Infografik

Blindflug durch die Sommerwelle? Was die Daten zur Corona-Lage verraten

Die Sommerwelle scheint abzuebben.

Die Sommerwelle scheint abzuebben.

(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)

Zweieinhalb Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie sind die Schutzmaßnahmen in Deutschland weitestgehend aufgehoben. Eine Infektionswelle rauscht durch die Bundesrepublik, die Lage ist unübersichtlich. Die wichtigsten Kennzahlen zur aktuellen Lage.

Die gute Nachricht vorweg - die aktuelle Sommerwelle verliert an Kraft. Darauf deutet zumindest die Zahl der nachgewiesenen Infektionen hin. Aber auch verlässlichere Werte lassen zumindest einen leichten Trend erkennen. So sank zum Beispiel die Zahl der Covid-Patienten auf deutschen Intensivstationen seit dem 26. Juli (1621 Fälle) um mehr als ein Sechstel. Bei den besonders schweren Fällen, die beatmet werden müssen, lässt sich eine solche Entwicklung allerdings nicht beschreiben.

Die Zahl der erkannten Corona-Infektionen war lange der zentrale Richtwert in der Pandemie. Über die Woche gemittelt und auf 100.000 Einwohner gerechnet, zeigte sie als Sieben-Tage-Inzidenz den Pegelstand der Infektionslage an. Dabei wurden nie alle Ansteckungen erfasst, das Testsystem konnte immer nur einen Ausschnitt des Infektionsgeschehens sichtbar machen. Dieser Ausschnitt aber war lange Zeit ähnlich groß, weshalb die produzierten Werte sich gut vergleichen ließen.

Die Datenlage hat sich verändert: Das bisherige fallbasierte Test- und Meldesystem wurde umgestellt. Mittlerweile kommt es nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) nicht mehr darauf an, jeden Infektionsfall einzeln zu erfassen. Es beleuchtet einen kleineren Ausschnitt der Gesamtlage. Das Netz, mit dem die Gesellschaft nach Infektionen durchsiebt wird, ist wesentlich gröber geworden. Deshalb lassen sich die Ansteckungszahlen nicht über den gesamten Zeitraum der Pandemie nur mit Einschränkungen gegenüberstellen. Die Inzidenz des Augusts 2020 lässt sich kaum mit der des Augusts 2022 vergleichen: zu sehr schwanken das Testaufkommen und die Zahl der erkannten Ansteckungen. Außerdem haben sich auch das Virus und die Immunität in der Bevölkerung massiv verändert.

Die Infektionszahlen aus dem Juni und dem August 2022 aber sind auf vergleichbarer Basis zustande gekommen. Deshalb lassen sie sich durchaus vergleichen. Zuvor hatte es im Frühjahr eine massive Doppelwelle gegeben. Rund 19 Millionen Menschen haben sich in dieser Zeit nachweislich mit dem Virus infiziert. Nach einem Tiefpunkt Ende Mai rollte dann die Infektionswelle an, in der wir uns derzeit befinden.

Sie trifft auf eine Gesellschaft, die ihre Schutzmaßnahmen größtenteils zurückgefahren hat: Masken müssen nur noch in Bahnen getragen werden, die Kontaktnachverfolgung wurde schon zu Jahresbeginn aufgegeben: Nur noch ein Bruchteil der Infizierten taucht in der offiziellen Statistik auf. Vor allem aber trifft die Sommerwelle auf wenig öffentliches Interesse. Die Pandemie wird von anderen Themen überlagert, die Krankheit hat für viele ihren Schrecken verloren.

Dass die Welle ihren Scheitelpunkt erreicht zu haben scheint, liegt wohl weniger an politischen Maßnahmen oder verändertem Verhalten. Vielmehr dürften die Sommerferien ihren Teil dazu beitragen, dass im Wochenschnitt aktuell nur noch gut halb so viele Infektionen erfasst werden wie noch am 20. Juli (98.083, am 6.8. noch 53.572). Damals lag die Inzidenz bei 740,1 – zwischenzeitlich sank sie auf 417,2.

Seit Mitte Juli sind in vielen Bundesländern Schulferien. Das betrifft zu diesem Zeitpunkt etwa die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands. In der letzten Juliwoche haben dann bereits Schüler in 14 der 16 Bundesländer frei, mit dem August sind in ganz Deutschland Ferien: Nirgendwo treffen sich mehr Kinder in Klassenräumen, Eltern nehmen Urlaub, viele fahren ins Ausland. Das könnte ein Grund für den derzeit zu beobachtenden Rückgang der Infektionszahlen sein.

Die Reisen nach Frankreich, Portugal, Kroatien oder in die Karibik, ins inner- und außereuropäische Ausland dürften gleichzeitig die Grundlage für das Infektionsgeschehen im Herbst und Winter bereiten. In Deutschland hat sich der Omikron-Subtyp B.A.5 mittlerweile nahezu vollständig durchgesetzt. Welche Virusvariante die nächste Welle prägen wird, hängt auch von den Reiserückkehrern ab.

Wer in dieser unübersichtlichen Lage Orientierung sucht, ist gut beraten, zunächst auf die Entwicklung in den Krankenhäusern zu schauen: Die Divi-Angaben zur Zahl der schwer erkrankten Covid-Patienten auf den Intensivstationen liefert unmittelbare Anhaltspunkte zur Entwicklung. Der Vorteil: Hier gibt es keine dramatische Untererfassung, wie mittlerweile bei den Infektionszahlen. Test- und Infiziertenstatistik können aber weiter helfen, die Lage zusätzlich einzuordnen.

Im Blick sollten außerdem die Virusvarianten bleiben: Das Überwachungssystem in den deutschen Laboren stellt sicher, dass eine Ausbreitung neuer, ansteckender Mutationen nicht unerkannt bleibt. Ein erstes Alarmsignal zum Beispiel wäre hier, wenn der Omikron-Subtyp in den kommenden Wochen seine beherrschende Rolle im Infektionsgeschehen verlieren sollte. Zuletzt lag der BA.5-Anteil in Deutschland laut RKI noch bei 92,1 Prozent aller analysierten Corona-Befunde.

Ab dem Oktober dürften dann auch die neuen Regeln zum Infektionsschutz gelten, die die Bundesregierung vereinbart hat. Sie sehen eine Maskenpflicht im Fernverkehr und zusätzlich eine Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vor. Die Bundesländer können diese Regeln gegebenenfalls verschärfen. Lockdowns, Schulschließungen und Ausgangssperren aber soll es nicht mehr geben.

Quelle: ntv.de

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