Unterhaltung

70 Jahre "Bunte" "Wen würde man denn heute noch jagen?"

Eines DER wichtigsten Paparazzi-Fotos aller Zeiten: Lady Di, endlich frei, aber wenige Tage vor ihrem Tod.

Eines DER wichtigsten Paparazzi-Fotos aller Zeiten: Lady Di, endlich frei, aber wenige Tage vor ihrem Tod.

(Foto: imago/E-PRESS PHOTO.com)

Sitzen drei Frauen auf dem Sofa. Sagt die eine: "Heute ist Mittwoch". Sagt die andere: "Morgen kommt die 'Bunte'." Sagt die Dritte: "Schon seit 70 Jahren übrigens." Gut, ganz so war es nicht, aber so ähnlich darf man sich das vorstellen, wenn Patricia Riekel, ehemalige Chefredakteurin von "Bunte", 20 Jahre das Gesicht und Richtungsgeberin der Wochenzeitschrift aus dem Hause Burda, und die Journalistin Beate Wedekind, auch eine Frau mit Burda-Vergangenheit, bei n-tv.de aufeinandertreffen.

In der ersten Folge unseres ausführlichen Interviews geht es um Klatsch und Tratsch, um den Boulevardjournalismus an sich und die Privatsphäre von Prominenten im Besonderen.

n-tv.de: Fangen wir mit dem "Klatsch und Tratsch" an. Aber zuerst die Frage: Wie dezent muss man sein, um das Vertrauen von Prominenten zu erhalten?

Patricia Riekel

Patricia Riekel

(Foto: Hubert Burda Media )

Patricia Riekel: Das Wort "dezent" gefällt mir ausgesprochen gut in dem Zusammenhang! Und beantwortet deine Frage auch gleichzeitig (lacht). Man muss dezent sein. Ich glaube, dass Diskretion im Boulevardjournalismus nicht nur eine Tugend ist, sondern auch eine Notwendigkeit. Es gibt die veröffentlichte und die nicht veröffentliche Gesellschaft. Es gibt Menschen, die wollen, dass man alles über sie schreibt. Und dann gibt es Menschen, die wollen nur dargestellt werden, wenn es ihr Image in der Öffentlichkeit fördert, also wenn sie einen Krankenhausflügel für krebskranke Kinder stiften oder bei einer Charity etwas ersteigern. Und es gibt die Prominenz, die überhaupt keine Berichterstattung über sich wünscht. Ich finde, die Kunst des Boulevardjournalisten ist, die Verantwortung den Leuten gegenüber, über die er schreibt, nicht aus den Augen zu verlieren.

Da fällt dann einiges unter das berühmte "Siegel der Verschwiegenheit" …

PR: Ja, sicher. Von einigen Schauspielerinnen und Sängerinnen weiß ich wahnsinnig viel, weil ich sie und ihr Umfeld sehr gut kenne, in einigen Fällen bin ich auch mit ihnen befreundet, da kann und werde ich mein Wissen natürlich nie und nimmer benutzen. Und selbst routinierte Prominente, wie eine Veronica Ferres oder ein Til Schweiger, erzählen oft im Überschwang mehr, als sie über sich lesen wollen. Da ist dann das Fingerspitzengefühl gefragt, das mich als Journalistin vor die Wahl stellt: Posaune ich alles raus oder behalte ich lieber auch etwas für mich?

Beate Wedekind

Beate Wedekind

(Foto: Beate Wedekind)

Ein schmaler Grat …

PR: Das ist die größte Herausforderung, vor der ein Boulevardjournalist oft steht. Um gute Infos zu bekommen, muss man schließlich erst einmal eine gute Beziehung aufbauen, du musst dich als loyal und verschwiegen erweisen.

Das macht die Sache nicht gerade einfach …

PR: Nein, denn Menschen wollen und brauchen Klatsch und Tratsch. Weil sie sich darüber definieren, weil sie etwas über sich selbst erfahren und weil sie sich einordnen können in der Betrachtung eines anderen Lebens.

Was passiert da genau?

