "Das würde bedeuten, Patienten hintereinander alle Medikamente durchprobieren zu lassen, was im klinischen Alltag nicht funktionieren würde und für die Patienten wahrscheinlich auch eine frustrierende Erfahrung wäre."

Die "wissenschaftlich faszinierende" Studie zeige indes, dass manche Medikamente für einige Patienten vorteilhafter sein könnten als andere. "Allerdings weiß man eben nicht im Voraus, welcher Patient wie auf welches Medikament reagiert", betont van der Giet, der auch Präsident der Deutschen Hochdruckliga ist.

Therapien mehr auf Personengruppen zuschneiden

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Tatsächlich räumen die Autoren selbst eine, dass für eine personalisierte Therapie nach Biomarkern geforscht werden müsste, die derartige Prognosen ermöglichen würden. "Solche Biomarker sind aber längst nicht so stabil, wie man meinen könnte, sondern können im Kontext der Blutabnahmebedingungen, durch tageszeitliche Schwankungen und Temperaturveränderungen variieren", gibt van der Giet zu bedenken.

Der Experte vermutet, dass es zweckmäßiger sein könnte, Therapien verstärkt auf Personengruppen zuzuschneiden. "Wir wissen zum Beispiel, dass bestimmte Gruppen - ob Frauen oder Männer, ältere oder jüngere Menschen - unterschiedlich auf Medikamente reagieren." So würden etwa Kalziumantagonisten oder Diuretika bei älteren Patienten, deren Gefäße an Elastizität verlören, eine gute Wirkung zeigen. Betablocker seien dagegen eher bei jüngeren Betroffenen angezeigt, so van der Giet: "Eine solche Personalisierung, die nicht das Individuum, sondern größere Cluster umfasst, könnte durchaus sinnvoll sein."

(Dieser Artikel wurde am Montag, 17. April 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa

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