"Tatort" aus FrankfurtEs werde Licht

Im ersten Einsatz war es dunkel, diesmal ausgesprochen hell, das neue Frankfurter Team Azadi und Kulina bewies seine Qualität auch im zweiten Fall - und sorgte für ein emotionales Wiedersehen mit einem bekannten "Tatort"-Gesicht.
Hand aufs Herz und ohne zu spicken: Was schätzen Sie, wie lange es wohl her ist, dass Frieda Jung alias Maren Eggert sich offiziell vom Kieler "Tatort" verabschiedete? Der Blick ins Archiv ergibt Überraschendes: Unglaubliche fünfzehn Jahre liegt es zurück, mit "Tango für Borowski" endete im Jahre 2010 die besondere Beziehung zwischen ihr und Borowski nach neun gemeinsamen Abenteuern. Zweimal noch tauchte sie im Revier des eigenwilligen Ermittlers auf, 2015 bei der "Rückkehr des stillen Gastes" und 2025, als Borowski seinen Hut nahm und mit ihr, der verehrten Kollegin, vom gemeinsamen Lebensabend träumte.
Völlig anders ihr Part im Frankfurter "Tatort", als Anna Reiter spielte sie eine Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs, seit sechs Jahren im emotionalen Ausnahmezustand. So lange war es her, dass ihre damals dreijährige Tochter Viktoria spurlos verschwand. Maren Eggert spielte diese herausfordernde Rolle so überzeugend wie sie einst die vom Kommissar umworbene Psychologin gab - emotional, mit gutem Gespür für die kleinen und großen Gesten. Besonders eindrucksvoll geriet das Finale, Drehbuch-Autor Senad Halilbašić hatte sich eine überaus intensive "Pointe" für den Schluss aufgehoben - dass Annas Tochter tatsächlich noch am Leben war, der kruden Licht-Sekte entkommen, damit war nicht mehr zu rechnen. Umso tragischer, dass das Mädchen von der eigenen Mutter - für sie in diesem Moment eine fremde Frau - nichts wissen wollte.
Mit "Dunkelheit" hatten Maryam Azadi (Melika Foroutan) und Hamza Kulina (Edin Hasanovic) Anfang Oktober erst ins "Tatort"-Geschehen eingegriffen. Ihr Spezialgebiet sind Fälle, die zu den Akten gelegt wurden, ohne geklärt werden zu können - angesichts der Popularität von "True Crime"-Formaten nur eine Frage der Zeit, wann das Sujet der 'Cold Cases' seinen Platz im Sonntagabend-Krimi der ARD finden würde. Ein Kellerbüro, ein Ermittler-Duo mit einer besonderen Chemie und ein besonders schwieriger Fall samt persönlicher Verwicklung - die Formel ging auch diesmal wieder auf.
Es gibt einen realistischen Hintergrund
Als besonders mysteriös entpuppte sich dabei eine Sekte, die mit dem Verschwinden des Mädchens in unmittelbarem Zusammenhang stand. Auf einem abgelegenen Hof lebte diese Gemeinschaft, die sich von Licht "ernährte". So krude das auch klingen mag, es gibt einen realistischen Hintergrund für dieses absonderliche Phänomen. Vor acht Jahren sorgte etwa der Fall des Hamburgers Finn Bogumil für Schlagzeilen. Der 22-Jährige war auf der karibischen Insel Dominica verstorben, nachdem er wochenlang auf Nahrung verzichtet hatte, im Glauben, sich von Licht gesünder ernähren zu können. 2024 ließ der 44-jährige russische Influencer und Lifestyle-Blogger Maxim Lyutyi sein neugeborenes Baby verhungern. Lyutyi war davon überzeugt, dass es keine Nahrung, sondern nur Licht zum Leben braucht. Kosmos, so hieß sein Sohn, wurde kaum einen Monat alt. Zum Zeitpunkt seines Todes wog er gerade einmal 1,5 Kilogramm.
Drehbuch-Autor Senad Halilbašić und Regisseur Rick Ostermann verbauten das Thema "Lichtnahrung" als Kern dieser Geschichte, verfielen dabei jedoch nicht in Erklärmuster oder moralische Ausdeutungen. So verworren die Anhänger dieser speziellen "Diät" auch sein mögen, im "Tatort" waren sie zuvorderst Personal in einer fiktiven Kriminalgeschichte, mehrdeutig erzählt, bildstark und spannend - mit einer großartigen Maren Eggert in einer der Hauptrollen.
Ob Borowski, oder besser, Axel Milberg wohl eingeschaltet hatte, um der einst angeschwärmten Kollegin bei der Rückehr zum "Tatort" zuzuschauen? Vielleicht löst er in diesen Tagen ja auch ein Theaterticket. Am Deutschen Theater in Berlin überzeugt Maren Eggert aktuell in gleich zwei Stücken, zum einen "Das Dinner", unter der Regie von András Dömötör, und Ildikó Gáspárs Apaption des Kleist-Klassikers "Die Marquise von O.".
Im kommenden "Tatort" melden sich zwei zurück, die kürzlich ihre Fähigkeiten als Live-Improvisateure beim Krimi-Dinner "Tödliches Spiel" unter Beweis gestellt haben, und das ebenfalls durchaus theatralisch. Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) stoßen in "Die Erfindung des Rades" auf ein Netz aus Familiengeheimnissen, Ehrgeiz und einer außergewöhnlichen Theorie zur Geschichte des Fahrrads - am 7. Dezember um 20.15 Uhr in der ARD.