PR: Oftmals so etwas wie eine Erleichterung, würde ich sagen.

Riekel und Wedekind

Wedekind war in den 80ern langjährige Society-Kolumnistin von "Bunte" ("Mein Rendezvous"), Gründungschefredakteurin der deutschen "Elle" und 1992/93 ebenfalls eine Weile Chefredakteurin von "Bunte". Beide Frauen kennen sich lange, schätzen und mögen sich, und: sie arbeiten hier und da wieder zusammen. Zwei sich Stichworte gebende, ins Wort fallende, lachende, intelligente, zukunftsorientierte Frauen, die der unterhaltsame Beweis dafür sind, dass Alter (die Damen sind Ende 60) etwas rein Biologisches ist und absolut kein Grund, in Unternehmungsgeist, Zielsetzung oder Lust aufs Leben nachzulassen. Jetzt reden sie darüber, was in den letzten 70 Jahren im deutschen Fachorgan für Stars und Sternchen - der "Bunte" - alles stand. Und was nicht. Denn nichts macht eine Boulevard-Reporterin glaubwürdiger, als in den wichtigen und richtigen Momenten die Klappe zu halten. Beide Frauen haben gut zu tun: Sie schreiben - und genießen es vor allem, dabei nicht auf die Textlänge achten zu müssen. Patricia Riekel bringt nach intensiven Gesprächen mit Willy Bogner eine sehr persönliche Biografie über seine verstorbene Frau, die Modedesignerin Sonia Bogner, heraus. Beate Wedekind liegt in den letzten Zügen ihrer Autobiografie. Und nach wie vor sind beide als Promi-Expertinnen gefragt.

Beate Wedekind: Oder Bestätigung. "Schau an, denen geht es ja auch nicht besser als mir." Wenn ein Prominenter dasselbe Schicksal erleidet wie ich, dann fühlt man sich nicht mehr so allein. Es soll nicht pathetisch klingen: Aber wenn der Boulevardjournalismus, der ja gemeinhin die Befriedigung der Lust nach der Sensation bedient, überhaupt einen höheren Sinn hat, dann ist es diese vermeintliche Erlösung von der Einsamkeit. Wie wir wissen, eine der Plagen unserer Gesellschaft.

PR: Man kann das auch mit den Gaffern auf der Autobahn vergleichen, die bei einem Unfall ganz genau hingucken und sich dann sagen: "Puh, zum Glück war das nicht ich. Oder jemand, den ich kenne." Ich persönlich kann das nicht verurteilen, das ist zutiefst menschlich, so sind wir. Und wenn dadurch die Erkenntnis wächst, mehr zu schätzen, was man selbst hat, dann ist das im Ergebnis doch gut. Das Leben der anderen ist aber auch eine Blaupause: Was würde ich denn in der und der Situation tun?

BW: Das ist ja immer die Frage …

PR: Wäre ich auch sauer gewesen, zum Beispiel damals an Uschi Glas' Stelle, als die Fotos ihres Mannes mit der Würschtl-Verkäuferin in der "Bild" auftauchten? Ja! Ich habe an dem Tag noch mit Uschi Glas gesprochen, weil sie als prominente Schauspielerin eine öffentliche Frau ist und sich auch als solche begreift. Uschi ist aber tatsächlich aus allen Wolken gefallen, sie hatte null Ahnung.

BW: Das Foto war doch nicht zufällig entstanden! Das war doch eingefädelt worden ... Fragt sich, von wem (lacht)?

PR: (lacht, nickt) Solche Inszenierungen beherrschen Männer gar nicht. Es ist die Frau, die neue Geliebte, die dafür sorgt, dass das an die Öffentlichkeit kommt. Dazu gehört eine gewisse Raffinesse, denn wer so einen prominenten wohlhabenden Kerl endgültig erobern möchte, die kann dann ja, wenn es rausgekommen ist, scheinheilig fragen: "Wer macht nur so etwas Gemeines, wer hat das verraten?" Und dann wird sie getröstet, die Geliebte - dabei müsste doch die Ehefrau, die Betrogene, getröstet werden.

