Tourismus-Pleite Wie FTI den Reise-Boom verpasste
04.06.2024, 17:30 Uhr
Die Deutschen reisen wieder wie die Weltmeister, aber nicht mehr mit FTI.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Deutschen reisen so viel wie nie zuvor und geben Rekordsummen dafür aus. Die Tourismusbranche hat die Corona-Krise hinter sich gelassen - bis auf FTI. Der drittgrößte Reisekonzern Europas ist pleite. Wie konnte das passieren?
2023 war ein Rekordjahr für die deutsche Tourismusbranche. Nach dem heftigen Einbruch in der Corona-Pandemie übertraf der Umsatz zum ersten Mal wieder das Vor-Krisenniveau. Für dieses Jahr erwartet die Branche ein weiteres Plus, seit Monaten berichten Reisebüros und Veranstalter von hohen Buchungszahlen. Doch ein Unternehmen profitierte von dieser Entwicklung offensichtlich überhaupt nicht: Europas drittgrößter Reisekonzern FTI.
Wie andere Unternehmen der Branche auch, war FTI in der Corona-Zeit in die Krise gerutscht. Mit mehr als 500 Millionen Euro griff der deutsche Staat mithilfe des Wirtschaftsstabilisierungsfonds der FTI Group unter die Arme. Auch der größte Touristikkonzern der Welt, TUI, bekam damals Staatshilfen im Wert von mehreren Milliarden Euro, die inzwischen allerdings vollständig zurückgezahlt wurden. Die Lufthansa erhielt aus mehreren Ländern Hilfen, darunter Kredite und Einlagen des Bundes in Milliardenhöhe, die inzwischen wieder zurückgezahlt wurden.
FTI, die Muttergesellschaft unter anderem des Reise-Shoppingsenders Sonnenklar.TV, schaffte es nicht, ihre Corona-Altlasten loszuwerden. Im Gegenteil - seit Monaten schon rutschte der Konzern so tief in die Krise, dass auch er von dem aktuellen Buchungsboom der Branche nicht mehr profitieren konnte. Die Gruppe suchte lange erfolglos nach Investoren, die mit neuem Kapital helfen würden, die hohen Schulden unter anderem aus der Corona-Zeit abzubauen. Auch eine mögliche Fusion mit der Nummer zwei der Branche in Deutschland, DER Touristik, wurde durchgespielt. FTI-Haupteigner, die ägyptische Milliardärsfamilie Sawiris, drückte zwar öffentlich sein Vertrauen in die Zukunft des Konzerns aus, war aber nicht bereit oder in der Lage, für die notwendigen zusätzlichen Investitionen aufzukommen.
Corona-Schulden zum "Marktpreis" übernommen
Während sich die Suche nach frischem Kapital schwierig gestaltete, kamen erste Berichte über Liquiditätsprobleme bei FTI auf. Über die Notwendigkeit eines Teil-Erlasses der Schulden wurde diskutiert. Berichten zufolge lehnte die Bundesregierung das ab, um den Eindruck zu vermeiden, Investoren wie der Familie Sawiris Geldgeschenke zu machen. Derartige Kritik hatte es im Laufe der Corona-Krise immer wieder gegeben, wenn Unternehmen Staatshilfen erhielten, von denen dann auch deren Investoren und Aktionäre profitierten.
Berichte über die möglicherweise erdrückenden Schulden von FTI führten allerdings dazu, dass sich zum einen Kunden aus Angst vor einer - nun eingetretenen - Pleite mit Buchungen zurückhielten. Zum anderen sollen auch Geschäftspartner zunehmend Vorkasse gefordert haben. Bevor FTI im Teufelskreis unterzugehen drohte, kam im April die Meldung, dass ein Retter gefunden sei. Der US-Finanzinvestor Certares wollte FTI übernehmen, für einen symbolischen Euro, aber mit dem Versprechen 125 Millionen Dollar in das Unternehmen zu investieren und die Schulden zu übernehmen. Wobei die Bundesregierung bereit war, ihre Ansprüche zum "Marktpreis" abzutreten, was einen erheblichen Abschlag bedeutete.
Am Wochenende scheiterten die letzten Rettungsversuche
Laut einem Bericht des "Business Insider" offenbarte sich im Anschluss an diese Vereinbarung ein Chaos im Management des Reisekonzerns, das die Rettung unmöglich machte. Zunächst überwies Certares demnach wie geplant 50 Millionen Euro an FTI, womit der Betrieb zunächst aufrechterhalten werden konnte. Bedingung für die Zahlung der ausstehenden 175 Millionen Euro in weiteren Tranchen sei jedoch gewesen, dass FTI eine verlässliche Liquiditätsplanung aufstellen sollte, wozu das Unternehmen aber offenbar nicht mehr in der Lage war. Neuerliche Berichte über eine mögliche Insolvenz schürten gleichzeitig Sorgen bei Reisenden und Geschäftspartnern.
Versuche, in letzter Minute andere Geldquellen aufzutun, blieben erfolglos. Die Sawiris-Familie winkte, laut Informationen des "Business Insider", nicht zuletzt aus Ärger ab, weil das FTI Management keine verlässlichen Zahlen liefern konnte. Die Idee, dass der Konzern seine Einlagen im Deutschen Reisesicherungsfonds im Wert von 200 Millionen Euro als eine Art Notreserve anzapfen könnte, soll an der Bundesregierung gescheitert sein, die dafür eine Bürgschaft hätte übernehmen müssen.
Am vergangenen Wochenende zeichnete sich damit immer stärker ab, dass die Rettung des Unternehmens endgültig gescheitert war. Am Montag stellte zunächst die FTI Touristik GmbH Insolvenzantrag, weitere Gesellschaften des Konzerns sollen folgen.
Quelle: ntv.de