
Mifti (Jasna Fritzi Bauer, l.) und Ophelia (Mavie Hörbiger) gehen viel feiern, machen sich aber auch kluge Gedanken.
(Foto: Constantin Film Verleih GmbH)
Wer nicht alt werden will, muss halt jung sterben. Und wenn Mifti so weitermacht, steht dem auch nichts mehr im Weg. In "Axolotl Overkill" verzweifelt eine junge Frau an der Realität.
Eine 17-Jährige veröffentlicht einen Roman, den die Literaturkritik feiert? Den kann ja nur ihr Vater geschrieben haben. Und überhaupt: Was kann da schon klug dran sein, wenn es auch ums "Berghain" geht und um Sex und um Heroin. Hilft auch nicht, dass ein paar Sätze in etwas anderer Gestalt schon bei einem Blogger zu lesen waren. Hach, was war das ein Skandälchen mit Helene Hegemanns "Axolotl Roadkill".
Nachdem man sie im ersten Anlauf nicht verstanden hat, tritt Hegemann - mittlerweile 25 Jahre alt - noch einmal mit ihrer Geschichte an. Und ja, es gibt bei "Axolotl Overkill" auch Geknutsche im Club. Eigentlich unterstreicht das aber nur, wie sinnentleert sich das Nachtleben gestaltet, schon lange bevor das Morgengrauen das schwitzige Elend entlarvt. Zu wenig Kokain, zu wenig Geld, zu wenig Liebe. Weiter also.
Leben im Widerspruch
Die Figuren von "Axolotl Overkill" sind keine Feiermäuschen, sondern Individualisten. Gehetzt, vielleicht ein bisschen irre, tieftraurig, hoffnungslos optimistisch und vor allem unbedingt darauf bedacht, ihr Leben abseits ausgetretener Pfade zu gestalten.

Die Figuren in "Axolotl Overkill" leben mit der eigenen Widersprüchlichkeit.
(Foto: Constantin Film Verleih GmbH)
Teenager Mifti (Jasna Fritzi Bauer) kennt tolle Fremdwörter, schafft es aber nicht in die Schule. Ihre deutlich ältere Freundin Ophelia (Mavie Hörbiger) sammelt als Schauspielerin Preise und kotzt trotzdem unter Tränen neben das Bett. Die Frauen sind glamourös und würdelos, bereichern sich und lassen sich ausnehmen. Sie sind schön und auch ganz schön scheiße. Diesen Widerspruch müssen sie aushalten und der Zuschauer gleich mit.
Dass es hier nicht um so etwas wie Wahrheit geht, indiziert dann zum Beispiel der Pinguin, der mal eben durch Miftis Geschwister-WG schlappt. Hegemanns Roman setzt sich aus Versatzstücken zusammen und so verwundert es denn nicht, dass auch der Film einen klassischen Spannungsbogen geradezu umschifft. Er könnte willkürlich wirken, wären da nicht so viele eindrückliche Bilder in der Collage des Wahnsinns auszumachen. Ein Streichholz im Dunkeln, ein immerzu bügelnder Bruder, der Blick einer Frau, die mal die ganz große Liebe sein sollte.
"Steh auf, Fotze, und verbeug dich"
"Axolotl Overkill" ist voller Rotzigkeit. "Steh auf, Fotze, und verbeug dich!", pöbelt Mifti. Und Sätze wie "Vielleicht sollte ich jetzt mal richtig vergewaltigt werden" sind natürlich provokant. Das muss man ertragen, will man den Film nicht in die belanglose Generationenporträt-Kiste packen. Dahinter verbergen sich irres Reflektionsvermögen und ein rasanter Verstand.
Im Exzess ist Mifti ihr Leben gleichgültig, doch beim Erwachen schmerzt es so sehr, dass es Bedeutung haben muss. Nur, wie damit umzugehen ist, darauf will kein Schickimicki-Restaurant, kein Bahngleis und kein Techno-Keller eine Antwort geben. Macht aber nichts, erstmal Grenzen testen. Am klügsten ist "Axolotl Overkill" ohnehin, wenn die Figuren die eigene Ziellosigkeit verhandeln. Das rechtfertigt übrigens auch, dass sie am Ende des Films alle nicht vorangekommen sind.
"Axolotl Overkill" startet am 29. Juni in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de