Es gibt Vereinbarungen zwischen einigen Prominenten und den Medien. Wenn jemand in Ruhe gelassen werden will, dann wird er auch in Ruhe gelassen. Oder?

PR: Ja, das funktioniert. Raus kommt zwar immer alles, aber man muss es ja nicht veröffentlichen. Am meisten wissen übrigens Taxifahrer.

Denken Prominente denn tatsächlich, dass da ein Neutrum am Steuer sitzt?

Wedekind und Riekel mit Hubert Burda (Mitte) Lothar Strobach (l) und Robert Pölzer, dem aktuellen Chefredakteur.

Wedekind und Riekel mit Hubert Burda (Mitte) Lothar Strobach (l) und Robert Pölzer, dem aktuellen Chefredakteur.

(Foto: Beate Wedekind)

PR: Ja, da sind sie ganz normal: Als ob die Taxifahrer gar nicht existent wären. Die können die unglaublichsten Geschichten erzählen. Die wissen ganz genau, wer wem was schuldet und wer wen mit wem betrogen hat.

Kommen wir zum Thema Fotos - ganz schwierig: Sehr schnell steht heute ein Anwalt mit einer Anzeige drohend bei einem Medium auf der Matte.

PR: Ja, das kann pikant sein. Da wird es oft sehr spitzfindig und man muss vieles abwägen. Beispiel: Caroline von Monaco. Wenn die in einem Straßencafé sitzt, in der ersten Reihe, dann darf man sie fotografieren. Wenn aber zum Beispiel eine Pflanze vor ihr steht oder sie hinter anderen Leuten sitzt, dann gilt das als Intim-Raum. Das darf dann nicht veröffentlicht werden. Das ist ganz schwierig.

BW: Wohl wahr. Als ich kurz "Bunte"-Chefredakteurin war, Anfang der Neunziger, habe ich ein Bild von Prinzessin Caroline mit ihren Kindern und ihrem neuen Freund, dem Schauspieler Vincent Lindon, auf den Titel gehoben. Ein Paparazzi-Foto, heimlich von hinter einer Hecke aufgenommen. Und meine damaligen Stellvertreter und ich haben dazu die Schlagzeile getextet: "Ich habe wieder eine Familie."

Ein Zitat?

Riekel und Wedekind mit Gertie Müller-Hoorens, der Ehefrau des Bundesentwicklungsministers Gerd Müller.

Riekel und Wedekind mit Gertie Müller-Hoorens, der Ehefrau des Bundesentwicklungsministers Gerd Müller.

BW: Nein, leider nicht. Das war unsere Interpretation des Fotos. Und das war ausgesprochen nett gemeint, sie war damals ja eine junge Witwe. Prinzessin Carolines deutscher Anwalt, Matthias Prinz hat den Fall durch alle Instanzen durchgefochten. Das ist bis zum Europäischen Gerichtshof gegangen und hat das berühmte "Caroline-Urteil" ausgelöst.

Denn es hätte heißen müssen: Sie hat wieder eine Familie.

PR: Ja, das Recht auf Privatsphäre hat sich seitdem erheblich verschärft. In den letzten 20 Jahren haben die Medienanwälte für ihre prominenten Klienten in Deutschland Freiräume erobert, die sie so nirgends auf der Welt haben.

BW: Für mich ist die Grenze wieder weit offen, seitdem jeder mit dem Mobiltelefon fotografieren kann. Das ist ein riesiger Einschnitt in die Intimsphäre von jedem, nicht nur von Prominenten. Niemand kann ja mehr unterscheiden, ob da jemand ein privates Foto macht oder ob er damit was im Schilde führt, zum Beispiel diese vermeintlich zufälligen Fotos in den sozialen Medien, auf Facebook oder Instagram zu veröffentlichen.

Der sogenannte Lesereporter …

PR: Paparazzi in ihrer ursprünglichen Form sind gar nicht mehr wichtig. Als ich bei "Bunte" angefangen habe, da waren die noch die Könige der Szene. Aber jetzt sind sie quasi arbeitslos, denn Abschüsse darf man gar nicht mehr veröffentlichen.

