"Der Gourmet" bittet zu Tisch Englische Küche, auf die Psycho-Tour


Was ist in dieser Küche geschehen?
(Foto: imago images/Panthermedia)
England ist für vieles berühmt - aber für seine Küche? Nicht wirklich. Dann schon eher für sehr gute Krimis und tiefschwarzen, brillanten Humor. Alle drei Punkte vereint Bestsellerautor Craven in seinem neuen Thriller aus der Poe-Bradshaw-Reihe. Guten Appetit!
Wer an englisches Essen denkt, dem kommt Fish und Chips in den Sinn. Idealerweise in altes Zeitungspapier eingewickelt und mit Essig ertränkt. Gourmet-Küche sieht anders aus. Die gibt es aber auch: In Cumbria beispielsweise, einem Landstrich im Norden des Landes, in dem sich deutlich mehr Schafe als Menschen tummeln. In einer alten Wassermühle. Das Feinschmecker-Restaurant in urigem Ambiente wurde mit drei Sternen ausgezeichnet und Chef Jared Keaton zeichnet dafür verantwortlich.
Keaton selbst hat in Frankreich gelernt, ist charismatisch, telegen, ein Star. Keaton ist aber auch Witwer und soll seine gerade 18 Jahre alte Tochter umgebracht haben. In der mit Hightechgeräten gespickten Gourmet-Küche. Elizabeths Leiche wird zwar nicht gefunden, dafür aber eine große Menge ihres Blutes, im ganzen Raum verteilt. Jemand hat zudem versucht, es wegzuwischen.
"Toxische Dreifaltigkeit"
Für Ermittler Washington Poe von der Series Crime Analysis Section (CSAS) der National Crime Agency ist klar: Elizabeth hatte keinen einfachen Tod - und: Jared Keaton ist der Mörder. Er hat seine Tochter umgebracht. Er ist ein waschechter Psychopath, denn er übt gleich drei der bei diesem Menschenschlag beliebtesten Berufe aus: Koch, Medienstar, Geschäftsführer eines Unternehmens. Poe: "Eine toxische Dreifaltigkeit".
Der Topermittler schaut sich Keaton deshalb genau an, spricht mit Kollegen, Ex-Mitarbeitern, erstellt ein Profil. Er nimmt Keatons Leben auseinander, Stück für Stück. Sein Fazit: "Jared Keaton hat vielleicht keine Hörner. Aber in jeder anderen Hinsicht ist er die vollkommene Manifestation des Bösen! … Sie werden niemals einem intelligenteren und böseren Menschen begegnen." Keaton wird wegen Mordes verurteilt und wandert in den Knast. Für Poe ist das eindeutig der richtige Platz für Keaton, denn so kann die Öffentlichkeit vor ihm geschützt werden.
Brillanter Plot, grandioser Humor
Das Problem: Sechs Jahre nach dem mutmaßlichen Mord taucht eine Frau auf, die behauptet, Elizabeth zu sein. Eine DNA-Blutprobe gibt ihr recht. Wie kann eine Leiche lebendig sein? Diese Frage muss Poe nun schnellstmöglich beantworten, sonst kommt Keaton aus dem Gefängnis frei und Poe selbst muss stattdessen gesiebte Luft atmen. Aber wie soll er vorgehen, wo anfangen? Er kontaktiert seine Kollegin Tilly Bradshaw, ihr IQ liegt über dem von Stephen Hawking, ihre soziale Kompetenz ist dafür gleich null.
Allein die Kombi aus Poe und Bradshaw lässt die Herzen von Leserinnen und Lesern der Thrillerreihe von M. W. Craven, erschienen bei Piper und RB Medie, höher schlagen. Poe, mit allen Ermittlungswassern gewaschen, hat Ecken, Kanten und einen Spaniel namens Edgar. Er wohnt in einer ehemaligen Schäferhütte irgendwo im Norden Cumbrias und ist einfach nur eine Type. Bradshaw wiederum muss man wegen ihrer sozialen Inkompetenz lieben und ihrem Hang zu Superhelden und allem, was mit Technik zu tun hat. Eine dicke Harry-Potter-Brille hebt sie zusätzlich von der allgemeinen Masse ab.
Beide Hauptcharaktere sind absolut sympathisch und liebenswert. Es macht einfach einen Riesenspaß, ihren Dialogen zu lauschen, ihren Spitzfindigkeiten und Gedankenblitzen zu folgen. Aber auch der Rest der Figuren ist durchdacht, bietet Charaktertiefe und genug Stoff für weitere Geschichten in der Geschichte. Und dann noch der Humor: Fantastisch! Beispiel gefällig? An der Tür der Forensik hängt ein Schild: "Pathologen haben die coolsten Patienten!"
Dazu passt die sonor brummende Erzählstimme von Josef Vossenkuhl perfekt. Man mag sie einfach, sie sorgt für eine gute Grundstimmung und ein wohliges Bauchgefühl beim Hörer - und das über die komplette Spieldauer von etwas mehr als zwölf Stunden. Apropos Bauchgefühl und englisches Essen. Haben Sie schon einmal eine Gartenammer gegessen? Rund 15 Zentimeter groß. Singvogel aus Frankreich. Soll wohl eine Delikatesse sein, auch wegen ihrer sehr speziellen Zubereitung. So viel sei verraten: Jared Keaton hat es getan. Aber er ist auch ein Psychopath.
Quelle: ntv.de