"Cottbus kopflos!" Vincent Ross tritt im "Polizeiruf 110" auf der Stelle
12.11.2023, 21:52 Uhr Artikel anhören
Da muss doch noch was gehen: Kriminalkommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk).
(Foto: rbb / Volker Roloff)
Vier Fälle hat der Brandenburger Kommissar mittlerweile auf der Uhr, zwei davon als hauptverantwortlicher Einsatzleiter. Mit Kajal, Kleid und Extra-Kick gestartet, stagniert das schöne Geschehen um Vincent Ross gerade etwas, da nützt auch der schicke Mantel wenig.
"Klasse!", hatte n-tv.de Autor Julian Vetten Ende Januar 2022 sein Schnellcheck-Fazit beschlossen. Es ging um den Fall "Hildes Erbe" und damit den ersten "Polizeiruf 110"-Einsatz von André Kaczmarczyk als Kriminalkommissaranwärter Vincent Ross. "Neben der brillanten Besetzung und dem intelligent erzählten Plot haben es Drehbuchschreiberin Anika Wangard und Regisseur Eoin Moore geschafft, die Gender-Diskussion aus dem Elfenbeinturm des Feuilletons mitten ins Leben hinein zu katapultieren - ohne die Verbissenheit, mit der viele andere Formate die Thematik momentan behandeln."
Der Neue trug Rock und Kajal und räumte ziemlich lässig mit einigen Vorurteilen auf, überzeugte in einem Mix aus Empathie und einer dezenten Schrulligkeit. 9,5 Punkte gab es von uns für den ersten, 8 für den zweiten Fall, "Abgrund", 7,5 für den dritten, "Der Gott des Bankrotts". Mit "Cottbus kopflos!" nun landete die Filiale Brandenburg das erste Mal deutlich unterm Strich. Natürlich ist das alles Geschmackssache, eine Frage der Tagesform und einer Entwicklung mit Schwankungen sowohl nach oben als auch nach unten geschuldet, aber mal ehrlich: Vincent Ross tritt auf der Stelle, man kann es nicht anders sagen.
Vom Tandem Wangard/Moore einst als Kämpfer wider die Klischees ersonnen, als Protagonist, der dazu angetan war, einiges an eisigen Vorurteilen aufzubrechen, war Vincent Ross angetreten. Keine Frage, wer in Brennpunkten des wahren Lebens an die Polizei gerät, wird einen wie ihn, mit Bonos Sonnenbrille, Lipgloss und Leggings womöglich vergeblich suchen, aber im Pantoffelkino ist bekanntlich so einiges, um nicht zu sagen, alles möglich, also sei's drum. Held*innen werde heute mehr gebraucht denn je.
Allgemeinplätze und Befindlichkeitsmimik
Doch knapp zwei Jahre nach Ross' Jungfernfahrt hat die schnöde Normalität eingesetzt. Ein Lackmäntelchen, Goldkette, offenstehendes Hemd und chronisch mokanter Blick - fertig ist der Inklusiv-Inspektor? Das kann es doch nicht gewesen sein. Nun muss man sagen, dass in "Cottbus kopflos" ohnehin so einiges schiefging. Der Fall um den Motivwagen-Macher Bukol war einer jener Mikroorganismen, der einem gefühlt schon nach einer Viertelstunde so ein wenig wurscht war, insbesondere da nicht zügig, als spannungserhaltende Schockwirkung sozusagen, noch ein, zwei weitere Zeitgenossen um die Ecke gebracht wurden.
Stattdessen füllte sich die Bingokarte mit den Allgemeinplätzen, ging es immer wieder um den Motivwagen, überagierte der Cast zwischen Drama und vermeintlicher Spannung. Mit ermüdender Regelmäßigkeit wurde auf die Gesichter gehalten, gab es praktisch keine Szene, in der das Geschehen nicht noch durch Befindlichkeitsmimik wie mit einem abgebrochenen Kajalstift nachgezogen wurde. Und dann unterhalten sich in einem Krimi made in 2023 tatsächlich noch zwei Kommissar*innen über die Qualität des Kaffees? Lasst das bloß nicht Dale Cooper hören.
Im Ernst: Vincent verdient mehr. Gebt ihm doch mal eine eigene Wohnung, ein wenig Privatleben, ein Glas Milch, eine Tuba. Lasst ihn mal singen, zum Fußball gehen oder auf ein Punk-Konzert. Oder mit den Kolleg*innen Rogov und Luschke einen saufen gehen. In Rostock hat das doch auch ganz gut funktioniert.
Quelle: ntv.de