Was geht und was geht nicht mehr?

PR: Das Foto einer Kate Middleton "oben ohne" in den Flitterwochen geht nicht mehr. Ein Foto wie das von Peter Graf im Gefängnishof, das geht auch nicht mehr.

BW: Und Rudolf Scharping, der mit seiner Gräfin im Pool planschte? Das Foto in "Bunte" hat den politischen Niedergang des Obergenossen eingeläutet - das ginge heute auch nicht mehr?

Das war doch inszeniert, oder?

PR: Ja, das war eine Art Homestory und von beiden abgesegnet. Wäre also auch heute noch möglich.

BW: Jetzt muss ich mich doch glatt outen: Mich haben bereits als kleines Mädchen Fotos von berühmten Leuten fasziniert. Ich habe sie mit einer Küchenschere aus der Zeitung ausgeschnitten und eines habe ich heute noch: Es zeigt den äthiopischen Kaiser Haile Selassie, Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer beim Staatsbesuch des Kaisers in Deutschland 1954. Aber wenn man mich jetzt fragen würde, was sind die Paparazzi-Fotos deines Lebens …

Diana, Prinzessin von Wales, am 25. August 1997 in Portofino auf der Jacht ihres Freundes Dodi Al Fayed.

Diana, Prinzessin von Wales, am 25. August 1997 in Portofino auf der Jacht ihres Freundes Dodi Al Fayed.

(Foto: imago/E-PRESS PHOTO.com)

Beate, was sind die Paparazzi-Fotos deines Lebens?

BW: … dann muss ich euch sagen, es gibt nur ein einziges. Und das ist Prinzessin Diana auf der Jacht ihres Freundes, des ägyptischen Multimillionärs Dodi Al-Fayed, 1997, wo sie auf dem Sprungbrett am Heck sitzt …

... in einem hellblauen Badeanzug, …

BW: … ja, und ganz offensichtlich schaut sie haarscharf an den Objektiven der Fotografen vorbei.

PR: (lacht) Dodis Jacht wurde von mindestens 20 kleinen Booten eskortiert, alle voller Fotografen.

Wie lockt man denn die Prominenten, die nichts erzählen wollen, aus der Reserve?

BW: Dafür müsste man ja erstmal definieren, wer heute überhaupt noch prominent ist (lacht).

Sabine Oelmann berichtet über Musik, Mode und Filme. Vor allem aber Interviews mit interessanten Menschen macht sie sehr gern - eine neverending Story.

Sabine Oelmann berichtet über Musik, Mode und Filme. Vor allem aber Interviews mit interessanten Menschen macht sie sehr gern - eine neverending Story.

Das wäre die nächste Frage gewesen, seufz …

BW: Na mal ehrlich, wen würde man denn heute noch "jagen" wie seinerzeit Diana, um etwas zu enthüllen?

PR: Da gibt es große Unterschiede. Gesichter aus Film und Fernsehen, die schnell als Star gehandelt werden, sind es ja oftmals gar nicht. Das sind oft Eintagsfliegen. Sternchen, die "Begleitung von …". Es gibt diese Art der Prominenz einer Jenny Elvers oder einer Naddel, von denen erfährt man sowieso alles. Und zwar, weil sie umgeben sind von Leuten, die die Geschichten gern weitererzählen, anderen sogenannten Prominenten.

BW: Dann gibt es aber eben auch die Promis, über die wir nur spekulieren können. Wie Königin Elizabeth von England oder Angela Merkel.

Wissen wir über die nicht schon alles?

Ja? Wissen wir das? In der zweiten Folge geht es um Angela Merkel und Königin Elizabeth II., um Julio Iglesias, den Papst und Bill Clinton und das, was sie gemeinsam haben.

In der dritten Folge berichten Patricia Riekel und Beate Wedekind, was sie planen, denken, wollen und was sie sich und den bunten Promis wünschen.

Quelle: ntv.de

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